Samstag, 30. April 2016

Celeste Ng - Everything I never told you

Lydia, Lieblingskind von Marilyn und James Lee, ist tot. Die Leiche wird im See gefunden. Wurde das Wunderkind ermordet oder hat sie Selbstmord begangen, was die Eltern ausschließen, sie war so ein fröhliches Kind mit zahlreichen Freunden, überall beliebt und auch so intelligent. Doch Das Bild, das die Eltern von ihrer Tochter haben, ist ebenso falsch wie das, das sie von sich selbst für die Öffentlichkeit und z.T. sogar vor einander zeichnen. Die Wahrheit ist eine andere und Lydias letzte Lebensmonate erzählen eine ganz andere Geschichte des Teenagers.

Das Buch, das man als Krimi lesen könnte um auf die Suche nach der Todesursache der jungen Frau zu gehen, bietet unerwartet viel Tiefgang und spricht einige der wichtigsten Themen der Nachkriegszeit recht gnadenlos an: wie geht die Gesellschaft wirklich mit Einwanderern um, werden insbesondere Asiaten gleich behandelt oder ist doch ein latent bis manchmal offener Rassismus in der amerikanischen Kleinstadt vorhanden? Welche Selbstverwirklichungsmöglichkeiten hatten Frauen in den 50er und 60er Jahren und wie sehr mussten sie für ihre Träume kämpfen? Noch ein weiteres Thema bricht am Ende über den Leser herein, das die Geschichte wesentlich bestimmt und ebenfalls zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen gehört.


Es ist nicht so sehr die spannende Frage des Who-Dunnit, die in Celeste Ngs Roman überzeugt, mich haben einerseits der Sprachstil mit seiner feinen Ironie und den kleinen, aber entscheidenden Zwischentönen überzeugt. Zudem gelingt es der Autorin die Gedankenwelt der Teenager einzufangen und das Innenleben der Figuren glaubwürdig und differenziert zu portraitieren.

Mittwoch, 27. April 2016

Karine Tuil - Six mois, six jours

Eine Liebesgeschichte. Jedoch unter speziellen Vorzeichen. Eine der reichsten Frauen Deutschlands verliebt sich in einen charmanten Unbekannten, der auch kaum etwas von sich preisgibt. Ihr Bodyguard warnt sie und beäugt die Lage kritisch, nicht nur, weil sie über sehr viel Macht und Geld verfügt, sondern auch, weil sie Mutter von drei Kindern ist und die heimliche Liaison noch viel mehr zum Wanken bringen kann. Doch das Unausweichliche geschieht und die Frau wird Opfer genau jenes Verbrechens, das man vorhersehen kann. Aber noch viel mehr kommt zum Vorschein, dass das Imperium der Familie nachhaltig erschüttert.

Ein ungewöhnlicher Roman, der es 2010 immerhin auf die Shortlist des Prix Goncourt geschafft hat. Zunächst verliert man sich völlig in dieser Liebesgeschichte einer erwachsenen Frau, die völlig den Kopf zu verlieren scheint. Doch dann wendet sich das Blatt und das Verbrechen, das man vorher nur als Ungleichgewicht dieser Beziehung erkennt, tritt in den Vordergrund und nimmt Geschichte völlig ungeahnte Dimensionen an. Persönliches Schicksal verbindet sich plötzlich mit Weltgeschichte, Gegenwart mit Vergangenheit und lässt den Roman so an Größe und Format gewinnen.

Dienstag, 26. April 2016

Curtis Sittenfeld - Eligible

The lovely Bennet family finally made it to 2016. Jane, the oldest sister, works as a yoga instructor whereas famous Liz is a journalist for a New York women’s magazine called “Mascara”. The middle sister Mary is still rather scholarly, preparing her third Master’s degree, and the youngest sisters Kitty and Lydia spend their time applying make-up and doing CrossFit workouts. The parents – as in the original Jane Austen version – are broke and especially the mother is longing to see, finally, at least one of her daughters being married to a handsome rich man. The plot is well known, yet Sittenfeld inserts some 21st century topics such as artificial insemination, transgender partners and well-scripted reality TV to give the family enough problems to quarrel about.

Admittedly, I am one of Jane Austen’s billions of fans and not very keen on reading fan fiction or “borrowed” literary ideas. Yet, Curtis Sittenfeld made something really new of the plot and I had a great fund reading it. Albeit the overall plot is identical, he manages to create distinctive characters which are quite authentic – all these types of young women with their respective problems and fears exist all over the western world – and depicted in a lively and charming way. It you loved Liz Bennet in Jane Austen’s novel, you will also find lovable traits in Sittenfeld’s Liz. By translating the story to our world, he perfectly transformed the lives of women from then to now and really hit the nail on the head. The sisters’ thoughts are haunted by the ghosts every woman knows quite well and thus the old story finds its way into our world.


Sonntag, 24. April 2016

Tom Avery - My Brother's Shadow

Wie fühlt sich Trauer an? Für Kaia ist es Kälte, denn sie ist eingefroren seit sie ihren geliebten großen Bruder tot aufgefunden hat. 10 Monate ist das jetzt schon her und seither hat sie kaum gesprochen, mit wem auch? Ihrer Mutter, die die Trauer in Alkohol ertränkt? Ihren Freundinnen, die sie sowieso nicht verstehen? Ihren Lehrern, die gar nicht merken, wie gefangen sie in dem Panzer aus Eis ist? Doch dann kommt ein Junge an ihre Schule, er spricht nicht, aber er hört zu und mit ihm kann Kaia endlich all ihre Gedanken teilen. Langsam legt sich die Trauer und das Eis beginnt zu schmelzen.


Ein wunderschöner kurzer Roman, der die Trauer und das Unvermögen, diese mit anderen Menschen zu teilen, einfängt. Aus der Innensicht des Mädchens erlebt man, wie jemand abgeschnitten von der Welt alleingelassen wird mit diesem unsäglichen Gefühl, wie nicht herankommt und auch nichts von innen nach außen dringen kann. Aber der Roman gibt auch Hoffnung, darauf, dass die Trauer auch enden kann und danach wieder Leben möglich ist. Ein besonderes Jugendbuch mit keinem leichten Thema.

Jonas Jonasson - Hitman Anders and the Meaning of it All

Life is not fair and changes can be mean. This is Per Persson’s knowledge about life and the reason why he works as a receptionist in a run-down hotel where he also sleeps in a shabby room behind his workplace. One of his guests is Hitman Anders, a murderer who has just left prison after more than 30 years and who makes him shiver. When Per gets to know Johanna Kjellander, a priest who lost her parish due to faithless preaching, his life takes a whole new course. Johanna cleverly sees the chance to make something out of Hitman Anders’ presence – and especially to make money with the ex-criminal. What starts as a great business soon attracts the attention of Stockholm’s underworld and a crazy getaway across Sweden starts.

Readers who loved “The Hundred-Year-Old Man Who Climbed Out of the Window” and “The Girl Who Saved the King of Sweden” will recognize Jonas Jonasson’s stile at once. Again, we find strange and singular characters who are far from being real and first of all classic losers but blessed with a certain cleverness which enables them to challenge life. This ends in total chaos as was to be expected, but is fun to read since you immediately fall for them and see the disaster coming. This might all sound a bit repetitive and yes, it is. Albeit new characters and a new story you cannot avoid a certain feeling of having it already read. For me, this was ok since what I appreciated most in the two predecessors was Jonasson’s way of writing, he is a master of a funning expression which makes you laugh over and over again. It is often short sentences which contain so much and are hilariously absurd.


All in all, you get exactly what you expect from the author. A funny story written in Jonasson’s well known ironic-naïve  stile.

Samstag, 23. April 2016

Hannah Rothschild - The Improbability of Love

Looking for a birthday present for her current lover, Annie McDee discovers an interesting painting in a junk shop. Only shortly after she find herself amidst the art scene where opposing opinions tell her that she either bought rubbish or one of the most interesting and long-searched works of art. Unsuspectingly, her finding also leads to a serious family crisis and the discovery of a well-kept secret which shakes the world not only of several individuals but also the whole art world.

Admittedly I thought – due to the title – that the novel would be a rather light love story connected to art somehow. Yet, it is the complete opposite. We find complex characters who struggle in their lives with complicated family relationships, diverging feelings of independence and duties, and who are always searching for love. In the centre are two strong female characters lacking love and acceptance from their respective parents who are shown at a crucial moment of their life where they have to decide if they take revenge for the love denied or if blood just is thicker than water. The art scene was also very well depicted, you get a clear picture of the people involved and too me it seemed very realistic and believable.

All in all, a wonderful and interesting story which I can strongly recommend to read.


Samstag, 16. April 2016

Katharina Peters - Leuchtturmmord

Auf der Ostseeinsel Zudar findet man die übel zugerichtete Leiche einer jungen Frau. Nicht einmal dreißig Jahre alt war die junge Mutter und schnell ist der Ehemann unter Verdacht. Doch bei den Ermittlungen treten ganz andere, hochinteressante Fakten ans Licht: aus dem Freundeskreis der Ermordeten ist eine Serie von auffälligen Todesopfern geworden, bis auf einen einzigen sind alle nicht mehr am Leben. Und dieser hätte ein verdammt gutes Motiv. Doch noch ein weiterer Fall beschäftigt die Ermittler, die noch nicht ahnen, dass beide Fälle in Verbindung stehen und sie einen ganz dicken Fisch am Haken haben.

Ein überzeugender Krimi, der in vielerlei Hinsicht Spaß zu lesen macht. Der Plot ist gut konstruiert und die Handlung glaubwürdig. Der Fall wird sauber gelöst und muss nicht auf plötzliche Zufälle zurückgreifen, sondern ist logisch-stringent aufgebaut und zu Ende geführt. Die Figuren sind facettenreich und wirken ebenfalls authentisch, sie sind weder Superhelden noch psychisch am Ende - immer mal wieder erfrischend, wenn die üblichen Krimiversatzstücke nicht bemüht werden.

Mittwoch, 13. April 2016

Lesley Allen - The Lonely Life of Biddy Weir

Biddy lives alone with her father, both hardly have any contact to other people and since her mom ran away form a close couple. With no female around her, Biddy has no access to the life of girls and women and therefore already in primary school becomes an outsider. When Alison turns up in school and finds the perfect victim in her, years of bullying start and end the worst case imaginable.


A novel about bullying but different from many other with the same topic. It is astonishing how well and deeply hitting the reader the author manages to portray Biddy's suffering. Sometimes I had to put away the book because I could not stand it anymore - but people in this situation have to live on and somehow survive. What I also find very convincing is how the other characters reacted to the bullying: nobody wants to be the next victim and therefore nobody has the guts to stand in and support.

Samstag, 9. April 2016

Sharon M. Draper - Out of my mind

Die elfjährige Melody ist Tetraplegikerin und kann zudem nicht sprechen. Alles spielt sich nur in ihrem Kopf ab, aber niemand weiß davon, so dass sie – obwohl ihre Eltern ahnen, dass das Mädchen sehr intelligent ist – in eine typische Klasse mit beeinträchtigten Schülern kommt, die auch im 4. Schuljahr noch die Buchstaben „lernen“ und oftmals einfach vor einem Fernseher mit Zeichentrickfilmen geparkt werden. Eine mutige Lehrerin ermöglicht die Integration und als Melody einen Sprachcomputer erhält, mit dessen Hilfe sie plötzlich kommunizieren kann, scheint sie endlich Zugang zur Welt der „Normalen“ zu finden. Die Chance auf die Teilnahme an einem Wissensquizz könnte die letzten Zweifel beseitigen.


Ein sehr einfühlsames und emotional aufwühlendes Buch, das ganz aus Sicht des betroffenen Mädchens geschrieben ist und besonders deutlich die Lock-In Situation zu Beginn darstellt. Glaubwürdig und gut nachvollziehbar wird ihre Situation dargestellt und die Verzweiflung, wenn sie sich nicht ausdrücken kann und nicht verstanden wird. Noch härter jedoch der Schlag, wenn man zwar ihre Intelligenz erkennt, sie aber trotzdem nicht wirklich integriert wird und teilhaben darf am ganz normalen Schulleben. Das Buch zeigt schön, dass nicht die Behinderten das Problem sind, sondern die anderen, die zum Teil aus Unwissen oder Scheu, manchmal aber auch aus ganz offen dargebotener Ablehnung den Weg für diese Menschen mit extra großen Steinen pflastern.

James Naughtie - Paris Spring

Paris, April 1968. The students prepare themselves for the biggest revolution the country has ever seen. Also in other European countries the situation is critical: the situation in Prague is close to a war, Berlin sees student riots and the Cold War is at its heights. For Will Flemyng, secret servant at the British embassy in the French capital, this continent-wide crisis is also a very private crisis since he and his brothers are linked to underground work of spies and a murder threatens to expose their doings. The more critical the situation on the streets of Paris becomes, the higher the danger for Will to lose it all.

James Naughtie’s novel portrays the typical spy work in a time of the two big opposing players in which many more governments and agencies were involved. What I liked especially is the insight in the ambiguous feelings the spies sometimes have to go through – especially when their loyalties are tested and they have to decide between their government and country on the one hand and personal relationships on the other. “Paris Spring” also shows not only the spies’ work in a time without the well-known technology we possess today, when secret messages had to be stored in hidden places and meetings had been arranged by middlemen, but also how they co-operated and especially how the old structures, once elaborated, lasted on over decades.


All in all, a classic spy novel of the 1960s which cleverly links a personal story with historic events.

Mittwoch, 6. April 2016

Meg Rosoff - Oh. Mein. Gott

Gott würfelt nicht – aber es wird Poker gespielt im Himmel und so gewinnt Mona den ziemlich abseitigen Planeten Erde, den sie als Göttin gestalten kann, wie sie will. Da sie aber keine Lust darauf hat, übergibt sie ihn kurzerhand ihrem etwas einfältigen Sohn Bob, der dort Gott spielen und sich austoben darf. An seiner Seite hat er Mr B., der ein wenig nach dem Rechten sieht. Als Bob eines Tages die traurige Tierpflegerin Lucy entdeckt, ist es um ihn geschehen. Unendlich verliebt will er das Mädchen erobern, koste es, was es wolle. Dass eine Beziehung zwischen Gott und einem Erdling nicht wirklich zukunftsträchtig ist, spielt für Bob aber keine Rolle.


Herrlich komisch und so gar nicht ernstzunehmend stellt uns Meg Rosoff ihren ganz speziellen Himmel und vor allem den Erschaffer der Erde vor. Liebenswert sind alle Figuren, auch wenn sie noch so schräg sind. Und allzu menschliche Verhaltensweisen und Eigenarten weisen sie zudem auf, so dass das Wiedererkennen auch nicht besonders schwer fällt. Eine humorvolle Reise in ein Paralleluniversum, das vielleicht doch näher an unserer Welt ist, als man glauben mag.

Deniz Selek - Kismet. Oliven bei Vollmond

Die 14-jährige Jannah kann es nicht fassen: gerade haben sich ihre Eltern getrennt, bringt die Mutter schon einen neuen Mann vorbei. Und der ist ausgerechnet er Vater von Ken, den sie schon seit Monaten heimlich anhimmelt. Aber es kommt noch besser: sie wollen auch zusammenziehen und Jannah soll mit Ken und dessen unausstehlicher Schwester eine neue Patchwork-Familie bilden. Ihr Vater kann das Leid kaum lindern, denn er zieht sich immer weiter zurück. Doch ganz so schlimm, wie befürchtet, wird der neue Alltag nicht – nur das Chaos hat sich vervielfacht.

Der erste Band um die kuriose und multinationale Patchwork-Familie bietet eigentlich alles, was den Alltag von typischen Teenagern bestimmt und was man von einem Jugendroman für Mädchen erwarten würde: erste Liebe, Stress mit den Eltern, schwierige Zeiten in Freundschaften und das Erwachsenwerden als solches. Da alles packt die Autorin in sympathischer Weise mit viel Situationskomik und unterhaltsamen Dialogen in ein Buch, das so wirklich Spaß macht zu lesen. Die Protagonistin Jannah ist nicht nur sympathisch, sondern auch authentisch in ihrer Art und kann so die Handlung locker tragen.


Alexandra Kleeman - A wie B und C

A, die Erzählerin, ist jung und attraktiv. Als ihr seltsamer Mitbewohner auszieht, sucht sie für eine WG eine Person, die ihr ähnlicher ist. In B findet sie die perfekte WG-Partnerin. Doch bald schon nehmen die Ähnlichkeiten gruselige Züge an, denn B will immer mehr wie A sein, geradezu mit ihr verschmelzen. Auch dass A gerne Zeit mit ihrem Freund C verbringen möchte, ist für B nicht akzeptabel. Langsam bricht As Welt immer weiter zusammen, sie beobachtet seltsame Vorgänge bei ihren Nachbarn, im Supermarkt und kann bald auch ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen. Erlösung von all dem Chaos scheint ein vielversprechender ominöser Ort zu sein, der jedoch noch mehr Ernüchterung bringt.

Zu sagen, dass das Buch sehr eigen ist, wäre noch untertrieben. Bisweilen ist es sogar hochgradig absurd – eben wie das Leben bisweilen. Der erste Teil, der das Zusammenleben von A und B thematisiert, war für mich sehr stark. Die offenkundigen psychischen Erkrankungen unter denen beide Mädchen leiden, werden nicht offen angesprochen, aber in ihrem Handeln offenkundig, die Hilferufe mehr als klar. Der zweite Abschnitt, im Wesentlichen mit der unerfüllten Liebe und Sehnsucht nach C beschäftigt, zeichnet den Weg der Verzweiflung, der konsequent und logisch nur in der Hinwendung zu einer seltsamen Sekte münden kann. Viele Probleme unserer westlichen, oftmals oberflächlichen Welt finden ihren Platz in diesem Roman: das perfekte Aussehen, Sucht nach immer schlankeren und perfekteren Körpern, die Sorge vorm Verlassenwerden, anonyme Wohnsiedlungen, isolierte Arbeitsplätze und sich in der Welt verloren fühlen. Dabei wird vieles indirekt kritisiert und doch offenkundig, dadurch wird der Roman ein Abbild unserer Zeit.  Vor allem die Beziehungen der Menschen zueinander sind symptomatisch für das beginnende 21. Jahrhundert, ganz zu schweigen von abstrusen Fernsehsendungen, wie sie hier gezeigt werden.

Bisweilen irritierend hat der Roman jedoch einen sehr starken und wichtigen Subtext.



Montag, 4. April 2016

Mireille Zindel - Kreuzfahrt

Ein Sommer an der italienischen Mittelmeerküste. Eigentlich will Meret nur ihre Ruhe und flüchtet sich vor ihrem Mann und den beiden Söhnen in ein abgelegenes Restaurant. Doch da taucht plötzlich der Schwede Jan auf, der sie sogleich fasziniert. Kurz danach gesellen sich seine Frau Romy und die beiden Jungs dazu. Verwundert stellen sie fest, dass sie in Zürich nur wenige Straßen voneinander entfernt wohnen. Schnell werden gemeinsame Pläne geschmiedet und was als Zufallsbekanntschaft im Urlaub begann, wird in der Heimat fortgesetzt. Doch bei Meret und Jan entsteht mehr als nur ein freundschaftlicher Umgang miteinander und kurz bevor die beiden Familien vielleicht vorm Zerbrechen stehen, geschieht ein schweres Unglück.

Die Geschichte wird von Meret erzählt, der Grund hierfür erklärt sich erst im Laufe der Handlung und macht auch durchaus Sinn. Allerdings ist die Erzählerin und Protagonistin sehr schwer zu ertragen. Eine frustrierte Ehefrau in den 30ern, die zu faul oder blöd ist, ihrem Leben einen Sinn zu geben und deshalb den ganzen Tag lag sinnlos vor sich hinstarrt, auch wenn die Kinder in der Schule bzw. Kindergarten sind. Daran schuld ist natürlich die ganze Welt, ihre passive, eigenbrödlerisch-abstoßende Art hat natürlich nichts damit zu tun, dass die von der Welt verlassen daheim versauert. So wie ich diese Figur einfach nur abstoßend finde mit ihrer Selbstbemitleidungsmasche, würde ich im echten Leben niemals Zeit mit solchen Menschen verbringen und empfand es als Quälerei mich durch das Geseier und Lamentieren zu lesen. Die Affäre zwischen ihr und Jan erscheint mir völlig unglaubwürdig, ein Typ wie die Figur Jan würde sich nie auf eine solche Meret einlassen. Auch die anderen Figuren sind völlig überzeichnet, stereotyp bis flach bestehen sie weitgehend aus ein bis zwei Eigenschaften und bleiben ansonsten blass. Die Handlung ist insgesamt sehr knapp, vielfach dreht sich alles im Kreis und wiederholt sich, was aber durchaus stimmig zur Protagonistin mit ihrem sehr begrenzten Horizont ist.

Fazit: Das Buch konnte mich nicht überzeugen. Jede Form von Reflexion wird durch Gejammer ersetzt und macht das Lesen zur Qual. Die angekündigte Selbsterkenntnis bleibt völlig aus und glücklicherweise kann ich mich in keiner dieser Figuren wiedererkennen.


Sonntag, 3. April 2016

Katharina Höftmann - Guten Morgen, Tel Aviv

„Guten Morgen, Tel Aviv“ heißt es für die Journalistin Katharina Höftmann, nachdem sie für ihren israelischen Lebensgefährten ins Heilige Land gezogen ist. Was sie im Urlaub als ungemein spannendes und aufgeschlossenes Land erleben durfte, erweist sich im Alltag doch als nennenswert anstrengender als erwartet. In kurzen Anekdoten berichtet sie von ihren Erlebnissen in den ersten Monaten in ihrer Wahlheimat. Kurioses und Absurdes, Erschreckendes und Komisches halten sich die Waage. Das Land, dem sie so viel Sympathie entgegenbringt, schafft sie bisweilen, so dass sie nur noch in die deutsche Provinz flüchten möchte und doch zieht es sie immer wieder zurück in das Tel Aviver Chaos und das irrationale Verhalten seiner Bewohner.


Kurzweilig und unterhaltsam erhält man so einen Blick in den israelischen Alltag zwischen bedrohlichen Attentaten, Gedenken an den Holocaust und dem Feiern des Lebens. Die bisweilen abstruse Situation, in der sich das Land und seine Bewohner befinden – zwischen unmittelbarer Terror- und Kriegsbedrohung und ausschweifendem, fast sorgenfreien Leben nach westlichem Maßstab – befördert so mach unverständliche Konstellation hervor, die mit dem Humor und den pointierten Kommentaren der Autorin gelungen wiedergegeben werden. Ein kleiner, ganz und gar nicht ernsthafter, wenn doch auch ernstzunehmender, Beitrag zum Einblick in das junge Land.

Juli Zeh - Unterleuten

Brandenburg, das idyllische Dorf „Unterleuten“. Ein Sammelsurium alteingesessener Bewohner, die die DDR überlebt haben und heute noch genauso leben wir vor 40 Jahren. Auch ein paar Zugezogene gibt es, die Nähe zu Berlin ist ideal, um Stadtleben und Landleben zu verbinden. Was so harmonisch sein könnte, wir durch alte Fehden bestimmt und von älteren Männern, die nicht vergessen können oder wollen und die die tradierten Feindschaften pflegen. Als die Option auf einen Windpark besteht, der die Dorfkasse sanieren könnte, droht die kleine Gemeinschaft zu zerbrechen. Zünglein an der Waage wird eine Neubürgerin, die nicht versteht, in welchen Krieg sie sich begeben hat und dass sie durch ihr Handeln alle ins Unglück stürzen wird.


Ein großer Roman, der das Dorfleben glaubwürdig und authentisch einfängt. Die wirtschaftlichen Zwänge, die nur marginal die über Jahrhunderte festgefahrenen Strukturen beeinflussen, sind Anlass und Auslöser für die akute Krise. Der Windpark – ein hochaktuelles Thema und landauf landab Zerreißprobe für viele kleine Gemeinschaften mit sich widersprechenden Erwartungen und Bedürfnissen – kann tauglich das Chaos auslösen. Dabei bleiben die Figuren mit all ihren Eigenarten, Unzulänglichkeiten und ihrem oftmals irrationalen Verhalten jedoch immer im Vordergrund. Sie sind das Zentrum, in ihren Eigenarten individuell und doch repräsentativ für die Menschen, die man überall finden kann. Ein Stück deutsche Geschichte heruntergebrochen auf ein kleines Dorf im nirgendwo und doch symptomatisch für unsere Zeit und beispielhaft für das, was uns bewegt.

Samstag, 2. April 2016

Fredrik T. Olsson - Das Netz

Ein Stromausfall hüllt Stockholm eines Nachmittags Anfang Dezember in tiefes Dunkel. William Sandberg, ehemaliger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, steht ganz oben auf der Liste der Verdächtigen, denn alles weist darauf hin, dass er einen Terroristen treffen wollte, der das Chaos ausgelöst hat. Doch William weiß nicht, was eigentlich geschehen ist, nicht nur sein ehemaliger Arbeitgeber jagt ihn, sondern noch eine unbekannte Macht. Seine Tochter scheint ebenfalls in die ominösen verfälle verwickelt zu sein, doch ihr plötzlicher Tod wirft mehr Fragen auf als er Antworten liefert. Eine Nachricht aus Warschau scheint der Schlüssel zu sein und so beginnt Williams Flucht in Polen, doch ein mächtiger Gegenspieler steht ihm gegenüber.


Über weite Strecken ist der Thriller rasant und spannend. Die eigenartigen Vorgänge lassen sich nicht erklären und man kann die Verzweiflung der Figuren, die quasi allesamt Opfer in einem perfiden Spiel werden, regelrecht spüren und leidet mit ihnen. Die Protagonisten sind durch die Bank glaubwürdig und facettenreich gezeichnet und tragen die Handlung. Auch wenn der Plot mich phasenweise an Elsbergs „Blackout“ erinnerte und auch anderer Geschichten ähnliche Handlungsmuster aufweisen, blieb doch immer genügend Spannung und starke Figuren, um mit Interesse weiterzulesen. Abzug gibt es allerdings für das Ende und die damit verbundene Auflösung. So horrenden Unfug habe ich selten gelesen und das macht 80% gute Handlung wirklich kaputt. Ich war gespannt, wie alles erklärt wird, nun ja, eine Erklärung gibt es, wenn auch haarsträubend und absurd. Hier wäre weniger Kreativität und mehr Realismus gut gewesen.

Freitag, 1. April 2016

Jean Mattern - September

Es sollten heitere Spiele werden, die die Schande von 1936 vergessen machen. Auch der BBC Korrespondent Sebastian reist nach München, um 1972 über die Olympischen Spiele zu berichten. Mit seinen guten Deutschkenntnissen ist er prädestiniert, das neue Deutschland vorzustellen. Schon bei der Akkreditierung fällt ihm ein amerikanischer Kollege auf, der zufälligerweise im Zimmer gegenüber wohnt. Sam arbeitet für eine jüdische New Yorker Zeitung und hat beste Kontakte zu dem erfolgreichsten Sportler der Spiele: Mark Spitz. Er verschafft Sebastian ein exklusives Interview, womit sich die Freundschaft der beiden Journalisten intensiviert. Doch es ist nicht nur kollegiale Zuneigung, die die beiden verbindet, sondern ein für Sebastian noch nie erlebtes Gefühl von intensiver Art zu einem Mann. Die Geiselnahme der israelischen Mannschaft jedoch, rückt plötzlich vieles in den Hintergrund.

Jean Mattern nutzt den historischen Hintergrund der Münchner Spiele, um seine Geschichte um die beiden Journalisten zu erzählen. Geschickt parallelisiert er die Ereignisse mit der Entwicklung der Liebe, wenn man die kurze Episode so nennen möchte. Erzählt wird der Roman aus Sebastians Perspektive, was die Verwirrung um die Gefühle für einen Mann, die ihm völlig fremd sind, ist er doch verheiratet und hat eine Tochter, in den Vordergrund rückt und rund um die Figur Sam, der sich immer wieder auch zurückzieht, etwas Mysterisches entstehen lässt, wie es nur frisch Verliebte empfinden können. Die Spiele beginnen fröhlich, mit sportlichen Erfolgen, mit deutschen Fräuleinwundern und amerikanischen Superstars, die alle Rekorde brechen. So nähern sich die beiden über das sportliche Thema an. Die Geiselnahme droht sie zu zerreißen, führt sie aber doch weiter zusammen, bis das tragische Ende völlig unerwartet und schockierend kommt und keiner so richtig verstehen kann, was man in diesen 24 Stunden erlebt hat.


Der Roman punktet für mich vor allem an zwei Stellen: die fiktive Aufarbeitung der Geschehnisse im September 1972, die die gesamte Dramatik nochmals aufleben lassen und die der Leser intensiv mitfühlen kann. Gerade auch die komplexe Situation, dass wieder Juden in Deutschland sterben wird sensibel, aber doch deutlich herausgestellt ohne eine Anklage des gesamten Volkes, aber doch mit einer klaren Zeichensetzung. Der zweite Aspekt ist die homoerotische Beziehung, ein Thema, das mich üblicherweise literarisch nicht anspricht und das ich meide. Durch den Verzicht auf explizite erotische Handlung und eine Beschränkung auf die Gefühlswelt Sebastians und kleine Gesten, die jedoch sehr viel ausdrücken, gelingt es Mattern dieses Thema überzeugend darzubieten. Man merkt, dass hier viel mehr der Mensch mit seiner Persönlichkeit attraktiv ist und weniger die körperliche Anziehung lenkt und somit auch emotional für den Leser nachvollziehbar wird.
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