Dienstag, 31. Dezember 2013

Daniel Kehlmann - F (Hörbuch)

Lange erwartet und in allen Feuilletons besprochen war ich neugierig - auch wenn ich von Kehlmann nicht unbedingt überzeugt bin. Nun also das mysteriöse "F".

Drei Brüder stehen im Zentrum, jeder mit seinem eigenen Schicksal hardernd und unzufrieden. Sie erinnern sich an den ersten Nachmittag, als sie beim Hypnotiseur waren und der ihr Leben veränderte. Martin, der etwas ältere Halbbruder und die Zwillinge Iwan und Eric begleiten ihren Vater Arthur, der sich zunächst sicher ist, dass man ihn nicht hypnotisieren könne. Doch dies erweist sich als falsch und kurz darauf beginnt er ein neues Leben. Aus dem erfolglosen Schreiberling wird ein berühmter Autor - samt Selbstmordwelle als Reaktion auf sein Buch. Die Jungen schlagen unterschiedliche Wege im Leben ohne Vater ein. Iwan wird Maler, erkennt aber bald sein beschränktes Talent und kommt als Biograph doch noch zu Ruhm. Eric ist zunächst erfolgreicher Finanzverwalter, bis ihn die Wirtschaftskrise einholt. Und Martin wird Priester - obwohl er nicht an Gott glaubt. Das Fatum hat für alle einen Weg vorgesehen, glücklich sein war wohl nicht im Programm.

Burghart Klaußner liest das Buch mit einer angenehmen, unterhaltsamen Stimme. Das macht den bisweilen abstrusen, pseudo-intellektuellen Inhalt deutlich erträglicher. Viele Seitenstränge, Verwicklungen, Wiederholungen und Perspektivenwechsel strengen an und lassen es an Stringenz mangeln. Leider lässt einem das Buch ratlos zurück, verkorkste Lebensläufe, Fälschung und Betrug gibt es überall. Dass alles letztlich vom Zufall bestimmt sein soll, ist doch ein wenig zu einseitig, die Figuren geben sich hin, ohne Willen und Bemühung, an ihrem persönlichen Schicksal etwas zu ändern.

**/5

Montag, 30. Dezember 2013

Val McDermid - Der Verrat

Stephanie steht mit dem kleinen Jimmy an der Sicherheitskontrolle eines amerikanischen Flughafens. Da sie sich noch einen weiteren Check unterziehen muss, lässt sie Jimmy kurz allein und muss hilflos mit ansehen, wie dieser entführt wird. Das Personal will ihr nicht glauben und nimmt sie stattdessen fest. Wertvolle Minuten vergehen, bis man realisiert, dass Stephanie die Wahrheit sagt und der Entführer über alle Berge ist. Doch wer steckt dahinter? Eine langwierige Suche in der Vergangenheit des Jungen beginnt und Stephanie erzählt die Geschichte seiner Eltern. Als Ghostwriterin der Mutter ist sie prädestiniert über das aufregende Doppelleben von Scarlett Higgins zu berichten, einem britischen Reality-Show-Star, die alle Stufen der Berühmtheit durchlaufen hat und in Wahrheit so gar nicht dem öffentlichen Bild entsprach.

Das Buch beginnt mit einem nervenaufreibenden Paukenschlag. Für Thrillerfreunde wird es dann im Laufe der Lebensgeschichte sicherlich etwas langweilig, ich fand es faszinierend, darüber zu lesen. Der Text gleitet geradezu dahin und man taucht immer mehr in das Leben von Scarlett ein. Erst die letzten 150 Seiten sind wieder näher am Entführungsfall mit falschen Fährten und einem unerwarteten, für mich etwas zu dick aufgetragenen Ende. Dies war definitiv der schwächste Abschnitt eines sehr gelungenen Romans. Eine tolle Erzählerin, die en détail ohne langatmig zu werden, eine Vita darlegt.


Sehr gute Unterhaltung, wenn auch nicht durchgängig mit absoluter Hochspannung.

Freitag, 27. Dezember 2013

Turhan Boydak - Der Troja Code

Ein Altertumsforscher wird ermordet, weder Spuren des Täters noch ein Motiv sind zu finden. Helena, seine Tochter, sieht zunächst auch keine Verbindung zur aktuellen Forschung ihres Vater, bei der er scheinbar endlich den Beleg für eine gewagte These gefunden hat. Eine Reise in die Türkei, um Abstand von den Ereignissen in München zu gewinnen, treiben sie in die Hände einer Verschwörung und je näher sie dem Rätsel ihres Vaters kommt, desto mehr hängt ihr Leben am seidenen Faden. Nicht jedem ist es Recht, wenn die europäische Geschichte umgeschrieben werden und die kulturellen Hochkulturen neu bestimmt werden müssen. Aber endlich acheint die Zeit reif zu sein, eines der größten Geheimnisse der Menschheit zu lösen: was hatte es mit Troja wirklich auf sich.

Der Thriller ist eine gelungene Mischung zwischen Historie, Mythos, Action und wundervollen Landschaftsbeschreibungen. Im akademischen Milieu angesiedelt fordert er den Leser intellektuell heraus, unterhält aber gleichzeitig durch Hochspannung und gelungene Figurenzeichnung. Bisweilige Längen bei den historischen Erläuterungen kann man im Hinblick auf Leser mit weniger Vorwissen verzeihen. Die Einbettung in aktuelle politische Strömungen und Interessen, deren Mechanismen wie ich hoffe etwas überspitzt dargestellt sind, machen einen weiteren Reiz aus. 

Unterhaltend geschrieben, in sich logisch überzeugend hatte ich ein paar sehr spannende Stunden beim Lesen. Ohne Einschränkung empfehlenswert.

Francois Lelord - Le voyage d'Hector

Hector, französischer Psychiater, fragt sich, weshalb seine Klienten, die eigentlich ein gutes und erfülltes Leben führen, nicht glücklich sind. Er begibt sich auf Weltreise, um dem Mysterium Glück auf den Grund zu gehen. In Asien trifft er Mönche und Arbeiterinnen, in Afrika bettelnde Kinder, eine totkranke Frau und Diebesbanden, in Amerika einen Professor - diese und viele andere Begegnungen tragen zu einer Sammlung an Faktoren bei, die einen Menschen glücklich machen. Es sind keine hichtrabenden Weisheiten, sondern vielmehr Kleinihkeiten des Alltags, die leider in der ziviliserten Welt schnell untergehen und die dazu führen, dass wir nicht mehr erkennen, was wir haben.

Lelords erfolgreicher Roman bedient sich bekannter Prinzipien und ist an Märchenerzählungen angelehnt. Der naive Protagonist, der die Welt mit den Augen eines Kindes erfassen will, Komplexität reduziert und manche Dinge blumig umschreibt reist um die Welt und trifft genau die richtigen Menschen, die ihm bei seiner Auggabe helfen. Mich erinnert er sowohl an den kleinen Prinzen wie auch an Candide, kann jedoch an beide nicht heranreichen, dafür fehlt mir die Finesse. Bisweilen finde ichdie Vereinfachungen auch zu banal und fast ärgerlich, immer streift er wichtige Themen wie Zwangsprostitution oder Kolonialismus, die für mich in der Darstellung ein wenig zu sehr verharmlost und gelöst werden. Nichtsdestotrotz führt er uns vor, was wir oftmals nicht sehen und hat so durchaus für die Leser eine lebensnahe und nützliche Message.

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Jamie Freveletti - Emmas Angst

Bei einer nächtlichen Tour gerät Emma in die Hände mexikanischer Drogenkartelle. Als Chemikerin soll sie ihnen helfen und eine unerklärliche Erkrankung der Arbeiter behandeln. Sie ist zunächst ratlos, aber die schnell voranschreitende Seuche wird immer mehr zum Problem. In einem US Labor - via Drogentransport - soll sie forschen und gerät somit vollends zwischen die Fronten. Doch die größte Gefahr steckt in dem mutierten Erreger.

Frevelettis Thriller ist recht rasant mit vielen Wendungen, aber leider völlig unglaubwürdig. Auch wenn ich den Drogenbossen einiges zutraue, die Macht hat doch Grenzen und die übermenschlichen Fähigkeiten und das schier grenzenlose Wissen der Protagonistin verleiten auch eher zum Kopf schütteln. Verfilmt sicher reich an Stunt- und Schießereiszenen, als Buch eher flach

Montag, 23. Dezember 2013

Jussi Adler-Olsen - "Das Alphabethaus"

In den Wirren des zweiten Weltkrieges werden zwei englische Piloten über Deutschland abgeschossen. Zunächst gelingt ihnen die Flucht, ein langsam fahrender Zug mit Verletzten scheint ihre Rettung. Sie nehmen die Identität zweier Offiziere an und lassen sich in ein psychiatrisches Krankenhaus in Süddeutschland transportieren. Qualvolle Behandlungen müssen sie durchstehen, doch noch schlimmer sind die Quälereien durch die anderen Simulanten, die Bryan und James das Leben in der Fremde zur Hölle machen. Bryan gelingt schließlich die Flucht und er kann sich in der Heimat eine neue Existenz aufbauen. Doch die Suche nach James lässt ihm keine Ruhe. Fast 30 Jahre nach Ende des Krieges ist es endlich so weit: er erfährt, was sich nach seiner Flucht zugetragen hat und wie gemütlich es sich die Peiniger von damals eingerichtet haben. Es ist Zeit, um Rache zu nehmen.

Adler-Olsens Roman ist ungewöhnlich, wenn man die Carls Morck Reihe kennt. Sein Erstlingswerk steht des großen Erfolgen jedoch in nichts nach, sondern schafft es eine spannende Geschichte eingebettet in die Kriegswirren zu schaffen, die den Leser mitreißt. Mich ahben vor allem die Szenen im Lazarett überzeugt, von Grausamkeit kaum zu überbieten und vermutlich erschreckend realistisch. Das dramaturgische Schwenken zwischen den Figuren und ihrem Leiden, ermöglich eine multiperspektivische Betrachtung und steigert die Spannung. Erst gegen Ende beim großen Showdown war mir die Geschichte ein wenig überzogen, aber alles in allem hervorragende, hochspannende Unterhaltung.

*****/5

Freitag, 20. Dezember 2013

Christian Schünemann/Jelena Volic - "Kornblumenblau"

In Belgrad werden zwei Soldaten tot auf einem Kasernengelände aufgefunden. Angeblich Selbstmord, doch die geheimen Untersuchungen legen eher den Verdacht auf Mord nah. Sie haben offenbar etwas beobachtet, das sie nicht sehen sollten. Hat das Datum - Jahrestag des Massakers in Srebrenica - eine Rolle gespielt? Milena Lukic beginnt zu ermitteln und versinkt im Sumpf der Wirren zu Ende des 20. Jahrhunderts.

Leider uieht sich "Kornblumenblau". Die Grundidee ist gut und spannend, aber die Handlung schleppt sich dahin, bleibt zum Teil wirr - was daran liegen kann, dass mir Details der Balkanproblematik nicht geläufig sind und ich die vielen Minderheiten schwer zuordnen kann. Für mich zum Teil zu holprig, um wirklich zu überzeugen und am Ende völlig abgehackt.

2,5/5

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Kerstin Gier - Ein unmoralisches Sonderangebot

Ein alter Herr mit zu viel Zeit und Geld, drei Kinder samt Partner und ein unmoralisches Angebot: für sechs Monate Partnertausch gibt es jeweils eine Million pro Paar. Haken: die Eheleute dürfen sich nach 18 Uhr nicht sehen und werden überwacht. Das Geld lockt und somit tauscht die Protagonistin ihren Mann gegen seinen Bruder. Das Unheil nimmt seinen Lauf und bald schon erkennen alle, dass sie im Leben doch die eine oder andere Fehlentschiedung getroffen haben.

Was ganz witzig angelegt ist, wird zur Qual des Leser. Hauptfigur Olivia ist nicht mit einem Funken Intelligenz gesegnet und trägtihre Dummheit uch noch stolz vor sich her. Das an sich nervt schon extrem, aber die plakative einfallslose Zeichnung der anderen Figuren steht ihr in nichts nach. Hinzu kommt, dass sie sich an den typischen Themen der Frauenzeitschriften ab: wie kann man aich wieder in eine 38 hungern (sic!), Gartengestaltung und zur Krönung kommt dann eine Diskussion über geeignete Dekoelemente (an der sich auch männliche Figuren beteiligen, was das ganze dann völlig ad absurdum führt). Ein gesammelter Haufen Mist gespickt mit unsäglich dummen Dialogen. Einen runden Schluss findet das Buch in eine schlampigen Lektorat, ein wahres Sammelsurium an kryptischen Satzfragmenten. Bei diesem Buch stellt sich mir die Frage, ob ich das Grundprinzip ein begonnenes Buch auch zu beenden nicht doch gelegentlich überdenken sollte.

Montag, 16. Dezember 2013

Zoe Beck - Wenn es dämmert

Mina Williams, erfolgreiche Schriftstellerin, wird mit Erinnerungslücken in einem fremden Haus wach. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr und dass sie keine Kleider trägt, macht die Sache nicht besser. Nach einem Bad taumelt sie durch das Haus und findet die Leiche von matt, mit dem sie den Abend zuvor verbracht hat. Für die Polizei ist sie die Hauptverdächtige und weitere Indizien sprechen gegen sie. Lediglich der introvertierte Cedric schenkt ihr glauben und beginnt mit ihr einen Kampf gegen das organisierte Verbrechen, das in beste schottische kreise hinein vernetzt ist.

Zoe Becks Thriller bietet eine spannende Geschichte, deren Zusammenhänge sich erst spät entfalten und das ganze Ausmaß der Verstrickungen offen legt. Man fiebert mit der hilflosen Protagonistin mit und wartet sehnsüchtig auf Erlösung aus diesem Alptraum - doch die lässt den Leser sehr lange warten und spannt ihn bis zum Ende auf die Folter. Unterhaltsam, überzeugend, ein guter Thriller für zwischendurch.

****/5

Sonntag, 15. Dezember 2013

Tana French - Grabesgrün

Ein Mädchen wird ermordet am rande einer Ausgrabungsstätte in Irland gefunden. Cassie Maddox und Rob Ryan ermitteln, doch schnell stehen die beiden Ermittler vor einem Dilemma: Rob war Zeuge als seine beiden besten Freunde verschwanden, in unmittelbarer Nähe der aktuellen Fundstelle. Es scheint gewisse Parallelen zwischen den Fällen zu geben, doch weil sie gut vorankommen, behalten sie dies für sich und fahren mit der Arbeit fort. Rob will sich der Vergangenheit dennoch stellen, seine Erinnerungen sind verschüttet, und wie durch Zufall, stößt er auf die Spur des Täters. Der Fall scheint gelöst, doch dann entwickelt er erst richtig sein Potenzial und verlangt den Ermittlern alles ab.

Das Hörbuch entwickelt in den 7 Stunden 30 einen ungewöhnlichen Fall, der nicht alles löst und sich zum teil mit Andeutungen zufrieden gibt. Auch kommt es zu keiner befriedigenden Lösung, die sich der Hörer oder Leser wünscht, aber die Realität ist grausam und nicht immer fair. Unterhaltsam und spannend, wenn auch nicht der sensationelle Wurf.

****/5

Judith Schalansky - Der Hals der Giraffe

"Ein Bildungsroman" hat Judith Schalansky ihren Roman untertitelt. Und in der Tat geht es um Bildung: im Zentrum steht die Lehrerin Inga Lohmark. Biologie und Sport - die beiden Lebenswissenschaften vermittelt sie tapfer auch nach Untergang des Sozialismus und obwohl ihre Schule vor der Schließung steht. Mit Argusaugen beobachtet und beurteilt sie ihre Schüler - das menschliche Potenzial, das man ihr vorsetzt, wird von Jahr zu Jahr schwächer. Physisch wie intellektuell. Aber eigentlich sind eh alle nur Stereotypen, hundertfach gesehen, in der schlimmsten Phase ihrer Entwicklung - der Pubertät - eigentlich eine Zumutung. Die Kollegen sind da auch nicht besser, biedern sich an, haben nicht verstanden, worauf es im Unterricht und im Leben ankommt: Disziplin, Fleiß, Anstrengung. Mürrisch bis sarkastisch blickt Inga Lohmark auf ihr Umfeld und merkt bisweilen sogar, dass ihr auf der zwischenmenschlichen Ebene einiges fehlt.

Der kurze Roman offenbart vieles der Lehrerin, deren Wirken und letztlich Leben leider sinnlos bleibt, da das Wesentliche fehlt: ihre Tochter und Zuneigung. Die Vergleiche aus der Biologie, messerscharf auf alle Lebenssituationen umgesetzt, sind schlichtweg herrlich, sprachlich ist das Buch ein Hochgenuss und zurecht bejubelt worden. Ist man lange Zeit noch gehässig bei der Protagonistin, offenbart sich mehr und mehr die psychologische Ebene und man gewinnt einen anderen Eindruck, Mitleid macht sich breit. Ein offenes Ende lässt einem ratlos zurück und doch hat man dabei in einen Spiegel geblickt und durchaus was erkennen können.

*****/5

Samstag, 14. Dezember 2013

Ferdinand von Schirach - Verbrechen

Ferdinand von Schirach - ein relativ bekannter Berliner Anwalt - erzählt in mehreren Kurzgeschichten aus seinem Berufsleben. Mal kurios, mal brutal, meist überraschend stellen sich die ungewöhnlichen Kriminalfälle dar, die jeweils aus Sicht des Verteidigers beschrieben werden. Die Fälle sind individuelle und verschieden wie auch die Verbrecher und die Umstände: ein Ehemann, der Rache an seiner Frau nimmt ohne jedoch das gegebene Versprechen zu brechen; eine ominöse Teeschale, für die kaltblütig gemordet wird; ein hochbegabtes Talent, das geschickt den Polizei- und Justizapparat an der Nase herumführt; ein Herzinfarkt, der ein Pärchen vor große Probleme stellt; die Zeitumstellung, die beinahe zum belastenden Indiz würde sowie weitere kurze Darstellungen können den Leser fesseln, in Erstaunen setzen, schmunzeln lassen und gelegentlich auch Zweifel an unserem Rechtssystem wachrufen.

Kein klassischer Krimi, keine Hochspannung, aber gute Unterhaltung auch ungewöhnlichem Blickwinkel und mit raffinierter Nebennote geschrieben.

*****/5

Yrsa Sigurdardottir - Seelen im Eis

Nach dem Unfalltod seiner Ex-Frau nimmt Odinn seine Tochter Run zu sich. An das neue gemeinsame Leben müssen sich Vater und Tochter erst gewöhnen, nach einem solchen Schicksalsschlag wird dies nicht einfach. Odinn hat sich extra einen neuen Job gesucht, um mehr Zeit mit Run verbringen zu können. Er muss Rechtsansprüche ehemaliger Heimkinder prüfen. In dem Heim gingen seltsame Dinge vor sich, zwei Jugendliche kamen ums Leben und irgendwer scheint etwas vertuschen zu wollen, warum sonst sollte es Drohanrufe und E-Mails geben? Langsam nähert sich Odinn den Geschehnisse Anfang der 70er Jahre und im laufe seiner Enthüllung wird auch seine Familiengeschichte immer tiefer in den Fall verwickelt.

Vom Ende her betrachtet ist die Geschichte und auch wie die beiden Handlungsstränge zusammengeführt werden, wirklich clever und überzeugend. Leider ist die Erzählweise lähmend und so gar nicht fesselnd. Es liegt eine depressive Stimmung über dem Buch, die einem jede Sympathie für die Figuren vermiest und das Lesen bisweilen quälend werden lassen.

2,5/5

Sonntag, 8. Dezember 2013

Philippe Delerm - Le trottoir au soleil

Phlilippe Delerm, Meister der Kurzgeschichten und Aphorsmen hat auch hier wieder Einblicke sein Leben und seine Welt gegeben. Seine Fähigkeit, die Dinge um ihn herum zu beobachten und in Worte zu fassen, ist schier unglaublich. Banalste Alltagssituationen werden so zu unterhaltsamen und wundersamen Begegnungen, Ereignissen und bemerkenswerten Episoden.

Die Ankunft des Frühlings, lang ersehnt nach dem kalten Winter, die typisch französischen Sommer - wahlweise auch im benachbarten Italien - der beste Platz im Restaurant oder auch das Titelgebende Trottoir in der Sonne. Zu den verschiedensten Dingen kann er eine Geschichte erzählen, die man oftmals selbst erlebt hat oder die direkt vorm inneren Auge erscheint. Ein kurzes Verweilen, ganz wie im realen leben und schon geht man weiter, zum Teil bereits vergessen, manchmal auch etwas länger im Gedächtnis, begleitet von der Erkenntnis, dass im banalen immer auch etwas Poetisches liegen kann.

Donnerstag, 5. Dezember 2013

John le Carré - Empfindliche Wahrheit

Was passiert, wenn eine geheime Mission schiefläuft und die Wahrheit besser nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte? Wie geht man mit Mitarbeitern um, die einfach zu viel Moral besitzen und an die Aufrichtigkeit staatlicher Institutionen glauben wollen? Der britische Geheimdienst hat dies oerfektioniert und mit Hilfe privater Investoren ein Netz aufegbaut, das sich sehr effizient um unbequeme Begleiterscheinungen kümmert. Kit ist so eine ungemütliche Begleiterscheinung, die leider auch nach Jahren auf schönstem Karibikposten keine Ruhe gibt, vor allem nicht, als ein alter Bekannter im seine achlimmsten Befürchtungen bestätigt. Er will sich damit nicht abfinden und erbittet Hilfe bei dem jungen Toby Bell, dem einerseits eine große Karriere im Foreign Office bevorsteht, der aber selbst auch schon länger gehörige Zweifel an seinem Arbeitgeber hat. Doch ahnen die beiden, wer tatsächlich ihr Gegner ist und können sie sich dank jahrelanger Erfahrung im Geheimdienst schützen?

John le Carré ist zurück und hat mit seinem Roman um Whistleblower ein hochaktuelles Thema gefunden. Man merkt dem großen Geheimdienstexperten an, dass seine Zeit eine andere war, er verzichtet auf die große Technik und arbeitet sich klassisch am Thema ab. Nicht einmal E- Mails werden geschrieben, was den Roman erfrischend von der Masse abhebt und sich nahtlos in die bekannte Reihe von le Carrés Agenten einfügt, Smiley lässt grüssen. Zunächst ist der Einstieg jedoch schwierig, sehr verwirrend baut sich der Krimi erst langsam auf. Zeitangaben hätten eine Orientierung hier deutlich erleichtert. Bisweilen sind auch ein paar Begrifflichkeiten in der deutschen Übersetzung etwas holprig geraten. Überzeugen kann "Empfindliche Wahrheit" durch die Figuren, die in Überzeugung des richtigen Handelns ihr Leben riskieren und das größere Gut über ihr persönliches Wohlbefinden und die Karriere stellen. Weder Profitgier noch Ruhm treiben sie an, sondern urmenschliches Mitgefühl und Aufrichtigkeit, was fast banal klingt, aber in einer komplexen, hochtechnologisierten und individualisierten Welt positiv hervortritt.

Handwerklich wie immer überzeugend, komplex strukturiert und aktuell wie nie.

Samstag, 30. November 2013

Ethan Cross - Racheopfer

Das Prequel zu Ethan Cross' Roman "Ich bin die Nacht"

Francis Ackerman Jr, ein wahnsinniger Serienmörder wird nach langem Morden endlich gefasst. Eigentlich soll er für den Rest seines Lebens hinter Gitter schmoren, doch seine Familiengeschichte weckt auch das Interesse von Psychologen. Dank bester Beziehungen schafft man es, an ihm eine neue Behandlungsmethode zu testen und verlegt ihn in eine vermeintlich gut gesicherte Klinik. Was keiner ahnt, ist jedoch, dass dort eines seiner Opfer wartet, um Rache zu nehmen. Jennifers Familie wurde einst von Ackerman brutal ausgelöscht und nun ist die Zeit gekommen, dass er dafür zahlt. Aber Ackerman ist cleverer als sie vermuten und ein tödlicher Kampf beginnt im Untergrund der Klinik.

Spannende Kurzgeschichte mit enormem Tempo und einem außergewöhnlichen Täter. Hat mehr Potenzial als der Hauptroman.

****/5

Ethan Cross - Ich bin die Nacht

Ein unheimlicher Serienmörder terrorisiert die USA, Francis Ackerman Jr. spielt mit seinen Opfern, vermeintlich haben sie eine Chance gegen ihn, faktisch gewinnt jedoch immer nur er. Mit dem ehemaligen Ermittler des New Yorker Morddezernats Marcus bekommt er jetzt einen ebenbürtigen Gegenspieler. Doch nicht nur diese beiden tragen ihren Kampf um Leben und Tod aus. Schnell sieht sich Marcus in seiner neuen Heimat Ashteron auch noch anderen Feinden gegenüber, er hat es mit dem Sheriff und seiner Bande aufgenommen, die offenbar über dem Gesetz stehen und nur ihre eigenen Regeln im Kampf gegen das Böse gelten lassen. Vom friedlichen Leben, das er sich erträumt hatte, ist schon nach den ersten tagen nichts mehr übrig.

Ethan Cross' Thriller legt flott los und zeichnet mit Ackerman einen interessanten Charakter als Serienmörder. Zwar können seine Spieltaktiken nicht halten, was die Werbung für das Buch verspricht, nichtsdestotrotz ist der Roman mit ordentlich Spannung aufgebaut. Mit vorschreitender Handlung wird vieles jedoch absurd und unglaubwürdig. Hinzu kommt die bisweilen holprige Übersetzung, die für mich durchaus ein Ärgernis darstellt (ganz davon abgesehen, dass für die deutsche Ausgabe ein Titel gewählt wurde, der weder passend ist noch dem Original gerecht wird). Am Ende kommt eine ausgesprochen überraschende Wendung, die zwar wieder ein wenig mehr Logik in das zuvor geschilderte bringen kann, mich aber nicht wirklich überzeugt.

Edit: nachdem ich in das Hörbuch reingehört habe und feststellen konnte, dass Thomas Balou Martin eine sehr ausdrucksstarke Stimme hat, die dem Buch ein besonderes Flair verleiht, komme ich zu dem Schluss, dass man es vielleicht eher hören als lesen sollte.

***/5

Carin Gerhardsen - "Falsch gespielt"

Der vierte Band von Carin Gerhardsens Hammarby-Serie spielt in einem lauen August. Nachdem die Pokerrunde erfolgreich die gewinne der vergangenen Monate versoffen hat, machen sich die vier Männer auf den Heimweg. Der Familienvater und sehr engagierte Sven-Gunnar Erlandsson kommt jedoch nicht zu hause an. Man findet ihn am folgenden Morgen mit zwei Schüssen ermordet im Wald. Das Umfeld der Pokerspieler wirft alte Fragen auf: es gab Affären mit den Ehefrauen der Freunde, eine Tochter ist seit Jahren angeblich auf Weltreise, ein russisches Sommerkind ist spurlos verschwunden, Gerüchte im sexuellen Missbrauch stehen ebenfalls im Raum. Der Mörder scheint aus dem unmittelbaren Umfeld zu kommen. Doch die Ermittlungen kommen nicht wirklich voran, bis sie auf die Ankündigung eines Mordes im Internet stoßen und in eine ganz anderer Richtung gelenkt werden. Aber was war das Motiv?

Mir war nicht bewusst, dass ich hier in eine Serie hineinlese und entsprechend chaotisch war der Einstieg. Unzählige Ermittler, Geschichten aus den Vorgängerbänden und dazu ein verworrener Mord lassen einem schnell den Überblick verlieren. Erst nach fast 200 Seiten hatte ich mich einigermaßen eingefunden, was einfach zu lange dauert. Der Mordfall kann mit einer interessanten Konstruktion aufwarten, die den Mörder schon lange vor dem Ende aufdeckt aber den Fall nicht löst. Dieser Aspekt konnte mich absolut überzeugen. Kurze Kapitel und eine dichte Handlung sind ebenfalls glaubwürdig und ansprechend. Sprachlich kam mir der text manchmal etwas holprig vor, ein typisches Problem von Übersetzungen. Die Charaktere sind außergewöhnlich und haben Potential - nichtsdestotrotz schmälert für mich der sehr schwere Einstieg den Gesamteindruck.

3,5/5

Donnerstag, 28. November 2013

Katja Kleiber - Dicker als Blut

Ein Frankfurter Anwalt wird ermordet. Seine Tochter beauftragt die Ex-Punkerin Sandy, die Ermittlungen als Privatdetektivin aufzunehmen. Noch am Tatort stellt sie fest, dass der Anwalt nicht nur getötet, sondern auch gefoltert wurde. Zunächst fällt der Verdacht auf eine Gruppe Hausbesetzer, doch ein zweiter Mord an einem illegalen Einwanderer, der scheinbar im Zusammenhang mit dem ersten Fall steht, legt nahe, dass es Ndere Hintergründe geben muss. Mehr und mehr Ungereimtheiten treten zu Tage und Sandy alle Hände voll zu tun - was durch ihr chaotisches Privatleben nicht leichter wird.

Das Buch fällt durch den flampsigen, umgangssprachlichen Ton aus dem Rahmen. Dieser passt jedoch gut zur Protagonistin, aus deren Perspektive die Handlung erzählt wird. Das Personal ist insgesamt eher extrem zwischen der reichen Frankfurter Oberschicht und illegalen Einwanderern sowie der linksalternativen Szene. Der Kriminalfall wird am Ende etwas hastig, aber sauber und in sich stimmig gelöst. Kritikpunkte sind für mich die Figuren, die aufgrund der Erzählperspektive wenig Entwicklung zeigen und deren Hintergrund sich auch nicht wirklich klärt. Sandy schwankt mir auch zu sehr zwischen clever kombiniert und dann wieder völlig weltfremd und verblödet, was mir zu viel Bruch ist. Um sich richtig wohl im Roman zu fühlen, muss man schon eine gehörige Portion Sympathie für die Protagonistin mitbringen, die mir bisweilen leider fehlt, sich jeden Abend bis zum Filmriss zu besaufen, wenn eventuell Menschenleben am eigenen Handeln hängen, ist mir zu fremd.

Alles in allem für mich ein durchschnittlicher Krimi.

Dienstag, 26. November 2013

Thomas Mann - Buddenbrooks: Verfall einer Familie

Bei einem Buch von knapp 850 Seiten ist der Inhalt schwerlich kurz zusammenzufassen.
Thomas Mann zeichnet das Leben einer Lübecker Kaufmannsfamilie ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Johann, genannt Jean, der mit seiner Frau Elisabeth das kleine Imperium aufbaut und Hoffnung in den Nachwuchs, die Söhne Thomas und Christian sowie die Tochter Antonie, steckt. Dies scheint auch zunächst alles wunderbar zu funktionieren: Tony wird gutsituiert verheiratet, Thomas findet sich schon früh in den Laden ein, einzig Christian geht seines Weges. Doch bald schon ziehen schwarze Wolken auf. Tony lässt sich scheiden, auch eine zweite Hochzeit endet bitter. Thomas heiratet spät, sein Sohn Hanno ist zeitlebens schlechter Gesundheit und Christian kann sich nie an das bürgerliche Leben gewöhnen. So endet schließlich die Linie der Buddenbrooks und die Geschäfte werden von anderen übernommen.

Thomas Mann erzählt die vielen Jahrzehnte in changierendem Tempo. Mal erleben wir minutiös fast identisch mit der erzählten Zeit, was sich zuträgt, dann springen wir wieder über Jahre. Der Fokus wechselt zwischen den Figuren, wobei mit Thomas ein Protagonist und Stammhalter doch zentral bleibt. Man kann sich sicherlich ein gutes Bild des Bürgertums im 19. Jahrhundert machen, nicht immer kommen die Figuren dabei glücklich davon, was dem Autor wohl auch einige Kritik einbrachte, aber hier scheint der Wiedererkennungswert groß genug gewesen zu sein, um dies überhaupt artikulieren zu können.

Einen anerkannten Klassiker kann man nur schwer kritisieren, wenn man sich nicht eingehender mit dem Werk beschäftigt hat. Mir persönlich waren die Buddenbrooks schlichtweg zu lange. Bis Kapitel 7 floß der Text flott dahin, doch dann wurde es für mich einfach zäh. In weiten Teilen war die Geschichte für mein Empfinden erzählt und hatte nicht mehr viel zu bieten. Die Figuren entwickeln sich kaum und können nicht als Vorbild für Zeitgenossen dienen, immer schwebt über allen die schicksalhafte Ergebenheit, die in Untätigkeit resultiert. Selbst Revolutionen und Kriege vor der Haustür werden ignoriert und abgetan wie momentanes schlechtes Wetter. Dem Autor scheint das politisch-soziale Umfeld schlichtweg egal. Eine Literatur nur der Literatur wegen kann ich akzeptieren, bleibt aber hinter den Möglichkeiten zurück. Für mich bietet der Roman daher zu wenig Potential für den Leser, sich daran abzuarbeiten. Passivität führt nie zu Entwicklung und langweilt auch bisweilen. Leider war für mich auch sprachlich das große Talent nicht erkennbar. Einzelne sehr gelungene Formulierungen sind auf 850 Seiten zu erwarten, insgesamt herrscht jedoch durchschnittliche Banalität.

Sonntag, 24. November 2013

Alexander Hartung - Bis alle Schuld beglichen

Sonntagmorgen. Kommissar Jan Tommen liegt noch mit seiner Freundin Betty im Bett, als er unsanft geweckt und verhaftet wird. Er ist der Hauptverdächtige in einem Mordfall an einem Richter und die Beweislage ist klar. Sowohl sein Auto wie auch seine Fingerabdrücke und sein Blut konnten am Tatort gefunden werden. Jan kann nichts zur Klärung beitragen, er hat einen Filmriss von 36 Stunden und kann sich an nichts erinnern, aber er ist sicher, dass er den bestialischen Mord nicht begangen haben kann. Er flüchtet aus der Untersuchungshaft und versucht mit Hilfe seines Unterwelt Freunds Chandu, des Hackers Max und der Pathologin Zoe den Fall zu klären. Das wird nicht einfach, denn schon gibt es einen zweiten Mord und wieder finden sich Jans Spuren am Tatort. Jemand möchte ihm eine Serie an abscheulichen Morden unterschieben - doch wer ist hier so akribisch auf einem Rachefeldzug?

Alexander Hartung hat einen spannenden, cleveren und unterhaltsamen Krimi geschaffen, der von der ersten bis zur letzten Seite spannend bleibt und mit einem unerwarteten Ende aufwartet. Die Figuren sind interessant gestaltet, haben ihre Macken und sind dennoch liebenswert in ihrer Art. Der Fall selbst erfährt eine nicht vorhersehbare Wendung, die jedoch überzeugend und logisch geklärt wird.

Beste Unterhaltung mit hoher Spannung.

Gito Gasdanow - Das Phantom des Alexander Wolf

Ein heißer Tag im russischen Bürgerkrieg. Ein junger Soldat erschießt einen Gegner, der das Gewehr auf ihn gerichtet hat. Während dieser sterbend am Boden liegt, besteigt er sein Pferd und eilt davon. Einige Jahre später im Pariser Exil liest er ein Buch, in dem genau diese Szene beschrieben ist - sie kann nur von dem vermeintlich Sterbenden stammen. Er macht sich auf die Suche nach dem Phantom des Alexander Wolf. Dabei trifft er auf Jelena, die ihm irgendwann berichtet, dass ein Ex-Geliebter den Tod nur knapp entronnen war und spüre, dass sein Leben jetzt bald ein Ende nehmen würde.

Die Wiederentdeckung des Roman war eine Sensation und beim Lesen merkt man an jeder Stelle, dass hier ein Autor in klassisch russischer Tradition steht, der einen Spannungsbogen erschafft, wie man ihn nur in großer Literatur finden kann.

Donnerstag, 21. November 2013

Annette Warsönke - Die Wahrheit steht zwischen den Zeilen

Janus Lilienstein ist tot. Das scheint jedoch kaum jemanden zu kümmern aus seiner Familie. Die einzige, die wirklich betroffen ist und Zweifel an dem natürlichen Tod hat, ist Athene, seine alte Schreibmaschine. Zum Leben erweckt macht sie sich mit Hilfe anderer Haushaltsgegenstände auf der Suche nach einem vermeindtlichen Mörder. Doch bald muss Athene erkennen, dass ihr verehrter Meister auch eine dunkle Seite hatte.

Der Roman besticht durch die ungewöhnliche Perspektive der Dinge, die ob ihres begrenten Radius nur eingeschränkte Erkenntnisse haben und sich mühevoll voranarbeiten. Mit viel Charme erscheinen auch Staubsauger und Föhn, ebenso wie Computer und die Handschuhe des Täters. Gegen Ende nimmt der Krimi noch eine philosophischd Wendung und wirft sogar große ethische Fragen auf. Etwas gewöhnungsbedürfig war der Druck, summa summarum jedoch eine interessante Abwechslung auf dem Büchermarkt.

Isabel Ashdown - Sunday Girl

Sarah kehrt zu einem Klassentreffen nach fast 25 Jahren in die Heimat zurück. Mit 15 hat sie diese relativ unerwartet verlassen und seither nicht mehr besucht. Wird man sie fragen, weshalb sie überstürzt weggezogen ist? Sie blickt zurück auf die Ereignisse des letzten Schuljahres. Mit ihren Freundinnen Kate und Tina gibt es immer mal wieder Streitigkeiten, die erste Liebe zu Dante zerbricht, weil sie noch nicht bereit ist, mit ihm zu schlafen und ihr Vater bändelt mit einer ehemaligen Kollegin an. Das typische Teenagerleben in vollen Zügen. Nach und nach lüftet sich der Schleier und man erfährt, was sich in den letzten Tagen des Schuljahres zugetragen hat.

Entgegen des Klappentextes spielt sich fast die gesamte Handlung im Jahre 1986 in Sarahs Teenagerzeit ab. Nur langsam entwickeln sich die Antworten auf die Fragen der Rahmenhandlung und über weite Strecken erlebt man das mal banale, mal dramatische Teenagerdasein. Der Text fliest geradezu dahin und als Leser leidet man mit Sarah, verzweifelt an so manchem Verhalten der Freundinnen und genießt manchmal auch einmal den Blick in die Vergangenheit. Ein netter coming of age Roman, der so manche Tiefe hat und komplexe Figuren zeichnet.

Einzig ärgerlicher Punkt ist die bisweilen grottige Übersetzung. Von Fünftklässern zu reden, die wilden Sex haben, ist schlichtweg unsinnig im Deutschen, da wäre eine Anpassung an das Alter eine bessere Wahl gewesen. Viele Formulierungen, speziell bei figurativen Ausdrücken, sind holprig bis seltsam und in der Häufung stören sie den Lesefluss.

Mittwoch, 20. November 2013

Max Kinnings – „9 Stunden Angst“

Eine kleine Gruppe von christlich motivierten Terroristen plant einen schrecklichen Anschlag in London: nach intensiver Recherche entführen sie George Wakeham und sein Familie. George ist Angestellter der Tube und soll eine Bahn in einen Tunnel lenken und festsetzen. Doch damit endet der heimtückische Plan noch nicht. Nach und nach dringt Wasser in den Schacht ein und nach einer „Taufe“ sollen über 300 Pendler mit den Kidnappern ins Jenseits gehen.  Auf Seiten der Behörden wird der blinde Verhandlungsspezialist Ed eingeschaltet, der jedoch nur langsam hinter die Absichten und Gedankengänge von Tommy und seinem Team kommt. Doch er hat einen weiteren Widersacher, von dem er noch nichts ahnt: der MI5 war über den bevorstehenden Angriff informiert und will den Erfolg für sich einstreichen. Dafür gehen die Agenten auch über Leichen.

Max Kinnings hat einen spannungsreichen Thriller geschrieben, der von der ersten bis zur letzten Minute schnell getaktet ist und die Nerven spannt. Er beschränkt sich auf wenige Figuren, die jedoch detailliert gezeichnet sind und trotz dieser nervenaufreibenden Situation viel von ihrem Charakter und ihren Gefühlen preisgeben. Immer wieder werden Szenen aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt, die die Nähe zu den Figuren sichert. Die Terroristen entgegen dem Trend nicht islamistisch, sondern christlich motiviert zu präsentieren ist eine gelungene Abwechslung und glaubhaft dargestellt, wenn auch letztlich wohl eher eine massive psychische Störung den Ausschlag für diese bestialische Tat gibt.

Sprachlich holpert die deutsche Übersetzung auf den ersten 100 Seiten leider etwas. Danach wird der Fluss jedoch geschmeidiger und das Buch kann neben der Handlung auch durch die Sprache fesseln.

Alles in allem empfehlenswerte Hochspannung!

Montag, 11. November 2013

Jesper Stein - Unruhe

Kopenhagen brennt. Nach Abriss eines Jugendzentrums sind Autonome aus ganz Europa angereist und liefern sich eine Straßenschlacht mit der Polizei. Bei Ermittler Axel Stehen ruft dies böse Erinnerungen hervor und zu allem Chaos findet sich in unmittelbarer Nähe der Einsatzzentrale auch noch die Leiche eines abgeschobenen Dealers. In der unübersichtlichen Lage gerät die Polizei schnell in Bedrängnis, offenbar haben einige im Einsatz geschlafen und die Presse ist immer bestens informiert. Axel Stehen hat einen richtigen Verdacht, doch seine unkonventionellen Methoden haben ihn in Misskredit gebracht und seine Vorgesetzten entziehen ihm immer mehr Befugnisse. Man sägt an seinem Stuhl. Dazu addiert die Streitigkeiten mit seiner Exfrau befindet sich der Ermittler bald rundum in einer verzweifelten Situation, die durch eine weitere Leiche nicht verbessert wird.

Jesper Stein hat einen facettenreichen Krimi geschaffen, der sich sehr um den Protagonisten Axel Stehen dreht. Dieser ist interessant gezeichnet, mit Ecken und Kanten, offensichtlichen Schwächen für Frauen und Drogen, aber dennoch absolut verlässlich und verbissen im Job. Auch die weiteren Figuren sind nicht schablonenhaft, sondern mit verschiedenen Zügen und Unzulänglichkeiten, was sie sehr real erscheinen lässt. Das ist auch ein Grund weshalb man häufiger den Eindruck hat, dass die Handlung nicht richtig vorankommt. Längen entstehen aber trotzdem keine. Das Ende war gemessen an der Handlung zuvor für mich ein wenig zu stark aufgetragen actionreich. Bis kurz vor Schluss war mir der Täter noch ein Rätsel, weshalb ich mir nicht ganz sicher bin, ob mich die Auflösung wirklich überzeugt, da sie zuvor nur wenig angelegt war.


Alles in allem gute und solide Unterhaltung.

****/5

Donnerstag, 7. November 2013

Manuela Reizel - "Recovery"

Eine Gruppe mutiger kalifornischer Hacker ist in den Besitz kompromittierender Informationen gekommen, für die bereits Menschen das Leben lassen mussten. Die NSA ist ihnen auf den Fersen und jagt ihnen auch in Europa nach. Dort soll eines der Genies die Verschlüsselung lösen, doch der ist geradewegs in die Arme der Geheimagentin getorkelt und bezahlt diese Unvorsichtigkeit teuer. Auch in Deutschland bewegt sich eine kleine Gruppe auf dünnem Eis und stell der Öffentlichkeit mutig Material zur Verfügung, dass die Mächtigen lieber verborgen gesehen hätten und sich mit diesen Herren anzulegen, wird ein teures Unterfangen.

Ich hatte große Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzufinden, was an vielen technischen Details zu Beginn lag, die auch durch das Glossar nur begrenzt klarer wurden. Erst langsam nimmt die Geschichte Fahrt auf und die Figuren gewinnen an Profil. Zu dem Zeitpunkt, als die Handlung sich verdichtet und an Geschwindigkeit zulegt, steigt die Spannung und der Leser wird gefesselt. 

Leider war für mich die Lösung dann doch zu banal und platt. Hinzu kommt, dass unzähliche lose Enden bleiben, die weder in Zusammenhang zu Haupthandllung stehen noch ihre Bedeutung erklären. Ebenfalls schwierig war das Gefühl, dass mir die ganze Zeit wesentliche Informazionen zum Verhältnis der Figuren zueinander fehlen und Teile der Vorgeschichte angedeutet werden, aber nie wirklich Sinn erlangen.

Das Thema ist unbestritten hochaktuell und im allgemeinen Bewusstsein. Die Gefahren, denen sich Whistleblower aussetzen, kommen durch die Handlung auch klar heraus, für mich manchmal zu sehr stereotyp und klischee behaftet, aber duchaus interessant. Leider lenken Nebensächlickeiten immer wieder davon ab und gleich zwei große Enthüllungen in verschiedenen Ländern aufdecken zu wollen, ist vielleicht auch zu viel gewollt. 

3,5/5

Dienstag, 5. November 2013

Julia Stagg - Madame Josette oder ein Dorf trumpft auf

Fabian kehrt Paris und seinem stressigen Job den Rücken und reist in das Pyreneen Dorf seiner Kindheit zurück. Bei Tante Josette und Onkel Jacques hatte er die Sommerferien verbracht und nach dem Tod des Onkels will er dessen Epicerie übernehmen. Die Dorfbewohner sind nur mäßig von dem frischen Wind des Jungunternehmers begeistert und vor allem Josette fürchtet, ihren Laden bald nicht mehr zu erkennen. Einzig die junge Chloé mag Fabian sofort und findet es eher peinlich, dass ihre Mutter ihn gleich mehrfach beinahe ums Leben bringt. Was holprig startet entwickelt sich aber langsam zu einem positiven Ende und Fabian verliebt sich gar in die Frau, die ihm scheinbar nach dem Leben trachtet. Am Himmel ziehen jedoch schon dunkle Wolken der Vergangenheit auf und lebensbedrohliche Eindringlinge nähern sich dem Dorf.

Ein nettes kleines Büchlein, das ganz den Charme des französischen Landlebens versprüht. Völlig unerwartet entwickelt sich die Handlung zu einem echten Kriminalfall und schließt mit einem regelrechten Showdown. Die Figuren sind liebevoll gezeichnet mit ihren Macken und Eigenheiten und spiegeln die typischen Klischees der Dorfbewohner wieder. Besonders die Details machen das Buch aus, kleine Hinweise auf den Fortgang der Handlung, vile Liebe zum Detail bei Fabians Fahrrad-Leidenschaft sowie die kulinarischen Aspekte, die in diesem Ambiente nicht fehlen dürfen.

****/5

Sonntag, 3. November 2013

Robert Harris - Intrigue (An Officer and a Spy)

Ende des 19. Jahrhunderts, Paris. Die politische Lage ist angespannt, nachdem man den Krieg gegen die Deutschen verloren hat.Dass dies noch nicht die letzte Schlacht war, ist klar und so sind beide Seiten mit Spionen und Verrätern unterwandert. In der Armee macht langsam der diensteifrige Georges Picquart Karriere, der mit ganzer Überzeugung für das Vaterland einsteht. Nachdem er sich im Prozess um den Juden Alfred Dreyfus verdient gemacht hat, überträgt man ihm die Leitung der Statistik-Abteilung, obwohl er nie direkt mit Spionen zusammenarbeiten wollte. Seine Vorbehalte sollen sich schon bald bestätigen und nach und nach deckt er auf, dass die Verurteilung des jungen Dreyfus fingiert war - von höchster Stelle gelenkt. Sein unbändiger Gerechtigkeitssinn lässt ihn immer tiefer graben, bis er selbst zum Ziel perfider Angriffe wird und seine Karriere und beinahe auch sein Leben für das Recht lässt.

Robert Harris hat mit seinem Roman die größte, allseits bekannte und auch mehr als hundert Jahre nach ihrer Aufklärung immer noch präsente Intrige in der Geschichte Frankreichs aufgegriffen. Er erzählt den Fall jedoch interessanterweise nicht aus Sicht Dreyfus', um diesen zu verteidigen, sondern lässt den Leser mit der Figur Picquart erleben, wie scheinbare Beweise und klare Fakten immer dünner werden und sich schließlich die Wahrheit als das genaue Gegenteil dessen herausstellt, wofür man sie hielt. Die schiere Aussichtslosigkeit und den Kampf gegen die Windmühlen, nimmt man mit dem Oberstleutnant auf, immer in der Hoffnung, dass Gerechtigkeit geschehe. Chronologisch den Vorgängen folgend, untermauert mit Realien wie dem berühmten Manifest "J'accuse" Zolas, wird der Fall neu aufgerollt und erlangt in Zeiten von NSA Skandalen und allgemeinem Vertrauensverlust in staatliche Stellen eine ungeahnte Aktualität.

Auch wenn der Ausgang weithin bekannt ist, bleibt die Spannung im Roman doch erhalten. Er besticht durch die Person Picquarts, deren Charakterstärke und Mut auch historisch ihresgleichen sucht. Ein hochinteressanter Fall sehr gelungen literarisch umgesetzt.

Samstag, 2. November 2013

Jürgen Seibold - Schlampig dosiert

In Esslingen kommt bei einem Einbruch ein Ehepaar ums Leben. Das Muster der Ganoven passt zu einer Serie, die sich einige Zeit zuvor in Pforzheim ereignet hatte, dort waren jedoch alle Opfer am Leben geblieben. Irgendwas muss schief gelaufen sein und Bestatter Gottfried Froehlichs Neugierde und Ermittlerdang ist geweckt. Leider hat er seiner Inge geschworen, nicht mehr auf Mörderjagd zu gehen, doch sein Assistent Sanftleben hat eine Idee und Froehlich nimmt in Pforzheim die Spur der Gentlemen-Räuber auf.

Ein sympathischer kleiner Krimi, der weniger durch einen überraschend-cleveren Kriminalfall als durch schrullige Figuren und gelungenen Wortwitz begeistern kann. Schon die Namen der Protagonisten sind herrlich gewählt und viele weitere kleine Details zeigen, wie sehr auch Jürgen Seibold seine Figuren und die baden-württembergische Heimat mag, um sie derat gelungen literarisch umzusetzen.

Als Krimi für mich nicht der ganz große Wurf, aber mit viel Unterhaltungswert und einigen Passagen, die den Leser amüsiert schmunzeln lassen.

Freitag, 1. November 2013

Jo Nesbo - Police (Koma)

Oslo wird von einem unheimlichen Mörder erschüttert. An bekannten Tatorten begeht er an Jahrestagen eine grausame Tat. Schnell wird klar, dass die Opfer in einem Zusammenhang mit der ursprünglichen Tat stehen müssen: sie haben in dem Fall ermittelt. Der Serienmörder hat es auf die Polizei abgesehen. Die Lage spitzt sich zu und es führt kein Weg daran vorbei: Harry Hole muss zurück in den Dienst, um die Ex-Kollegen zu helfen. Aber dieser Fall wird auch ihm einiges abverlangen, nicht nur überlebt mit Beate einer seiner engsten Vertrauten nicht - auch Rakel und Oleg geraten in die Fängen des Irren.

Kennt man die Vorgängerbände nicht, ist es nicht ganz einfach in die Geschichte zu finden. Auch ist für Neulinge der Serie verwirrend, dass Harry Hole erst relativ spät in die Handlung kommt, die aber ab diesem Zeitpunkt deutlich an Fahrt und Spannung gewinnt. Immer mehr Zusammenhänge offenbaren sich und auch die Verbindung zur Vorgeschichte wird hergestellt, so dass man mehr und mehr in den Sog der Handlung gerät.

Besonders interessant und hervorhebenswert ist Nesbos Fähigkeit, Dinge nicht zu sagen oder nur anzudeuten und den Leser so auf eine falsche Fährte zu schicken. Mehr als einmal bleibt man erschrocken mit offenem Mund sitzen, fassungslos - bevor sich die Anspannung wieder löst und man erkennt, einmal mehr auf die clevere Ausdrucksweise des Autors hereingefallen zu sein. An Spannung mangelt es wahrlich nicht und man merkt an jeder Stelle, dass Nesbo ein Meister seines Faches ist.

Sonntag, 27. Oktober 2013

William Shaw - Abbey Road Murder Song

1968, London. Die Jugend ist im Aufruhr, die Beatles und andere Popgruppen verändern die Welt. Ihre Eltern verstehen sie nicht mehr und so ist es auch nicht verwunderlich, dass niemand das blonde Mädchen vermisst, das ermordet in einem Hinterhof aufgefunden wird. Erst die junge Polizeianwärterin Tozer hat den richtigen Riecher und bringt Sergeant Breen auf die richtige Fährte um Umfeld der Beatles-Fans.  Schon bald scheint sich der Mord als Familiendrama zu entpuppen, doch Breen und Tozer sind nicht davon überzeugt und ermitteln weiter.

William Shaw hat einen interessanten Krimi geschaffen, der sich unerwartet politisch entwickelt und ein heut weitgehend ausgeblendetes Thema aufgreift. Für mich meistens ein Pluspunkt, doch in diesem Fall erscheint mir das Motiv für den Mord etwas zu weit hergeholt und konstruiert, es dauert auch zu lange, bis das eigentliche Motiv in den Fokus rückt. Gleiches gilt dem zweiten Mordfall, der immer wieder aufgegriffen, aber letztlich vergessen wird. Dazu verschwinden andere Figuren wie die Nanny, die die Leiche entdeckt und zunächst einen großen Raum einnimmt. Mit Tozer und Breen wurden zwei Außenseiter zu Protagonisten gemacht, die jedoch dank ihrer Überzeugungen und dem durch und durch guten Herzen für den Leser ungemein sympathisch erscheinen.

Fazit: unterhaltsam beim Lesen, jedoch insgesamt zu viel hineingepackt.

****/4

Montag, 21. Oktober 2013

Ian McEwan - Sweet Tooth

Serena Frome blickt knapp vierzig Jahre in die Vergangenheit, in die Zeit als sie für dem MI5 als Agentin tätig und eine sehr kurze Karriere hatte. Clever und hübsch hatte die Pfarrerstochter beste Aussichten auf ein erfülltes Leben. Entgegen ihrer Intuition Literatur zu studieren, folgt sie dem Wunsch der Mutter und widmet sich in Cambridge der Mathematik. Über eine kurze Beziehung mit einem Kommilitonen lernt sie den Professor Tony Canning kennen, der ihr den Weg in den Geheimdienst ebnet. Dort sind Frauen in den 70ern allerdings nicht gerne gesehen und werden mit Sekretariatsaufgaben abgespeist. Doch Serenas Chance kommt, sie soll am Projekt "Sweet Tooth" mitarbeiten und den Autor Tom Haley heimlich an den Secret Service binden. Was als spannende Aufgabe beginnt und ihr die Arbeit mit ihrer Leidenschaft Literatur ermöglicht, wird irgendwann belastend, denn Serena und Tom verlieben sich - aber es steht eine Lüge zwischen ihnen und Serena wartet verzweifelt auf den Moment, die Karten auf den Tisch legen zu können. Mit Haleys steigendem Erfolg, steigt auch die Gefahr, entdeckt zu werden.

Ian McEwan schenkt dem Leser genau das, was man erwartet: Eine intensive Geschichte voller Liebe zum Detail, die die Gefühle und Zerrissenheit der Figuren ebenso einfängt wie mit kompositorischen Tricks Literatur in der Literatur liefert. Als Gespräche über Autoren und Werke und ebenso Toms Geschichten, die nahtlos eingebettet werden. Dabei eine wunderschöne, blumige Sprache, die für mich McEwans größte Stärke ist, es ist schlichtweg Genuß pur, wie er die Welt in Worte fasst und Ausdrücke findet, die fern von Banalität ins Schwarze treffen.

Nach dem etwas enttäuschenden "Solar" wieder ganz große Literatur.

Samstag, 19. Oktober 2013

Eugen Freund - Der Tod des Landeshauptmanns

Jörg Haider verunglückte tödlich. So viel ist bekannt, aber steckte dahinter nicht doch die Tat eines der großen Geheimdienste? Dieser Verdacht drängt sich Jasmin Köpperl auf, deren Freund spurlos verschwunden ist, der ihr jedoch mehrfach täglich E-Mails mit belastenden Inhalten schickt. Was weiß Stefan? Ist das so brisant, dass der Heeresnachrichtendienst seinen Tod vortäuscht, oder hat er das selbst als Maßnahme inszeniert, um Zeit für die Flucht zu gewinnen? Ein Wettlauf zwischen Polizei und HNA beginnt, zwei alte Freunde kämpfen gegeneinander und einer hat dabei keine saubere Weste.

Freund lässt verschiedene Handlungsstränge übereinander liegen und lange Zeit bleibt unklar, wie sie miteinander verbunden sind. Immer schwebt im Raum, dass der Tod Haiders nicht auf einen banalen Autounfall zurückzuführen ist, vor dieser Schablone spielt sich zugleich eine zweite Handlung ab, die jedoch ebenfalls direkte Drähte ins rechtsextreme Milieu hat. Dem Autor gelingt es jedoch, am Ende alles sauber zu lösen.

Auch wenn es zur Lösung kam, bleiben doch ein paar logische Zweifel, weshalb Stefan Jasmin Mails mit diesem Inhalt und nicht Belastungsmaterial gegen seinen Vorgesetzten schickt. Ebenso hat mich gestört, dass mit der Figur Jasmin das übliche Klischee des naiven dummen Weibchens bedient wird, was umso weniger passt, da sie zugleich eine angesehen Journalistin sein soll. Nach Ende der Lektüre frage ich mich auch, ob hier nicht die Popularität Haiders benutzt wird, um eine etwas dünne Geschichte aufzupeppen, denn von diesem Fall bleibt letztlich zu wenig übrig.

***/5

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Daniel Kehlmann - Ruhm

Neun Geschichten, neun Protagonisten, neun Mal Alltag mit Verzweiflung, Hoffnung, Suche nach einem anderen Leben. Kehlmanns Roman besticht weniger durch die Handlung, diese ist alltäglich, bisweilen fast banal, sondern durch die Konstruktion der Kurzgeschichten. Diese sind durch die Figuren verbunden, die plötzlich in einer anderen Geschichte wieder erscheinen und dort zur Haupt- oder eben Nebenfigur werden. Gemeinsam haben alle eine hohe Individualität und Problembehaftetheit im Dasein. Ihr Leben und die Personen um sie herum lässt sie im geringsten Fall unglücklich, im schlimmsten depressiv erscheinen.

Unerwartet unterhaltsam nährt sich Kehlmann den Figuren, spielt auch mal mit den Erzählebenen und dem Leser und schafft einen ungewöhnlichen kurzen Roman.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Wilhelm Speyer - Ich geh aus und du bleibst da. Der Roman eines Mannequins

Im Berlin der 20er Jahre arbeitet Gaby in einem Damenmodengeschäft als Verkäuferin. Jedoch nicht nur das, sie darf den Damen den Gesellschaft die edlen Roben und Pelze als Mannequin vorführen. So glamourös der Arbeitstag, so bescheiden ist das Leben danach, mit Georg und ihren besten Freundin Christa und Walter führt sie eine einfache Gemeinschaft, die mehr schlecht als recht über die Runden eines kleinen Angestellten kommt. Eines Tages bietet sich ihr die Chance des Aufstiegs. Nur ein wenig dem adretten Herrn von Haller vergnügliche Stunden besorgen und ihr winkt eine unvorstellbar große Summe, die ihr die Zukunft sichert. Doch bald schon scheint das Mädchen unsanft auf dem Boden der Realität zu landen und noch weit tiefer zu fallen.

Wilhelm Speyer hat einen vergnüglichen Roman um das aufstrebende Mädchen Gaby geschrieben, die mit Humor und Pfiffigkeit gesegnet den Männern reihenweise sympathisch den Kopf verdreht. Im typischen Stil der neuen Sachlichkeit beschreibt er ihr Dasein und das Streben nach oben, sich ungeahnt bietende Möglichkeiten und banale Realität. Bisweilen erinnert Gaby mich an Irmgard Keuns kunstseidenes Mädchen - besonders durch den Diebstahl des Mantels. Ein kritischer Blick auf die Gesellschaft seiner Zeit, sprachlich heute zum Teil etwas veraltet anmutend, aber dadurch umso überzeugender als Zeitzeuge und thematisch aktuell wie vor über 80 Jahren: wer möchte nicht ein kleines Stück vom Glück und träumt nicht vom sorgenfreien Leben?

Man kann dem Elsinor Verlag nur danken dafür, Speyer wieder aufzulegen und heutigen Lesern zugänglich zu machen. Ein absoluter Schatz.

Samstag, 5. Oktober 2013

Beile Ratut – Das schwarze Buch der Gier


Alba freut sich, ihr sechster Geburtstag, zu dem sogar ihre Tante Merete gekommen ist, die sie sonst nur sehr selten sieht. Doch aus dem Fest wird nichts, denn ihr Bruder Samuel verschwindet spurlos. Trauer, Verzweiflung, Fragen ohne Antworten sind die Reaktion. Merete verlässt nach einem Streit das Haus und verschwindet aus dem Leben von Albas Familie. Diese zerbricht an dem Schicksalsschlag und aus dem fröhlichen Mädchen wird eine verzweifelte Frau, die kein Vertrauen zu den Menschen fassen kann, der es nicht gelingt, sich mitzuteilen und die in Einsamkeit und Depression versinkt. Immer wieder streifen Männer ihren Weg, doch nie kann aus dem ersten Interesse eine Verbindung werden, sie hält Distanz und wartet immer auf die Antwort, warum ihr Bruder verschwunden ist.


Beile Ratut hat einen schweren Roman geschrieben. Aus jeder Zeile springen den Leser die Verzweiflung, die Trauer und auch die Hilflosigkeit Albas an. Man wünscht ihr so sehr, glücklich zu werden, mit dem Schicksal Frieden zu schließen, doch sie kann es nicht. Weder als Kind, noch mit Mitte 20, noch mit Mitte 40. Die seelische Gewalt, die das Mädchen erlebt, wird durch physische Gewalt, mit der sie sich beschäftigt und die sie sich ausmalt, verlagert, bis auch diese sie einholt. Ausdrucksstark, beängstigend und verstörend wirkt das Buch auf mich. Mir fehlt der Funke Hoffnung – auch wenn der in der Realität auch nicht immer gegeben ist.

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Alexander Emmerich - "Wut im Quadrat"

Olivia von Sassen flüchtet aus Berlin, in Mannheim wird sie ihre neue Stelle als Kommissarin antreten. Nach einer langen Zugfahrt ist sie fast angekommen, als sie in Höhe des Rangierbahnhofs aus dem ICE heraus einen Mord beobachtet. Eine Notbremsung und ihr erster Fall beginnt. Dumm nur, dass weder Mörder noch Leiche zu finden sind und die neuen Kollegin sie nur als die Frau mit dem Fehlalarm ansehen. Doch schon am nächsten Tag wird das Opfer angespült und für Olivia und Kollege Moritz Martin beginnen die Ermittlungen in der Quadratestadt. Der Mord ist nicht der einzige Fall, um den sie sich kümmern müssen, auch der 12-jährige Thomas wurde entführt. Dass es hier einen lebensbedrohlichen Zusammenhang geben könnte, sehen die Ermittler nicht gleich.

Ein überzeugender Einstieg in eine neue Krimi-Reihe. Die Figuren haben Wcken und Kanten und passen in ihrer ruppig-ironischen Art einwandfrei nach Mannheim, das wenig prätentiös ist und im Roman hervorragend eingefangen wird. Überhaupt kommt der Handlungsort gut zur Geltung und passt sich logisch in die Geschichte ein. Das Ermittlerduo zeigt bei aller Arbeit auch Humor und die Zusammenarbeit hat unterhaltsames Potential. Von der unbeantworteten Frage, weshalb Olivia überhaupt an den Rhein ziehen musste, ganz zu schweigen.

Sehr gelungener Auftakt, auf dessen Fortsetzung ich mich jetzt schon freue.

*****/5

Britta Mühlbauer – Inventurdifferenz

Marlies Wolf ist auf der Flucht. Sie hat eine Straftat begangen und ist ans andere Ende der Welt geflüchtet, um eine gewisse Hanna zu suchen, die ebenfalls untergetaucht scheint. In Rückblenden schildert sie ihr Leben und wie sie Hanna kennengelernt hat. Als Mitarbeiterin einer Security Firma sollte sie in Hannas Baumarkt die Ursache der Inventurdifferenz klären. Die beiden Frauen haben ein angespanntes, aber doch auch nahes Verhältnis, das durch gemeinsame Bekannte – Marlies Kindheitsfreundin und deren Mutter – intensiviert wird. Marlies findet in Hanna ein Vorbild und Orientierungspunkt, ihre Meinung und Anerkennung ist ihr wichtig und so fühlt sie sich beauftragt, einen unglaublichen Racheakt durchzuführen.

Der Roman beginnt verwirrend, die Zeit- und Ortssprünge machen eine Orientierung nicht einfach. Eine große Zahl von Figuren, die auf- und wieder abtauchen, lässt lange Zeit kein klares Bild zu. Erst im letzten Drittel entfaltet sich der Kern der Handlung und gibt Antworten auf wesentliche Fragen. Hier tritt auch ein völlig neuer Aspekt hinzu: unglaubliche Gewalttätigkeit und Brutalität, die en détail geschildert wird. Das Cover – harmlose fünf Nägel – gewinnt eine völlig neue Aussagekraft. Sprachlich bisweilen durch österreichische Ausdrücke irritierend, insgesamt jedoch stimmig.

Für mich war das Buch keine leichte Kost. Sehr lange habe ich gebraucht, um in die Handlung zu finden, was vor allem an den durchweg unsympathischen Figuren lag. Für meinen persönlichen Geschmack wurde auch zu lange Zeit getändelt, ohne dass die Handlung vorankam oder das Erzählte relevant gewesen wäre. Die Episoden über Hannas Ansichten zum Verhältnis der Geschlechter waren interessant – kamen aber viel zu kurz. Dafür gerieten die die Gewaltdarstellungen am Ende unerträglich lang und detailliert.


***/5

Montag, 30. September 2013

Tobias Elsäßer - "One"

Asien. Der 17-jährige Samuel möchte endlich ins Leben nach der Schule durchstarten. Die finanzielle Background seiner Familie sollte einen Trip durch Europa locker ermöglichen. Startpunkt soll Deutschland sein, seine Heimat, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Doch es kommt anders als geplant: eine Gruppierung von Kapitalismusgegenern hat die Revolution ausgerufen und kontrolliert Energieversorgung, Verkehr, Internet und sogar Banken. Samuel gerät in Frankfurt ins Chaos und wird von Fabienne aus dem Zentrum einer Demo gerettet. Sie führt ihn zu der Gruppe der Hacker und Aufständler. Für Samuel, ohne Kontakt zu Familie und Freunden, sind die Ansichten dieser Menschen nur schwer nachzuvollziehen. Hinzu kommt die Tatsache, dass er gleich zwei Mal Zeuge eines Mordes wird - beide Male Freunde seines Vaters. Ist dieser auch in Gefahr? In welches tödliche Spiel ist er geraten? Wahrheit hibt es nicht mehr in "One" und bisweilen scheint alles aus dem Ruder zu laufen.

Tobias Elsäßer hat ein hochaktuelles Thema spannend umgesetzt. Mit dem jugendlichen Samuel hat man eine unbedarfte Herangehensweise an das hochkomplexe Spannungsfeld der Marktwirtschaft und ihren Auswirkungen auf den modernen Menschen. Spannend und unterhaltsam geschrieben, bis zum Ende mit großen Fragezeichen beim Leser - überzeugender Krimi.

****/5

Nicole Joens - "Tanz der Zitronen"

Nicole Joens berichtet von ihren Erfahrungen mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Als Drehbuchautorin kämpft sie mit selbstüberschätzenden Redakteuren, gebührengelder-vernichtenden Tochtergesellschaften und kuriosen Definitionen des Zuschauerwillens. Wie man schnell auf die Schwarze Liste gerät, weil man sich als Künstler den Vorstellungen unkreativer Verwalter nicht beugen möchte und scheinbar keinen Schutz am geistigen Eigentum hat, ist für Leser erschreckend und unglaublich zu erfahren. Beispielhaft werden Geldverschwendung, Vetterchenwirtschaft und zweifelhafte Geschäftsmodelle dargestellt und die prekäre Lage derjenigen aufgezeigt, die für die Inhalte und den künsterlichen Wert und damit unsere Unterhaltung zuständig sind.

Ein mutiges Buch, das gnadenlos den Vorhang lüpft und den Blick auf die Maxhenschaften hinter den Kulissen freilegt. Sicherlich subjektiv, aber dadurch authentisch und glaubwürdig. In weiten Teilen sehr informativ und mit interessanten Einblicken in die Produktion von Filmen, die dem Zuschauer im Allgemeinen nicht zugänglich sind. Es bleibt zu hoffen, dass die Courage belohnti und die Vorschläge zur Strukturverbesserung gehört werden.

Samstag, 28. September 2013

Sam Millar - Die satten Toten

Belfast. Ein irrer Serienmörder hat es auf vorwiegend obdachlose, junge Mädchen abgesehen. Sein bestialisches Kennzeichen: bevor er sie ermordet mästet er sie wie Foie gras-Gänse und verspeist ihre Leber. Ein Mädchen bittet Privatermittler Karl Kane um Hilfe, sie fürchtet, dass ihrer Schwester etwas passiert sein könnte und schon bald darauf wird die Leiche des Mädchens angespült. Naomis und Karls Freundin Ivana hat den schlimmen Verdacht, dass ein Kindheitsfreund dahinter stecken könnte. Schon in jungen Jahren war er durch seltsames Verhalten und offenkundige psychische Störung aufgefallen, jetzt ist er ein mächtiger und angesehener Mann der Gesellschaft. Ihm das Handwerk zu legen, wird nicht einfach und auf dem Weg dahin muss nicht nur Ivana mit ihrem leben bezahlen, auch Karl muss mehr als eine Schlägerei über sich ergehen lassen.

Sam Millars Krimi fällt zunächst durch die wirklich außergewöhnliche Buchgestaltung auf. Auf einem satten grün mit schwarzen Seitenrändern prangt eine widerliche Gestalt der Unterwelt, die hämisch dem Ermittler die Zunge entgegen streckt. Gruselig düster wie das Cover gestaltet sich auch der Romaninhalt, "Krimi" ist für mein Empfinden nur begrenzt passend. Es gibt eine Suche an einem Täter, die nimmt jedoch nur einen kleinen Raum ein, bisweilen muss auch Kommissar Zufall helfen und im letzten Teil wird die Handlung auch sehr vorhersehbar. Viel mehr sind die Unterwelt Belfasts mit ihren zwielichtigen Gestalten im Zentrum des Romans. Unzählige Prügeleien, ein Vokabular allerunterster Schublade, exzessive Drogentrips und zahl- und wortreiche Beschreibungen von mit Fäkalien verschmutzen Orten nehmen einen großen Raum ein. Man muss ein Faible für sinnlose, ausufernde Gewalt und derbe Ausdrucksweise sowie gestörte zwischenmenschliche Beziehungen haben, um Gefallen an "Die satten Toten" zu finden. Die Krimihandlung indes bleibt schwach und ohne Überraschungen. Alles in allem könnte mich das Buch nur in Maßen fesseln.

***/5

Donnerstag, 26. September 2013

Katharina Höftmann - "Der Rabbi und das Böse"

In Tel Aviv wird während einer Friedensdemo ein engagierter Rabbi niedergestochen, kurz danach verstirbt er im Krankenhaus. Bei den Recherchen findet die Polizei heraus, dass er ausgesprochen viel für die arabische Community getan hat und sich insbesondere um Jugendliche kümmerte, schnell wird jedoch auch klar, dass es in seinem Privatleben blinde Flecken gibt und er eine drastische Wandlung hinter sich hat. Auch seine Immobiliengeschäfte werfen Fragen auf - doch reicht das zum Mord? Kommissar Assaf Rosenthal ermittelt in viele Richtungen ohne voranzukommen. Auch seine Kollegen der IT wundern sich über unzählige Sicherungen auf dem Laptop des Rabbis - liegt dort der Schlüssel zur Lösung des Mords?

Katharina Höftmann hat mit dem zweiten Fall für Ermittler Rosenthal einen spannenden und überzeugenden Krimi geschaffen, der mich nicht durch großen Nervenkitzel und Hochspannung überzeugt, sondern durch eine unaufgeregte Erzählweise, die sehr viel über das Leben im heutigen Israel verrät. Die Figuren haben Ecken und Kanten, sind unbequem und plagen sich schon mal mit völlig banal-alltäglichen Problemen. Vor allem das Essen kommt nicht zu kurz, aber auch die problematische politische Lage wird unter anderem durch andauernden Alarm ins Bewusstsein gerückt und zeigt so, dass sich die Handlung nicht beliebig irgendwo abspielen könnte. 

"Der Rabbi und das Böse" hat meine Erwartungen in jeder  Hinsicht voll erfüllt. Spannender Krimi schön erzählt und aktuelle Ereignisse geschi kt eingebaut - hervorragend.

*****/5

Montag, 23. September 2013

Stephan Dorfmeister - Transitmordroute

Paul Karasic wird von einer Bnk beauftragt, eine Firma im Salzkammergut zu prüfen. Trotz guter Zahlen können sie Kredite nicht bedienen, die Spedition scheint in krumme Geschäfte im Ausland verwickelt. Tatsächlich stößt Karasic zufällig schon am ersten Abeitstag beim Geländespaziergang auf eine Gruppe von Flüchtlingen, die via Österreich nach Deutschland verfrachtet und dort in Zwangsarbeit gesteckt werden sollten. Schnell schon zeigt sich, dass der Menschenhandel noch viel größere Dimensionen annimmt. Mit Hilfe alter Freunde gerät Karasic in ein Netz von russischen Oligarchen, nach deren Geschmack er zu viele Fragen stellt und damit ins Visir ihrer Aufräumer gerät.

"Transitmordroute" ist der zweite Fall für Paul Karasic. Geöegentlich wird auf den vorausgegangenen Roman Bezug genommen, jedoch lässt sich der Krimi auch ohne Kenntnis von Teil 1 gut lesen. Die Geschichte beginnt spannend und verstickt Wirtschaftskriminalität mit Menschenhandel in sprachlich überzeugender Weise. Je mehr die Handlung jedoch voranschreitet, desto mehr Zweifel kamen mir an dem Geschehen. Zu weit holt die Story aus, Karasic kennt zum Glück überall jemand, bei Bedarf auch beim Mossad, und kann immer mal eben um Informationen bitten. Er fliegt von Wien nach Moskau, über Kiev nach Zypern - alles eben so, denn langwierige Recherche ist nicht erforderlich, die nötwenigen Daten fliegen ihm so zu. Das Tempo der Figuren ist für mich nicht überzeugend. Auch die Tatsache wie leicht sich ein solch komplexes Wirtschaftskonstrukt entwirren lässt, das jahrelang vor allen Experten bestehen konnte, ist für mich nicht ganz glaubhaft. So fällt der Roman in der zweiten Hälfte doch deutlich ab. Zwar bleibt bis zum Ende die Spannung erhalten, aber dass eine Gruppe von älteren Zivilisten ein Sonderkommando locker in den Schatten stellen, hat für mich den Showdown doch verhagelt.

Sprachlich gelungen, spannend erzählt, interessante Ansätze gerade im Bezug auf Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche, jedoch nicht bis ins letzte Detail überzeugend.

3,5/5

Freitag, 20. September 2013

Christian Buder - Die Eistoten

Einen Tag vor Weihnachten finden die 11-jährige Alice und ihr Freund Tom die Leiche eines Mädchens im Wald. Statt die Polizei zu informieren, will Alice - passionierte Ermittlerin und Philosophin - selbst den Mörder finden. Bei ihren Recherchen, immer begleitet vom Philosophen Wittgensstein, der ihr erscheint und nützliche Tipps gibt, stößt sie auf eine ganze Serie von Toten. Offenbar ist im Dort ein Serienmörder unterwegs, der alle Spuren vertuscht und seit Jahren damit durchkommt. Doch die Polizei hält Alice dür verrückt, ihr Vater will sie sogar in die Psychiatrie einweisen lassen. Außer Alice und Tom schein niemand die Parallelen zu erkennen und der Pfarrer, seit Jahren durch die Beichte im Bilde des mörderischen Treibens, zieht sich auch aus der Affäre. Soch das Morden geht weiter und bald schon steht Alice wegen ihrer Nachforschungen ganz oben auf der Liste des Täters.

Christian Buder schafft es mit einem spannenden Schreibstil den Leser an den Roman zu fesseln, man mag den Thriller kaum mehr weglegen. Ungewöhnlich sicherlich die Figur der Alice, mit ihren 11 Jahren  noch sehr jung, aber dank ihrer Intelligenz und Scharfsinn den Altersgenossen weit voraus. Ihren Kampf gegen die Windmühlen der Erwachsenen lässt einem beinahe verzweifeln.

Weniger überzeugen konnten mich die Fantasy-Elemente. Alice' Visionen lassen den Leser nicht nur an der Protgonistin zweifeln, sondern gelegentlich nervt ihre altkluge Art und Philosophiererei ein wenig. Auch das Ende ist leider enttäuschend, zu kurz, zu hingedreht und leider auch nur begrenzt glaubwürdig. Ebenso hat sich der Täter schon früh klar herauskristallisiert, so dass hier die Überraschung nicht sehr groß war.

Alles in allem spannend und mitreißend geschrieben, auf der Handlungsebene einige Abzüge.

****/5

Mittwoch, 18. September 2013

Tom Burger - Grün. Le vert de la Provence

Hochsommer in der Provence. Der Verleger Ed Baumann wird tot im Swimmingpool gefunden. Dort ist er jedoch nicht gestorben, das Personal hielt diesen Ort nur für besser geeignet als das Schlafzimmer, wo er sich mit einer jungen Gespielin vergnügte und dann leider zu sehr verausgabte. Seine Frau Valerie bittet den Kochbuchautor Anselm um Hilfe in dieser schwierigen Zeit. Dieser eilt nach Südfrankreich, gewinnt aber recht schnell den Eindruck, dass alle etwas zu verbergen haben: Ehefrau Valerie, die ihn auf die Suche nach einer älteren Dame schickt, zu der Ed eine ungeklärte Beziehung hatte. Haushälterin Sophie und Gärtner Alain, die alle Spuren des unliebsamen Todes beseitigten. Aber auch Unternehmer Seefelder, der mit Ed offenbar ein neues Projekt plante, verhält sich auffällig. Schon bald überschlagen sich die Ereignisse als man eine junge Frau ermordet findet. Ein hilfsbereiter Dorfbewohner kommt dem Mörder ebenso in die Quere wie Alains Mutter. Wer steckt hinter all diesen Taten und warum mauert die örtliche Bevölkerung?

Das Buch fällt zunächst durch die gründe Farbgestaltung auf, die den Titel farblich passend umsetzt. Dies setzt sich fort in den überzeugenden Landschafts- und Pflanzenbeschreibungen, die eine wesentliche Rolle im Roman spielen und geschickt in die Handlung integriert werden. Spannend gestaltet sind die beiden Ermittlungsstränge zwischen einerseits dem Autor Anselm und der Ehefrau des Toten und dem Polizisten Luc Vidal auf der anderen Seite. Der Krimi hält viele Überraschungen parat und der Verdacht, dass viele Figuren nicht ganz schuldlos sind, bestätigt sich, wenn auch nicht immer in der erwarteten Weise. Abzug gibt es jedoch für die bisweilen verwirrenden Zusammenhänge. Es werden unterschiedliche Themen und Motive verfolgt, die am Ende nicht ganz aufgelöst lose bleiben. Ein weniger komplexer Plot, der zielgerichteter die Handlung der Figuren erklärt, hätte dem Roman an dieser Stelle gut getan.

****/5

Montag, 16. September 2013

Henriette Vásárhelyi - immeer

Am Meer, im Meer - Eva ist mit ihrem Freund Monn auf Elba, aber sie ist nicht wirklich da. Ein Tel von ihr lebt in der Vergangenheit, einer Zeit mit Jan, den sie geliebt hat und der das Meer liebte, die Ostsee. Dorthin ist er auch zurückgekehrt, nach seinem Tod, dem ein langes Sterben vorausging. Eva kann sich nicht von dieser Erinnerung lösen, sie lähmt sie, verhindert ihr Leben, stört die Kommunikation mit anderen Menschen und lässt sie kalt und verzweifelt in ihrer Trauer zurück. Ein Anruf auf Jans altem Handy fürht sie zu Monn, der sich rührend um sie lümmert und sich sorgt, dessen Zuneigung sie jedoch nicht in gleichem Maße erwidern kann, auch wenn sie sich bemüht.

Henriette Vásárhelyis Roman ist zunächst verwirrend, die Gegenwart und Vergangenheit überlagern sich und es dauert eine ganze Weile, bis der Leser die Situation Evas erfasst. Die Trauer der jungen Frau wird eindrücklich, geradezu erdrückend erzählt. Man leidet mit ihr, wünscht ihr den Weg zurück ins Leben zu finden, auf die Menschen wieder zugehen zu können. Doch vergeblich, die Autorin schenkt dem Leser keine Hoffnung, ihre Protagonistin will ihre Erinnerung nicht aufgeben und verbleibt gedanklich in der Zeit mit Jan. 

Kein leichtes Buch für zwischendurch, kein Buch das optimistisch und zukunftsorientiert ist, sondern eine Erzählung, die intensiv die Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen einfängt.

Sonntag, 15. September 2013

Massimo Carlotto – Die Marseille Connection

Im ukrainischen Wald Nähe des toten Reaktors von Tschernobyl gelingt es dem FSB dank eines Spitzels einen Mafiaclan zu eliminieren. Vor der somalischen Küste wird dezent Müll im Meer entsorgt. In Indien muss eine mutige Reporterin wegen ihrer Recherche zu illegalem Organhandel mit dem Leben bezahlen. Im Grenzgebiet zwischen Paraguay und Argentinien gerät ein übermütiger Drogenmittelsmann in die Schusslinie chinesischer Banden. Massimo Carlotto lässt all diese Ereignisse in Marseille in einem cleveren Gestrüpp von Geheimdiensten, Polizei, Mafiosi und Wirtschaftskriminellen zusammenlaufen.

Es messen sich ein Team unorthodoxer Polizisten, die wegen ihrer korrupt-kriminellen Vergangenheit nichts zu verlieren haben und dank der cleveren Kommissarin Bernadette Bourdet – genannt B.B. - einige Erfolge verbuchen können. Eine Gruppe hochbegabter Wirtschaftsstudenten, die glauben, den ultimativen Plan internationaler Gaunerei entwickelt zu haben und zunächst Millionen von Euros auf ihren Konten verbuchen. Lokale Drogenbosse, die ihr Geschäft in Gefahr sehen und ihren Weg mit Leichen pflastern. Eine kleine, aber feine Gesellschaft aus angesehenen Mitgliedern der französischen Gesellschaft, die bestens vernetzt sind und ebenfalls ein Interesse daran hegen, dass ihre nicht ganz sauberen Geschäfte ungestört weiterlaufen.


Ein anspruchsvoller Wirtschafts- und Drogenthriller, der hochkomplex die ganze Aufmerksamkeit des Lesers fordert. Viele Figuren interagieren parallel, unterschiedliche Schauplätze, Handlungsstränge und illegale Machenschaften wechseln sich in rasantem Tempo ab und die Zusammenhänge zeigen sich erst nach und nach. Jeder glaubt jedem einem Schritt voraus – doch Carlotto führt sie alle in die Falle und wartet am Ende mit einem verblüffenden Finale, das alles in diesem Genre in den Schatten stellt.

*****/5

Samstag, 14. September 2013

David Leukert - "Schau Liebling, der Mond nimmt auch zu!"

David Leukert, seines Zeichens Kabarretist, hat sich wie so viele vor ihm daran gemacht, sein Bühnenprogramm in gedruckter Form unters Volk zu bringen. Es passiert, was in diesen Fällen meistens passiert: was live noch lustig oder zumindest erträglich ist, wird in Buchform erbrämlich schlecht.

Er arbeitet sich am Comedian-Standard ab: Auto, Baumarkt, Kinder, Telekom und ein wenig Zwischenmenschliches - neue Themen sucht man vergeblich. Die Wortwitze laden zum Schmunzeln ein, würde man auch, wenn man sie nicht alle schon zigfach gehört hätte. Ebenso das immerwährende Provinzbashing (it goes without saying: außer Berlin ist in Deutschland alles Mist). 

Der tragische Tiefpunkt ist bei seiner Tirade über unfähige Journalisten erreicht. Wenn er besserwisserisch erklärt, dass man statt "grande nation" als Synonym für Frankreich auch mal andere Bezeichnungen wählen könnte und er "l'octagone" vorschlägt, kann man das Buch eigentlich nur noch in die Mülltonne werfen. Sich noch schnell über Rechtschreibfehler im Französischen mockieren, um dann selbst selbige zu produzieren, ist nur noch peinlich. Passt aber zur ganzen Haltung, die er im Buch zelebriert - selten war jemand so stolz darauf, ungebildet zu sein. Und selten tat mir ein Bich beim Lesen so weh.

Freitag, 13. September 2013

Gideon Lewis-Kraus: Die irgendwie richtige Richtung

Selten war Pilgern so anstrengend. Gideon Lewis-Kraus begibt sich auf die Suche nach dem Sinn in seinem Leben und nimmt den Leser mit auf eine mehrmonatige Reise in verschiedene Länder und an unterschiedliche Wallfahrtsorte.

Sein Bericht beginnt mit einem schier endlosen und sehr detaliierten Resumee über sein Leben vor der Pilgerei. Als Quintessenz bleibt hängen: junger, planloser Mann mit zu viel Ego und der Überzeugung, der größte Hecht zu sein, verbingt sein Leben mit feiern, feiern, feiern und Drogen. Es ist langweilig, nervig und trieft vor Selbstbeweihräucherung.

Erste Etappe: der Camino nach Santiago. Leider ist hier nichts von Erkenntnis, tieferer Introspektion oder interessante Pilgerbegegnungen zu lesen. Der extrem oberflächliche Bericht könnte genauso vom Urlaub am Ballermann handeln, der Informationsgehalt dürfte ähnlich sein.

Nach kurzen Intermezzo geht es auf die zweite Etappe: Shikoku in Japan. Da fremder als der Camino auch etwas interessanter- zur Abwechslung kommt auch ein wenig Hintergrundinformation hinzu - aber an Erkenntnis genauso dünn. Pilgern hilft halt doch nicht jedem weiter.

Dritte Etappe motiviert aus Perpsektivenlosigkeit des Lebens: Uman in der Ukraine. Unterhaltsamer Einstieg, informativ bzgl. jüdischer Tradition, immerhin noch ein Minimum an Lernzuwachs beim Autor.

Als Fazit bleibt: langweiliger, oberflächlicher und bedeutungsloser kann man nicht von einer Pilgerreise berichten. Auch wenn das Ende ein wenig an Substanz hinzugefügt hat, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass Gideon Lewis-Kraus nichts mit sich und seinem Leben anzufangen weiß, sich mit Name-dropping versucht einen intellektuell-künstlerischen Touch zu geben und den Leser dabei zutode langweilt. Keine persönliche Entwicklung, keine interessante und tiefergehende Begegnung - leider alle Erwartungen auf ganzer Linie enttäuscht.

*/5

Dienstag, 10. September 2013

René Freund - Stadt, Land und danke für das Boot

René Freund lässt in sechs Kapiteln den Alltag Revue passieren, die kleinen und großen Katastrophen, Wiedrichkeiten und Unzulänglichkeiten, denen man permanent ausgesetzt ist. Er berichtet vom Leben auf dem Land, dem nicht immer glücklich-erfüllten Familienleben, Reisen nach dem Motto "Der Weg ist das Ziel", Hypochondrie, sprachlichen Verhunzungen und allem, was sonst nirgendwo reinpasst. In kurzen Episoden schildert er selbstironisch Alltäglichkeiten, die dem Leser vielfach bekannt sind und zum Schmunzeln einladen.

Leider sind die einzelnen Geschichten sehr kurz, so dass keine Tiefe oder nähere Reflektion erfolgt. Einige Episoden sind leider auch schon sehr oft in verschiedener Weise verarbeitet worden, dass die Innovation etwas auf der Strecke bleibt. So bleibt das Büchlein insgesamt zwar ganz nett für zwischendurch, aber insgesamt doch zu belang- und bedeutungslos.

***/5


Tanja Kokoska – Almuth spielt auswärts

Drei Frauen Anfang 60 gehen auf Reisen: Paula, Lilo und Almuth wollen sich ein paar gemütliche Tage in der Schweiz gönnen. Ohne Männer. Lilo ist ohnehin seit einiger Zeit verwitwet und wie sich herausstellt, hat Paulas Mann sich für eine jüngere entschieden. Almuth hingegen lebt mit ihrem Günter seit 30 Jahren eine zufriedene und glückliche Ehe. Man hat sich eingespielt, akzeptiert unterschiedliche Interessen und weiß, was man aneinander hat. Doch die Bekanntschaft und darauf folgende gemeinsame Nacht mit einem anderen Mann werfen Almuth aus der Bahn und sie beginnt sich zu fragen, ob denn wirklich alles so harmonisch ist und ob sie von ihrem Leben nicht noch mehr erwarten kann.

„Almuth spielt auswärts“ thematisiert eine wesentliche Frage der Generation Hausfrau um die 60. Mit viel Wortwitz und sprachlich sehr gelungenen Vergleichen zum Fußball – Almuth ist im Gegensatz zu ihrem Mann glühender Fußballfan und Anhänger des FC Barcelona – werden Routinen und gesellschaftliche Erwartungen und Normen in Frage gestellt. Von ganz persönlichen Fragen wie „bin ich noch hübsch“ bis zu der Entscheidung, wann und für wen das gute Geschirr eigentlich verwendet wird – ist man selbst nie gut genug dafür? – stellt Tanja Kokoska den Alltag und all die Dinge, die eigentlich so klar sind, auf den Prüfstand. In bewundernswerter Weise gelingt es ihr, essentielle Fragestellungen in leichter und unterhaltsamer Art darzubieten. Die skurrilen Freundinnen sorgen für amüsante Wortgefechte rund um das nie enden wollende Thema „Männer vs. Frauen“, Almuths liebenswerte Fußballmetaphern bringen ihre Zwickmühle kurzweilig auf den Punkt ohne dabei an Ernsthaftigkeit zu verlieren.


Als Fazit bleibt nur: lesen. Für mich passt das Buch in kein Schema. Es ist ausgesprochen unterhaltsam durch Tanja Kokoskas wortgewandte Ausdrucksweise, gleichzeitig in der Thematik durchaus ernsthaft und nachdenklich. Ein gelungener Mix nicht nur für Frauen in Almuths Alter.

Montag, 9. September 2013

Rolf von Siebenthal – Schachzug

Ein Präzisionsschütze nimmt das Ziel ins Visier und schießt. Marcel Laval, Spross einer angesehenen Familie und hoher Mitarbeiter eines Bahnunternehmens, hatte keine Chance. Doch erst ist nur der Anfang eines Rachefeldzugs und der Schütze hat nichts zu verlieren. Er ist selbst dem Tod geweiht. An anderem Orte stößt Doris Lüthi, angesehene und jahrelange Mitarbeiterin von Thommen Rail auf Ungereimtheiten. Dem Unternehmen geht es schlecht, Arbeitsplätze sind in Gefahr. Wurden Zahlen manipuliert, um einen wichtigen Auftrag zu bekommen und ist ihr Ex-Liebhaber und Chef deshalb so zugeknöpft? Max Bollag, seinerseits nach einer Affäre zum Lokaljournalisten degradiert, findet eine Verbindung zwischen beiden Fällen und bringt sich damit nicht nur beruflich in Gefahr. Doch diese lauert überall, vielleicht auch unter der Antenne eines Mobilfunkanbieters, wie er von Anita Bussinger und ihrer Aktionsgruppe lernt. Doch was haben die mit dem Mord an Laval zu tun?

Rolf von Siebenthal hat einen Krimi im Milieu der als besonders zuverlässig und vertrauenswürdig geltenden Schweizer Bahn angesiedelt. Der doppeldeutige Titel „Schachzug“ spielt hierauf ebenso an wie die Züge des Scharfschützen, der seine Opfer nur als Spielfiguren sieht und stets die Oberhand behält und den nächsten Zug schon lange im Voraus plant. Die Protagonisten Max Bollag und Heinz Neuenschwander sind keine Superhelden, sondern können den Fall professionell und mit einer ordentlichen Partie erfahrungsbedingtem Bauchgefühl lösen, was ihnen entsprechende Glaubwürdigkeit verleiht.

Der Roman greift zwei interessante Aspekte auf: die Bereitschaft auch zu illegalen Mitteln zu greifen und gegebenenfalls Menschenleben zu Riskieren, wenn das Unternehmen auf dem Spiel steht sowie die Gefahren, die Menschen durch immer mehr elektromagnetische Strahlung ausgesetzt sind. Für meinen persönlichen Geschmack kommen sie beide am Ende letztlich zu kurz, thematisch war das zu viel für einen Roman, eines der Themen weiterzuverfolgen wäre bereits ausreichend Motivation für einen Mord gewesen. So wird der Leser von einem zum nächsten geleitet und die Zusammenführung kommt dann etwas zu knapp daher.


Trotz der Kritik ein ordentlicher, unterhaltsamer Roman in für mich neuem Milieu. Sprachlich stechen natürlich die Schweizer Besonderheiten hervor, die die Geschichte regional verorten ohne dabei missverständlich zu sein. ich kann mir durchaus weitere Ermittlungen des Duos Bollag/Neuenschwander vorstellen.

****/5

Samstag, 7. September 2013

Kati Naumann - Die Liebhaber meiner Töchter

Eine Bilderbuchfamilie: Nina und Peter, verliebt wie am ersten Tag, dazu die drei Töchter, Greta, Marlene und Lotta, die im Erwachsenwerden ihre jeweiligen Freunde in die Familie integrieren. Die Harmonie wird empfindlich gestört, als eine nach der anderen das Ende der Beziehung verkündet und sich die Mädels entscheiden, aus dem elterlichen Nest zu fliehen. Leere herrscht im Haus, doch nur für kurze Zeit, denn die Ex-Liebhaber der Töchter kommen nach und nach und suchen bei Nina nach Wärme und Bemutterung. Sie kann die Entscheidungen ihrer Töchter nicht nachvollziehen und hat Mitleid mit Noah, Konrad und Till, so dass das Haus schon bald wieder voll ist. Doch irgendwie läuft die Patchworkfamilie nicht rund und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Nina fragen muss, ob ihre Mädels nicht doch richtig erkannt haben, was fürTypen sie da angeschleppt hatten.

Im unterhaltsamen Plauderton lässt Kati Naumann ihre Protagonistin leiden, sich freuen und im permanenten Zwiespalt zwischen Töchtern und Liebhabern stehen. Als Leser spürt man die überschüssige Liebe Ninas, die ein Ventil und Ziel braucht und gleichzeitig ahnt man, dass das nicht gut gehen wird. Liebevoll sind die Figuren gezeichnet, mit überraschender Tiefe und facettenreich, was sie regelrecht vor einem entstehen lassen. Man muss sie einfach lieben, auch die gestörten Jungs und die zickigen Mädels.

Gute Unterhaltung, die Familienbande in ein anderes Licht rückt.


Sonntag, 1. September 2013

Olivier Adam - Falaises/Klippen

Ein Mann ist mit seiner Frau Claire und dem Baby Chloé im Urlaub in der Bretagne. Es ist dasselbe Hotel, in das er immer fährt, derselbe Ort, in dem er seine Urlaube der Kindheit verbracht hat, er blickt auf dieselben Klippen, die sich seine Mutter hinunterstürzte. Die Erinnerungen kommen wieder in dieser einen Nacht - an den Tod der Mutter, die Depression davor und das Unvermögen des Vaters, nach dem Tod mit den beiden Jungs allein das Leben zu ertragen. Die Erinnerung an Antoine, größerer Bruder und Vorbild, der den Tod der Mutter nicht verkraftet und erst mit Krankheit, dann mit Ausbruch aus dem bürgerlich-zivilen Leben reagiert. Die Freunde, die die beiden in dieser Zeit begleiten und auch aus dem Leben scheiden - wie die Mutter. Nicolas, Lorette, Léa - alle, die dem ich-Erzähler etwas bedeuten, verlassen ihn früher oder später, mal auf mehr, mal auf weniger grausame Weise. Sein Leben scheint eng mit dem Tod verbunden. Doch er hat Hoffnung und nachdem er selbst immer wieder kurz davor stand, ebenfalls alles hinter sich zu lassen, hat er nun mit Chloé zum ersten Mal eine Aufgabe, für die es sich lohnt zu leben.

Ein intensives, stimmungsvolles Buch über den Verlust von Menschen und die Schwierigkeit, damit umzugehen. Intensive Bindungen, die jäh zerbrochen werden, Erinnerungen, die verwischen, nicht mehr zugänglich sind und plötzlich wieder an die Oberfläche drängen. Olivier Adam ist unbestreitbar einer derjenigen zeitgenössischen französischen Autoren, die mit einer enormen Sprachfertigkeit Schmerz und Glück auszudrücken wissen, die den Leser in die Geschichte ziehen und die Erfahrungen der Figuren regelrecht am eigenen Körper spüren lassen.

*****/5

Freitag, 30. August 2013

Matthias Matting - Schöner sterben. Kleine Mordkunde für Krimifans

Schussverletzung, stumpfe Gewalt, Elektrizität, erfrieren oder vergiften - die Möglichkeiten, das Zeitliche zu segnen, sind unzählig und werden von Krimi- und Drehbuchschreibern auch in vielfältiger Weise verarbeitet. Doch kann man dem, was man sieht oder liest immer trauen oder schieben uns die Autoren eine ganze Portion Humbug unter? Matthias Matting geht dieser Frage nach und erläutert in unterhaltsamem Plauterton die Grundlagen des ordentlichen Dahinscheidens, egal ob mit oder ohne fremde Hilfe. Es beginnt schon mit der Frage, wann man wirklich tot ist und was der Pathologe auf seinem Seziertisch so tut und tatsächlich an der Leiche ablesen kann. Die einzelnen Todesarten werden ausführlich dargestellt, ohne langwierig oder gar langweilig zu werden. Immer wieder erfolgt auch der Bezug auf typische Film- und Krimiszenen, die in die Welt der Fiktion gehören.

Unterhaltsame Lektüre, die so manchen Mythos aufdeckt und mit unerwarteten Erkenntnissen lockt. Obwohl es sich um ein Sachbuch handelt, ist der Ton keineswegs trocken, sondern unterhaltsam plaudernd, was das Lesen neben all der Information auch noch angenehm gestaltet. Das besondere Schmankerl kommt im Nachwort: der Hinweis, dass man sein neu erworbenes Wissen nicht während des nächsten Fernsehkrimis zum Besten geben sollte, wenn man den lieben Familienfrieden wahren möchte. Für Krimiliebhaber ein echter Gewinn.


Mittwoch, 28. August 2013

Dinah Marte Golch – Wo die Angst ist

Kurz vor Weihnachten wird Noyan Akay abends überfallen und fast zu Tode geprügelt. Wäre ihm ein Passant nicht zu Hilfe geeilt, wäre er schon am Tatort verstorben, so liegt er auf der Intensivstation mit schlechter Prognose. War es eine Zufallstat oder hatte jemand etwas gegen den Abiturienten, der sich massiv gegen Rassismus stark machte? Sigi Kamm muss die Ermittlungen leiten und bekommt ausgerechnet die Psychologin Alicia Behrens an die Seite, mit der er sich schon in einem früheren Fall vor Gericht bis aufs Blut zerstritten hat. Der Fall kommt nur schleppend voran, doch als der Zeuge überfallen wird, scheinbar, um ihn ruhig zu stellen und seine Aussage zu verhindern, nimmt der Fall nach und nach eine unerwartete Wendung. Da wo die Angst ist, liegt der Schlüssel zur Lösung.


Dinah Marte Golch hat einen überzeugenden Auftakt für das Ermittlungsteam Behrens-Kamm vorgelegt. Viele unerwartete Wendungen, erstaunliche Verstrickungen, die jedoch alle glaubwürdig gelöst werden und bis zum Showdown für den Leser Spannung bieten. Dramaturgisch und von der Plot Gestaltung gelungen, die Figuren facettenreich und mit Ecken und Kanten, lässt das Debut auf interessante Folgebände hoffen.

****/5

Sonntag, 25. August 2013

Anna Grue - Die guten Frauen von Christianssund

Die dänische Provinz, das Städtchen Christiannsund idyllisch gelegen am Fjord, ist der Schauplatz von Dan Sommerdahls erstem Fall. Eigentlich ist er ja Werbetexter, doch eine Depression fesselt ihn seit Wochen an heimische Bett. Ein Mord in seiner Agentur weckt jedoch seine Lebensgeister, denn die Putzfrau Lilliana hatte einen solchen Tod sicher nicht verdient und die Vorstellung, dass einer seiner Kollegen daran Schuld haben könnte, weckt die Neugier. Mit Finesse und Gespür für die kleinen Lügen kann er dem befreundeten Kommissar Flemming Torp weiterhelfen, nicht ahnen, in welches Wespennetz er da gestochen hat und dass dies auch für seine Familie zu Bedrohung wird.

Anna Grue ist es gelungen einen unaufgeregten, aber überzeugenden Provinzkrimi zu schreiben, der den Charme der Kleinstadt und ihrer Bewohner transportiert und menschlichen Makel und Schwächen der Charaktere liebevoll in die Handlung einbettet. Es ist nicht die große Spannung, kein brutaler Mord oder psychischer Druck, der den Leser überzeugt, sondern das Normale und Alltägliche, das mit einer Leichtigkeit transportiert wird, die nie langweilig ist, sondern prägnant einfängt, was sich überall abspielen könnte. Weder Superhelden noch sonstige außergewöhnliche Figuren treten auf, sondern der durchschnittliche Nachbar, Freund und Kollege. Die Zwischentöne verleihen ihnen Profil und machen gerade Dan Sommerdahl und Flemming Torp zu echten Sympathieträgern.


Ähnlich wie auch Hakan Nesser ist Anne Grue eine ausgezeichnete Geschichtenerzählerin, die ein wenig skandinavische Idylle mit der grausamen Realität in einen glaubwürdigen, unterhaltsamen Krimi vereint. Ich bin schon auf die Fortsetzung gespannt.

*****/5 

Sonntag, 18. August 2013

Karen Sander - Schwesterlein, komm stirb mit mir

Eine schauderhafte Mordserie an Transsexuellen stellt die Mordkommission Düsseldorf vor viele Fragen. Sie bittet die Psychologin Liz Montario zu Hilfe, die schön früher Muster bei Serienmördern erkennen konnte. Dass sie selbst derzeit Opfer einer Bedrohung wird, verschweigt sie. Ebenso ihren familiären Hintergrund, der Auslöser für ihre psychologische Spezialisierung. Eine zweite grausame Mordserie beginnt und Liz muss schon sehr bald erkennen, dass sie das Zentrum eines perfiden Katz-und-Maus-Spiels ist und nicht nur ihr eigenes, sondern auch das Leben ihrer Freunde und Kollegen in größter Gefahr ist.

Der Thriller lässt es an Spannung nicht mangeln. Verschiedene Ereignisse und Handlungsstränge werden von Karen Sander sauber und logisch in grausamer Weise zusammengeführt. Auch erspart sie dem Leser abscheuliche Tatortbeschreibungen nicht, obwohl letztlich psychologische Faktoren und nicht reine Mordlust hinter den Motiven des Mörders stecken. Die Charaktere sind vielschichtig gezeichnet, insbesondere Liz, mit Stärken und Schwächen, auch die Darstellung der Polizei verzichtet auf übernatürliche Superhelden, sondern lässt sie auch mal Fehler begehen ohne gleich dümmlich und unfähig zu wirken. Kleine Seitenhiebe und Nebenschauplätze haben durchaus ihren Reiz.


Gute Unterhaltung, intelligent konstruiert und fesselnd geschrieben. 

*****/5

Gillian Flynn – Gone Girl

Eine Frau verschwindet spurlos. Der Tatort wirft jedoch mehr Fragen auf als er beantwortet. Der Ehemann ist schnell als Hauptverdächtiger im Visier von Polizei und presse, Nicks Verhalten ist seltsam und auch das Tagebuch von Amy legt den Verdacht nahe, dass sie sich schon lange bedroht gefühlt hat. Und das, wo sie doch alles für ihren Mann aufgegeben hat. Die Schlinge zieht sich für ihn immer mehr zu, hat er seine Schwester und Schwiegereltern belogen und Amy heimtückisch ermordet? Doch die Geschichte kann auch von einer anderen Seite erzählt werden und die Frage, wer das Opfer ist erscheint in ganz anderem Licht.

Für mich einer der erzähltechnisch besten Krimis aller Zeiten. Eine unglaubliche Geschichte wird hier überzeugend und fesselnd erzählt, mit überwältigenden Wendungen, die einem als Leser immer wieder alles neu ordnen lassen. Wo normalerweise die Sympathien für Figuren klar zuzuordnen sind, wird hier bewusst mit den Emotionen gespielt und der Leser immer wieder aus der Bahn geworfen.


Intelligent, fesselnd und zu Recht mit all den Lobeshymnen versehen.

*****/5

Kate Mosse – Die Achte Karte (Hörbuch)

Ende des 19. Jahrhunderts in Paris. Der junge Anatole genießt das Leben und die Liebe, doch tritt er damit Victor Constant auf die Füße, der Rache schwört. Mit seiner Schwester Léonie flüchtet er ins Languedoc zu einer verwitweten Tante. Dort gerät Léonie in den Bann des von ihrem Onkel ausgelösten Tarot-Dämons. Hundert Jahre später ist die Amerikanerin Meredith auf der Suche nach Spuren ihrer Vorfahren und auch sie wird durch die Tarotkarten in ein Spiel um Leben und Tod gezogen.


Kate Mosse verbindet auch hier – ähnlich wie in „Das verlorene Labyrinth“ – eine gegenwärtige Handlung mit einer sagenumwobenen historischen Geschichte, wieder in Südfrankreich. Da fängt für mich auch schon das Problem an: es ist alles irgendwie bekannt und der Reiz war etwas weg. Hinzukommt, dass die Geschichte um Léonie deutliche Längen hat und Meredith jetzt auch nicht gerade Sympathieträgerin war, so dass spätestens ab Stunde 7 das Hörbuch mehr zur Qual als zu Genuss wurde. Besonders nervig auch die Sprecherin, immer wieder kommen französische Einwürfe in einer dermaßen grottigen Aussprache, dass es einem als Hörer physische Schmerzen bereitet. Leider insgesamt eher enttäuschend.

**/5 Sterne 

Dienstag, 13. August 2013

Rezension zu Christian Försch – Der Tote am Lido

Journalist Kaspar Lunau ist samt neuer Lebensgefährtin und Kindern an der Adria im Urlaub. Was als entspannende Erholung geplant war, wird durch den Fund einer Leiche direkt am Badestrand jäh unterbrochen. War es zunächst die Sorge, wie sehr den Kindern der Anblick des Toten schadet, wird die Lage schon bald lebensbedrohlich, als Joy, die Freundin des ermordeten Meseret Kontakt zu Lunau aufnimmt und so eine Reihe von zwielichtigen Gestalten sich aufgeschreckt fühlen. Auch die Polizei ist wenig begeistert von Lunaus Engagement in der Sache und als die Tochter seiner Lebensgefährtin entführt wird, ist der Fall nicht mehr nur das Problem illegaler Einwanderer, sondern Lunaus ganz persönlicher Horrortrip.

Die Geschichte beginnt stark und legt verschiedene Konflikte an, verliert sich dann aber leider in Nebenschauplätzen und der rote Faden, der den Leser leiten sollte, verknotet sich hie und da, so dass man den Eindruck hat nicht mehr ganz zu wissen, worum es eigentlich geht. Einige kleine sprachliche Schnitzer und Unstimmigkeiten kann man übersehen, schwieriger war für mich als Leserin, dass viele Zusammenhänge und Konflikte der Figuren gänzlich unklar blieben, da mir nicht klar war, den zweiten Band einer Reihe gelesen zu haben, der sich ohne den ersten schlichtweg nicht erklärt. Überhaupt stellten die Figuren für mich den größten Schwachpunkt dar: ein überzogener Protagonist, der alle Eigenschaften bekannter Superhelden in sich vereint und locker flockig auch mit der Mafia fertig wird, gleichzeitig aber mit massiven gesundheitlichen Vorschädigungen ausgestattet wird und darunter leidet, dass die bösen Frauen in seinem Leben nicht erkennen, was er doch für ein toller Hecht ist, bekommt von mir leider keine Sympathiepunkte. Ebenso die Kinder, die in ihrer vorgeblich kindlich-naiven Art die Intelligenz und Beherrschtheit an den Tag legen, die kaum Erwachsene in Extremsituationen im Ansatz haben.

Ein Fazit ist nicht ganz einfach. Die Geschichte wollte vielleicht einfach zu viel und wird dadurch nur wenig gerecht. Das Potenzial für einen klassisch-guten Mafiakrimi ist in der Handlung durchaus gegeben, die Umsetzung hat mich jedoch nicht ganz überzeugen können.


2,5/5

Sonntag, 11. August 2013

Edith Wharton – Dämmerschlaf

New York, 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Pauline Manford hat als Mutter zweier erwachsener Kinder und angesehener Dame besserer Gesellschaft alle Hände voll zu tun. Minutengenau ist ihr Tag getaktet und zwischen all den gesellschaftlichen Verpflichtungen, kosmetischen Notwendigkeiten und spirituellen Heilsmethoden bleibt ihr kaum Zeit, sich mit ihrer Familie auseinanderzusetzen. Ihr Mann ist derweil durch seine Arbeit vollkommen eingebunden und sehrt sich nach nichts mehr als nach Ruhe und Abgeschiedenheit vom städtischen Trubel. Sohn James erklimmt gerade die Karriereleiter und ist frischgebackener Vater; sein Leben wäre perfekt, würde sich seine Frau Lita nicht grässlich langweilen obschon sie ihre Tage lediglich mit Müßiggang und die Nächte mit Tanzveranstaltungen füllt. Tochter Nona indes spürt ein allgemeines Unbehagen mit der Gesamtsituation und Unzufriedenheit mit ihrer persönlichen Lage, die zwischen freiheitsliebender Unabhängigkeit und Sehnsucht nach Liebe schwankt. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind schwierig, geradezu förmlich bisweilen und geprägt von dem, was die Gesellschaft von den einzelnen erwartet. Als Lita droht auszubrechen und James zu verlassen, ist seitens der Familie Manford Handeln gefragt, um den schönen Schein zu wahren.

Edith Wharton zeichnet ein detailliertes Bild der Gesellschaft ihrer Zeit. Es ist bisweilen amüsant, bisweilen erschreckend, wie die Figuren es nicht schaffen, den Konventionen zu entspringen oder ehrliche Gefühle zu entwickeln und zu äußern. Alle sind auf ihre Weise gefangen in einem Käfig, aus dem sie nicht ausbrechen können oder wollen. Ein Buch, das auf die ganz große Handlung verzichtet und dafür die Nähe im Alltag sucht und findet. Auch wenn die Figuren und ihr Lebensstil einer längst vergangenen Zeit angehören, werden sie doch geplagt von Ängsten und Sorgen, die heute noch genauso aktuell sind wie vor hundert Jahren: was ist wichtig im Leben, welchen Weg soll man einschlagen, wem kann man vertrauen und wann kann endlich man selbst sein und dafür auch geliebt werden?


Andrea Ott hat den Originaltext in überzeugender Sprache dargeboten und bisweilen sehr schöne Formulierungen gefunden, die die Zeit wunderbar wiederspiegeln. Zahlreiche Annotationen ebenen die Brücke zwischen Edith Whartons satirischem Blick auf ihre egozentrischen Mitmenschen und der Gegenwart. 

*****/5
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