Freitag, 14. März 2014

Owen Matthews - Winterkinder

Owen Matthews Familiengeschichte zeichnet den Weg Russlands im 20 Jahrhundert nach. Stellvertretend für Millionen von Familien beschreibt er Not, Elend, schiere Verzweiflung – aber auch Mut, Tatkraft, Liebe und unbändigen Willen, es mit dem Leben, dem Schicksal und einem ungnädigen politischen System aufzunehmen.

Beginnend bei seinen russischen Großeltern mütterlicherseits, der Opa von Stalins Weltbild überzeugt und ein Arbeiter mit Vorbildcharakter in der ukrainischen Traktorenfabrik, erleben die harten Jahre russischer Invasion im Nachbarland und auch den Verrat. Väterlicherseits ebenfalls engagiert und politisch aktiv – auf der anderen Seite des Systems. im Zentrum jedoch steht die Liebesgeschichte seiner Eltern Ljudmila und Mervyn, die gestärkt durch eine erbarmungslose Kindheit voller Entbehrungen, alle sich bietenden Möglichkeiten ergreifen, um den Geist reifen zu lassen und sich zu Beginn der 60er Jahre in Moskau verlieben. Die politischen Entwicklungen der Zeit trennen sie. Der Kalte Krieg ist auf seinem Höhepunkt, da ist die Verbindung zwischen einem revolutionären Engländer und einer kritischen Russin undenkbar. Doch das Schicksal fordert die beiden geradezu heraus, sich ihm für ihr Zusammensein in den Weg zu stellen und die Lücken in den opponierenden Systemen zu nutzen.

Matthews hat eine Hommage geschrieben an das Durchhaltevermögen seiner Eltern in ihrem Kampf. Er bettet das individuelle Schicksal unterhaltsam und nie belehrend in historische Kontexte ein, ohne deren Wissen so mancher Schritt schwer nachzuvollziehen wäre. Er findet dabei eine leserfreundliche Balance, die das Buch – man mag es in Anbetracht der schrecklichen Begebenheiten kaum aussprechen – unterhaltsam werden lassen. Die Geschichte von Ljudmila und Mervyn ist sicherlich einzigartig in dieser Form, eher aber repräsentativ für unzählige Familien, die durch politische Umwälzungen mit Vertreibung und Flucht konfrontiert wurden oder unschuldig in die Mühlen der Politik geraten sind.


Es wurde Zeit für eine Übersetzung ins Deutsche nachdem das Buch seit nunmehr 6 Jahren weltweite Erfolge feiert. Gerade vor dem Spiegel der politischen Ereignisse im März 2014 auf der Krim stellt sich dem Leser die Frage, ob sich Geschichte wiederholt, denn der Überfall auf und Unterjochung der Ukraine durch Russland vor 80 Jahren scheint sich aktuell einmal mehr abzuspielen. 
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