Montag, 18. März 2013

Franz Ferdinand von Österreich-Este - Die Eingeborenen machten keinen besonders günstigen Eindruck"

Der designierte Thronfolger der k.u.k. Monarchie begibt sich auf große Reise. Einmal um die Welt soll es gehen, bevor er als Regent die Geschehnisse in Europa maßgeblich mitbestimmen wird. Dass es dazu nie kommen wird, ahnt bei Aufbruch im Dezember 1892 noch niemand und daher wird er auch auf Reisen in so manchem Land wie ein Potentat empfangen werden.

Seine Reisetagebuch, von Frank Gerbert behutsam auf eine leserfreundliche Größe gestutzt, gibt die Eindrücke des Österreichers in sehr bildhafter, aber jeder Zeit auch scharfsinniger und ebenso scharfzüngiger Weise wieder. In ausführlichen Darstellungen kann er sich über die Natur der fremden Länder geradezu poetisch äußern. Drastisch kann er jedoch auch die Optik der Asiaten und Ozeanier herabqualifizieren - Maßstab bleibt stets die geliebte Heimat mit ihren Sitten, Gebräuchen und nicht zuletzt Essgewohnheiten. Ein ganz wesentliches Anliegen bei seinen Aufenthalten an Land ist ihm, neben der Beschaffung allerlei Reliquien und Mitbringsel, die Jagd - vorrangig die auf exotische Tiere wie Tiger und Elefanten. Trotz aller Bemühungen der Entourage kann der Thronfolger jedoch nicht immer zufrieden gestellt werden.

Lesenswert macht das Buch vor allem die ausführlichen Beschreibungen, die einen interessanten Eindruck entlegener Landstriche vor der endgültigen Kolonialisierung und westlichen Kultivierung geben. Gerade im Spiegel der europäischen Sitten des ausgehenden 19. Jahrhunderts erscheinen die beschriebenen Völker noch besonders natürlich und unverfälscht - und offenbaren zugleich die Beschränktheit der Europäer. Als Zeitzeuge hat Franz Ferdinand ein interessantes und ausführliches Werk hinterlassen, das tiefe Einblicke in die damalige Zeit erlaubt und schon ahnen lässt, welche Spannungen und Konflikte in den folgenden Dekaden den imperialistischen Großmächten bevorstehen werden.

Der Sprachstil schwankt zwischen zynisch-frech und ebenso bewundernd deskriptiv, was das Tagebuch ungemein unterhaltsam und informativ gestaltet, auch wenn man sich bisweilen vor Schreck wieder vor Augen führen muss, dass der Verfasser in einer anderen Zeit mit anderen Wertmaßstäben gelebt hat.

*****/5
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