Freitag, 1. April 2016

Jean Mattern - September

Es sollten heitere Spiele werden, die die Schande von 1936 vergessen machen. Auch der BBC Korrespondent Sebastian reist nach München, um 1972 über die Olympischen Spiele zu berichten. Mit seinen guten Deutschkenntnissen ist er prädestiniert, das neue Deutschland vorzustellen. Schon bei der Akkreditierung fällt ihm ein amerikanischer Kollege auf, der zufälligerweise im Zimmer gegenüber wohnt. Sam arbeitet für eine jüdische New Yorker Zeitung und hat beste Kontakte zu dem erfolgreichsten Sportler der Spiele: Mark Spitz. Er verschafft Sebastian ein exklusives Interview, womit sich die Freundschaft der beiden Journalisten intensiviert. Doch es ist nicht nur kollegiale Zuneigung, die die beiden verbindet, sondern ein für Sebastian noch nie erlebtes Gefühl von intensiver Art zu einem Mann. Die Geiselnahme der israelischen Mannschaft jedoch, rückt plötzlich vieles in den Hintergrund.

Jean Mattern nutzt den historischen Hintergrund der Münchner Spiele, um seine Geschichte um die beiden Journalisten zu erzählen. Geschickt parallelisiert er die Ereignisse mit der Entwicklung der Liebe, wenn man die kurze Episode so nennen möchte. Erzählt wird der Roman aus Sebastians Perspektive, was die Verwirrung um die Gefühle für einen Mann, die ihm völlig fremd sind, ist er doch verheiratet und hat eine Tochter, in den Vordergrund rückt und rund um die Figur Sam, der sich immer wieder auch zurückzieht, etwas Mysterisches entstehen lässt, wie es nur frisch Verliebte empfinden können. Die Spiele beginnen fröhlich, mit sportlichen Erfolgen, mit deutschen Fräuleinwundern und amerikanischen Superstars, die alle Rekorde brechen. So nähern sich die beiden über das sportliche Thema an. Die Geiselnahme droht sie zu zerreißen, führt sie aber doch weiter zusammen, bis das tragische Ende völlig unerwartet und schockierend kommt und keiner so richtig verstehen kann, was man in diesen 24 Stunden erlebt hat.


Der Roman punktet für mich vor allem an zwei Stellen: die fiktive Aufarbeitung der Geschehnisse im September 1972, die die gesamte Dramatik nochmals aufleben lassen und die der Leser intensiv mitfühlen kann. Gerade auch die komplexe Situation, dass wieder Juden in Deutschland sterben wird sensibel, aber doch deutlich herausgestellt ohne eine Anklage des gesamten Volkes, aber doch mit einer klaren Zeichensetzung. Der zweite Aspekt ist die homoerotische Beziehung, ein Thema, das mich üblicherweise literarisch nicht anspricht und das ich meide. Durch den Verzicht auf explizite erotische Handlung und eine Beschränkung auf die Gefühlswelt Sebastians und kleine Gesten, die jedoch sehr viel ausdrücken, gelingt es Mattern dieses Thema überzeugend darzubieten. Man merkt, dass hier viel mehr der Mensch mit seiner Persönlichkeit attraktiv ist und weniger die körperliche Anziehung lenkt und somit auch emotional für den Leser nachvollziehbar wird.
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