Samstag, 20. April 2013

Paul Lendvai - Leben eines Grenzgängers

Die Erinnerungen Paul Lendvais an ein bewegtes Leben zwischen Ost und West, zwischen Nazi-Zeit, Kommunisten und schließlich der Befreiung seiner Heimat werden in diesem Buch in Interview-Form Revue passieren gelassen. Im Gespräch mit einer ungarischen Journalistin zeichnet er nicht nur sein Leben, welches geprägt war von Flucht und Neuanfängen, großer Politik und privaten Glücks- und Trauermomenten nach, sondern zeigt auch, weshalb er einer der bedeutendsten Journalisten zu Fragen politischer Entwicklungen in Osteuropa ist.

Mir war Paul Lendvai zugegebenermaßen kein Begriff und da er vorwiegend in Österreich publiziert hat, sind mir auch dortige Entwicklungen wie die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit kaum bekannt. Das macht es bisweilen nicht ganz einfach, alle Erzählungen und Informationen nachzuvollziehen und sie einzuordnen. Spanend ist, den Lauf der Geschichte am Beispiel eines Menschen nachzuvollziehen, von der Judenverfolgung über die kritische Zeit nach dem 2. Weltkrieg bis zum Kalten Krieg und schließlich des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Lendvai hat ein unglaubliches Wissen, auch im Detail, über die politische Lage, Strömungen und Zusammenhänge unserer östlichen Nachbarn, was viele neue Facetten dieser Länder für den Leser eröffnet. Gleichzeitig kann er sich, bedingt durch seine Lebensgeschichte, auch zur aktuellen Politik in Ungarn, seiner Heimat klar positionieren und ruft insbesondere den Westen dazu auf, die Gefahr, die dort droht, nicht zu ignorieren.

Das Leben eines mutigen, hochkompetenten Mannes, der viel erlebt hat und viel zu berichten weiß.

Mittwoch, 10. April 2013

Lars-Erik Schütz - Nexus. Der Tod sei mit Dir

Niccolo Necri hat ein Geheimnis, das ihn schon seit Jahrhunderten begleitet: er ist unsterblich. Nach wenigen Stunden im Nexus, in denen er von einer schwer fassbaren Stimme, die er Lady Darkness getauft hat, geleitet wird, kehrt er in die Welt der Lebenden zurück. Seine eigene Unvergänglichkeit hat ihn gelehrt, dass Beziehungen zu Sterblichen ihn immer mit gebrochenem Herzen zurücklassen. Als er jedoch auf Susannah trifft, ist die Liebe stärker und birgt zugleich eine tödliche Gefahr für die Eisverkäuferin mit sich: Niccolo wird verfolgt. Der Kinderhändler Caracalla möchte an das Geheimnis der Unsterblichkeit, um sich selbst ewiges Leben zu schenken und ist bereit dafür über Leichen zu gehen. Aber nicht nur dieser Schurke bedroht das junge Glück, einer weiterer ominöser Schatten aus der Vergangenheit bringt Niccolo und Susannah an die Grenzen ihres Daseins.

Ein actionreicher Krimi, der locker mit Elementen anderer Genres gespickt wird. Langsam angebahnt nimmt die Verfolgungsjagd immer rasanter Fahrt auf und kulminiert in einem fulminanten Showdown, wie man es von einem klassischen Actionfilm erwarten würde. Schütz gelingt es, die Spannung immer weiter zu steigern, dabei auch die Figuren charakterlich weiterzuentwickeln und neben den Actionszenen auch Zerrissenheit und Gewissensbisse ihren Platz einzuräumen, so dass der Roman mehr als nur nackter Kampf ums Überleben wird.

Gute Unterhaltung, die den Leser fesselt.

****/5

Freitag, 5. April 2013

L. Frank Baum - The Wonderful Wizard of Oz

Nach einem Wirbelsturm landet die kleine Dorothy im wundersamen Land Oz. Schnell findet sie gute Freunde, Scarecrow, Tin Woodman und den ängstlichen Löwen, die sie bei dem Versuch nach Kansas zurückzukehren begleiten und unterstützen.

Ein wunderschönes Märchen, das positive Charaktereigenschaften durch Handlung darstellt und nie mit Zeigefinger auftritt. Auch nach vielen Jahrzehnten einfach bezaubernd.

*****/5

Marguerite Duras - Hiroshima mon amour

Das Drehbuch zum gleichnamigen Film, der als Wegbereiter der Nouvelle vague in die Annalen der Filmkunst eingegangen ist, mag leider nur wenig zu fesseln. Die Geschichte einer Französin und eines Japaners, denen nur 24 Stunden Liebe vergönnt sind, spricht bedeutsame Themen an : Treue, Liebe, Atombomben, Verhalten der Französinnen während der deutschen Besatzung. Filmisch können die kurzen, bisweilen kryptischen Dialoge sicher noch mehr wirken als auf Papier. Spannender als der Haupttext sind de ausführlichen Annotationen, in denen Duras dezidiert darstellt, wie sie sich den Film vorstellt, erst mit diesen kann man sich die Handlung wirklich vor dem inneren Auge abspielen lassen.

Lesenswert durchaus, aber leider nicht so eindrücklich wie erwartet.

Donnerstag, 4. April 2013

Glenn Meade - Operation Romanow

Bei Grabungsarbeiten im russischen Jekaterinburg stoßen die Archäologen auf eine mumifizierte Leiche. Handelt es sich bei ihr um die Zarentochter Anastasia, die Gerüchten zufolge das Massaker an ihrer Familie überlebt hat? Ein Mann kann Aufschluss geben, denn sein Vater war unmittelbar an dem Komplott zur Befreiung der des Zaren beteiligt. Was er erzählt ist die Geschichte mutiger Menschen, die ihr Leben opfern würden, um den ehemaligen Herrscher aus Lenins und Trotzkis Hand frei zubekommen. Eine Geschichte von Liebe in Zeiten der Revolution und von Freundschaft, für die man bereit ist, in den Tod zu gehen.

Die Rahmenhandlung nimmt nur einen winzigen Teil des Buches ein. Meade erzählt auf 700 Seiten eine hochspannende Geschichte um die Befreiung der Romanows. Die Handlung ist rasant, gespickt von Rückschlägen, Hinterhälte, in die die Verschwörer geraten, aber auch ganz persönlichen Geschichten der Figuren, die unterschiedlichste Beweggründe im Laufe der Handlung zu tage befördern. Mehrere Handlungsstränge beginnen lose und finden in einem dramatischen Ende zusammen.

Höchste Spannung bei einer der geheimnisumwobensten Familiengeschichten der Welt.

*****/5

Mittwoch, 3. April 2013

Daniel Mitchell - Mouse

Ein altes Kino in England. Vince arbeitet dort als Vorspieler, aber nicht nur alte Filme faszinieren ihn, sondern auch die unbekannte Besucherin, die immer alleine ist. Laura nimmt ihn jedoch nicht wahr, so wie alle anderen Menschen auch. Sie selbst ist unglaublich einsam doch wie es der Zufall will, lernt sie einen attraktiven Mann kennen, der sich direkt in sie verliebt. Sie kann ihr Glück kaum fassen - doch es soll nicht lange währen. Der aufmerksame Liebhaber hat es nämlich nur auf Lauras Geld abgesehen und zusammen mit seiner Freundin einen gemeinen Plot ausgeheckt. Doch bald schon laufen die Dinge aus dem Ruder und immer mehr Menschen verschwinden. Vince steckt mittendrin und kann sich zwischen Erpressern kaum mehr retten.

Mitchells Krimi beginnt recht harm- und belanglos, nimmt dann rasant Fahrt auf und eröffnet immer mehr grausame Schauplätze, Verwicklungen und Hybris. Auch als man denkt alles durchschaut zu haben, liefert er immer neue Wendungen. Clever gemacht, unterhaltsam und spannend zu lesen.

****/5

Niccolò Ammaniti - Du und Ich

Ein junger Mann, Lorenzo, wartet darauf, seine Halbschwester Olivia zu treffen. Sie haben sich zehn Jahre nicht gesehen und er erinnert sich an ihr letztes Zusammentreffen unter kuriosen Umständen. Um seine Eltern zu beruhigen täuscht der damals 14-jährige Lorenzo Freundschaften zu Klassenkameraden vor. Als er eines Tages erfährt, dass einige von ihnen gemeinsam zum Skilaufen fahren, erzählt er seiner Mutter, dass auch er eingeladen sei, worüber sich die Mutter so sehr freut, dass sie weinen muss. Lorenzo war immer ein Außenseiter und auffällig, selbst monatelange Sitzungen bei einem Psychologen konnten kaum etwas verbessern. Die Lüge lässt sich nicht mehr kitten und so zieht Lorenzo statt in die Berge heimlich in den Keller des elterlichen Palazzos. Er ist sich selbst genug und hat keinen Bedarf an Gesellschaft, doch die drängt sich ihm in Form der drogenabhängigen Halbschwester Olivia auf. Als es dieser im kalten Entzug immer schlechter geht, ist Lorenzo zum ersten Mal in seinem Leben gezwungen, sich um einen anderen Menschen zu kümmern und erlebt, wie viel Angst man um andere haben kann.

Was wie eine leichte Geschichte eines verschrobenen, tendenziell egomanen Kindes beginnt, entwickelt sich im Laufe der Zeit immer dramatischer. Die eine Woche im Keller lässt Lorenzo reifen und erwachsen werden. Er lernt nicht nur einiges über seine Schwester und die Eltern, sondern auch über sich selbst und sein seltsames Verhalten.

Hans Löw liest im Hörbuch mit einer ausgesprochen angenehmen Stimme, die gekonnt intoniert und die dramatischen Momente passend untermalt. Drei Stunden höchste Unterhaltung mit einem der wohl besten italienischen Gegenwartsautoren.

*****/5
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