Wie kann man auf nur 350 Seiten die Fülle des 20. Jahrhunderts
unterbringen? Gar nicht. Also, wie entscheiden, was wichtig ist? Nun ja, alles
ist relativ, wie bereits der Titel von John Higgs Streifzug durch die letzten Jahrzehnte
vorm Jahrtausendwechsel andeutet. Konfrontiert wird man zunächst mit einem der
bekanntesten Kunstwerke Salvador Dalís: dessen Hummer-Telefon ziert den
Umschlag, der ansonsten nur durch die bunte und etwas schräge Schrift gestaltet
wird. Man darf also gespannt sein.
Higgs entscheidet sich für einen wie ich finde interessanten
Ansatz. Für seine Kapitel wählt er – vermutlich irgendwie zwischen willkürlich
und nach kurzem Brainstorming ergeben – Schlagworte, die in dem namengebenden
Jahrhundert Bedeutung hatten: Relativitätstheorie, Individualismus, Krieg,
Science-Fiction, Weltraum, Teenager und andere mehr liefern die Grundstruktur.
In den Abschnitten selbst findet sich ein Sammelsurium an Fakten und historischen
Begebenheiten, Anekdoten und erklärenden Beschreibungen. Ähnlich breit wie die Kapitelüberschriften
sind auch hier die Exkurse und Verbindungen. Soziale Entwicklungen ebenso wie
alles im Bereich von Kunst und Kultur, aber auch Technik und Politik finden Eingang
und lassen so ein ganz anderes Bild der Zeit entstehen. Trotz einer gewissen
Willkürlichkeit – jede Auswahl muss dieses Etikett zwangsweise annehmen – hat man
doch den Eindruck ein rundes und ansatzweise komplettes Bild zu bekommen.
Besonders gefällt mir Higgs unterhaltsamer Erzählton, der
jede Langeweile schon im Kern erstickt und einem vor Gähnen bewahrt. So bleibt
die Lektüre von der ersten bis zur letzten Seite interessant und informativ.
Allerdings bleiben wir bei der Beschreibung des 20. Jahrhunderts einmal mehr
bei einer exklusiv europäisch-nordamerikanischen Betrachtungsweise. Außerhalb
der westlichen Welt scheint nichts passiert oder hervorgebracht worden zu sein.