Ist eine Naturkatastrophe nicht vorhersehbar und man dieser
notgedrungen ausgeliefert? Als in L’Aquila 2009 die Erde bebte, schien das
unabwendbare Unheil über die Menschen der Region gekommen zu sein. Sara More
beschreibt, wie fiktive Figuren dieses Ereignis erlebten, die bangen Tage davor
mit leichten Vorbeben und die Zeit danach, als alles Hab und Gut in Trümmern
lag und die Liebsten beerdigt werden mussten. Doch nicht das Leid des einzelnen
wird hier ins Zentrum gerückt, sondern die Frage, was die Verantwortlichen
wussten und ob sie absichtlich zahlreiche Tote in Kauf genommen haben.
Der Fact-Fiktion Roman erzählt eine an sich bekannte
Geschichte, ausgeführt mit persönlichen Schicksalen wie sie sich sicherlich in
dieser oder ähnlicher Weise ereigneten. Mit Passagen, die aus Zeitungsberichten
und anderen Realmedien entnommen sind, wird der Bezug zu dem tatsächlichen
Beben in den Abruzzen hergestellt und die Handlung auf eine realistische Basis
gestellt. Im Laufe des Buches nährt sich immer mehr der Verdacht, dass hier
seitens der Regionalregierung nicht nur tragische Fehler begangen, sondern
wissentlich Opfer in Kauf genommen wurden. Mit dieser Einbettung in die real
existente Situation erlangen die Einzelschicksale eine gänzlich andere
Bedeutung, die bekannten Zeitungsmeldungen und erschreckenden Bilder bekommen
ein Gesicht.
Die Verbindung von Fakt und Fiktion ist Sara More absolut
gelungen. Beide stehen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander, stützen
sich und untermauern die jeweiligen Aussagen. Die Figuren sind glaubwürdig
gezeichnet, einzig die junge Deutsche ist mir ein wenig zu extrem dargestellt,
dies mindert aber nicht die Unterhaltung, die trotz des brisanten und
erschreckenden Inhalts durchaus gegeben ist. Der Erzählstil ist fesselnd und
lässt einem das Buch nicht weglegen, obwohl einem vieles schon bekannt ist. Eine
sehr gelungene Symbiose, bei der einzig das relativ offene und plötzliche Ende
einen kleinen Wermutstropfen darstellt.