Mittwoch, 16. Oktober 2013

Wilhelm Speyer - Ich geh aus und du bleibst da. Der Roman eines Mannequins

Im Berlin der 20er Jahre arbeitet Gaby in einem Damenmodengeschäft als Verkäuferin. Jedoch nicht nur das, sie darf den Damen den Gesellschaft die edlen Roben und Pelze als Mannequin vorführen. So glamourös der Arbeitstag, so bescheiden ist das Leben danach, mit Georg und ihren besten Freundin Christa und Walter führt sie eine einfache Gemeinschaft, die mehr schlecht als recht über die Runden eines kleinen Angestellten kommt. Eines Tages bietet sich ihr die Chance des Aufstiegs. Nur ein wenig dem adretten Herrn von Haller vergnügliche Stunden besorgen und ihr winkt eine unvorstellbar große Summe, die ihr die Zukunft sichert. Doch bald schon scheint das Mädchen unsanft auf dem Boden der Realität zu landen und noch weit tiefer zu fallen.

Wilhelm Speyer hat einen vergnüglichen Roman um das aufstrebende Mädchen Gaby geschrieben, die mit Humor und Pfiffigkeit gesegnet den Männern reihenweise sympathisch den Kopf verdreht. Im typischen Stil der neuen Sachlichkeit beschreibt er ihr Dasein und das Streben nach oben, sich ungeahnt bietende Möglichkeiten und banale Realität. Bisweilen erinnert Gaby mich an Irmgard Keuns kunstseidenes Mädchen - besonders durch den Diebstahl des Mantels. Ein kritischer Blick auf die Gesellschaft seiner Zeit, sprachlich heute zum Teil etwas veraltet anmutend, aber dadurch umso überzeugender als Zeitzeuge und thematisch aktuell wie vor über 80 Jahren: wer möchte nicht ein kleines Stück vom Glück und träumt nicht vom sorgenfreien Leben?

Man kann dem Elsinor Verlag nur danken dafür, Speyer wieder aufzulegen und heutigen Lesern zugänglich zu machen. Ein absoluter Schatz.
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