Montag, 21. März 2016

Jan Böttcher - Y

Sein Sohn Benji – mitten in der Pubertät und nicht gerade zum Reden mit den Eltern neigend – hat einen neuen Freund: Leka. Nur wenige Tage später ist der Junge mit dem seltsamen Namen scheinbar spurlos verschwunden. Vater und Sohn machen sich auf die Suche und stoßen bald auf eine komplizierte Familiengeschichte, die sich – je nachdem, wer sie erzählt -  so oder ganz anders darstellt. Der Vater, Jakob, von den Schwiegereltern verachtet und verstoßen, liebt Arjeta, die Mutter, abgöttisch. Die Schwangerschaft führt nicht zu einer Familie, sondern zur Flucht auf den Balkan. So zerstört wie der Kosovo ist auch Lekas Familie und er selbst, hin- und hergerissen zwischen Menschen und Kulturen. Im Spiegel dieser Geschichte muss sich auch der Erzähler die Frage stellen, wie es ihm ihn und seine Familie steht.

Der Roman war für mich schwer greifbar, was nicht nur durch die nicht-linear-chronologische Erzählweise, sondern vor allem durch die Figuren begründet ist. Ob es daran liegt, dass es sich vorwiegend um männliche Figuren handelt, die dem Klischee entsprechend weitgehend verschlossen bleiben und wenig zugängliche Denkstrukturen haben, oder doch eher an der Tatsache, dass vieles über die Metapher des Computerspiels, einer mir ebenfalls völlig fremden Welt, dargestellt wird, ist schwer zu sagen.

Interessant fand ich vor allem den ersten Teil, als die Familiengeschichte um Lekas Eltern erzählt wird und die innerkulturellen Konflikte und unterschiedlichen Erwartungshaltungen dargelegt werden. Dies verliert sich im zweiten Teil mehr und mehr und der Fokus verschiebt sich. Insbesondere war hier nicht mehr nachvollziehbar, worauf der Autor eigentlich hinaus will: die komplizierten Familienstrukturen, insbesondere durch kulturelle Differenzen und die Erfordernisse der Arbeitswelt bedingt? Die Situation auf dem Balkan, nach Ende des Krieges, dem nicht geglückten Wiederaufbau? Die Sprachlosigkeit der modernen Welt, die sich nur metaphorisch in Kunst wie auch Videospielen übersetzen lässt? Die direkte Rede an den Leser am Ende hat dann völlig den Rahmen gesprengt und schlichte Ratlosigkeit zur Folge gehabt.


Ratlos hatte ich auch das Cover betrachtet, vor Beginn des Lesens für mich wenig ansprechend und weitgehend ohne Aussage. Dieses Rätsel wird jedoch durch den Roman aufgelöst und gewinnt unerwartet viel Sinn, weshalb dies eine gesonderte Erwähnung wert ist.
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