Zwei Mädchen – ein Traum: aus den ärmlichen Verhältnissen
ihrer Familien hinaus auf die großen Bühnen, tanzen und singen. Aber nur Tracey
ist talentiert genug, eine Tanzschule zu besuchen, wohingegen die Erzählerin
von ihrer Mutter gezwungen wird, eine normale Schule mit weißen Mädchen zu
besuchen. Bildung ist wichtiger als ein Spleen. Die Wege der Freundinnen
trennen sich und einige Jahre später ist die Erzählerin persönliche Assistentin
eines Weltstars, die andere kämpft im Alltag ums Überleben: ohne Karriere,
dafür mit Kindern. Ihre Wege kreuzen sich wieder und die Fragen, wer im Leben
etwas erreicht hat und wer glücklich ist, steht für beide im Raum.
Die Freundschaft der Mädchen und ihre jeweilige Entwicklung
ist für mich der zentrale Aspekt des Romans, wobei Zadie Smith noch sehr viel
mehr hineingepackt hat. Als erstes, wie können sich zwei Mädchen mit ähnlichen
Startvoraussetzungen so unterschiedlich entwickeln? Sie sind Freundinnen,
teilen die Idole und unterscheiden sich nur durch Talent. Ihr
Familienhintergrund macht sie zu Außenseitern, sie wissen sich in der Welt der
Mittelschicht nicht zu verhalten, sie kennen die erforderlichen Codes nicht. So
machen sie Erfahrungen, die die weißen Mädchen nie machen werden, was jene als
Missbrauch bezeichnen würden, ist für Tracey und die namenlose Erzählerin
normal.
Sie sind jedoch nicht nur durch ihr respektives Talent in
ihren Chancen verschieden. Die Mutter der Erzählerin ist ein typisches Beispiel
für eine Frau, die die vorherrschende soziale Ordnung nicht hinnehmen möchte
und für ihre Tochter auf ein besseres Leben hofft. Durch ihren Kampf vergisst
sie jedoch das Kind und ihre Mutterrolle. Liebe scheint es zwischen den beiden
nicht zu geben. Sie meint es gut, ist streng, aber niemals liebevoll.
Eine weitere interessante Beziehung ist die zwischen der
Erzählerin und ihrer Chefin Aimee, einer erfolgreichen Sängerin.
Fälschlicherweise glaubt sie, dass so etwas wie Freundschaft entstanden wäre,
wohingegen Aimee nur sieht, dass sie jemanden bezahlt und derjenige seinen Job
zu erfüllen hat. Die Erzählerin reist um die Welt, trifft berühmte Menschen –
aber was hat sie selbst erreicht? In diesem Zusammenhang kommt eine weitere
Thematik ins Spiel: der Umgang der Engländer mit Bewohnern ehemaliger Kolonien
wurde bereits in der Kindheit der Mädchen thematisiert, nun aber wird eine
Berühmtheit in ein afrikanisches Dorf gebracht, um dort „etwas Gutes“ zu tun.
Schöne Bilder entstehen, aber welchen Nutzen für die Menschen hat es vor Ort?
Es ließe sich noch vieles mehr im Roman thematisieren, die
narrative Struktur, die bewusst gewählte Perspektive, die einseitig bleibt und
vieles im Dunkeln lässt. Zadie Smith hat mit „Swing Time“ ihren meiner Meinung
nach bisher tiefgründigsten Roman vorgelegt.