Montag, 5. August 2013

Rezension zu Sarah Moss – „Schlaflos“

Es könnte so schön werden als Anna samt Mann Giles und den beiden Söhnen Raph und Moth auf eine Insel zieht. Ihr Buch möchte sie fertig schreiben um den nächsten Karriereschritt nach dem Stipendium in Oxford zu machen, was könnte da hilfreicher sein als die schottische Abgeschiedenheit? Doch dort warten auf sie ein nicht zu bewältigender Haushalt, die beiden Kinder entwickeln ihre eigenen Neurosen, Giles meldet sich nur, wenn das Essen nicht rechtzeitig auf dem Tisch steht und zu allem Überfluss soll jetzt auch noch das Gästehaus vermietet werden und Anna als Putzfrau und Chauffeur agieren. War das das Leben, das sie sich gewünscht hatte? Als Mann dann Knochen eines verscharrten Babys in ihrem Garten findet, wird dies zur Zerreißprobe für die Ehe.

In unterhaltsamem, selbstironischem Ton erzählt Sarah Moss Annas Geschichte zwischen Kindern und Karriere. Die Verzweiflung aus der ständigen Überforderung und mangelnden Unterstützung seitens des Gatten wird auf jeder Seite deutlich und rufen mehr als Mitgefühl hervor. Der Spagat zwischen Kind und Karriere ist für Anna nicht zu schaffen. Nicht nur dass sie an eigenen Ansprüchen scheitert, sie sieht auch, wie ihr Leben und all das, was sie für lebenswert erachtet einfach weg ist und sie nicht mehr an ihren intellektuellen Fähigkeiten, sondern am Grad der Sauberkeit des Hauses und ihren kulinarischen Experimenten gemessen wird. Der Mann, dem sie einst auf Augenhöhe begegnete, ebenso wie die Inselbewohner, die sie permanent der Kindesmisshandlung bezichtigen, erwarten eine Rolle von ihr, die sie weder ausfüllen kann noch will. Mit kleinen Details, wie die konsequente Verweigerung sie mit ihrem Namen anzureden statt sie zur „Frau von“ zu machen, treibt Moss die Lage immer weiter auf die Spitze.


Ein sehr gelungener Roman, der sicherlich je nach Perspektive, aus der man ihn liest, verschieden beurteilt werden kann. Meiner persönlichen Erfahrung nach werden aber sehr realitätsnah typische Probleme junger Akademikerfamilien geschildert. Die Degradierung der Frau zum Heimchen, das dem Mann stets zu Diensten sein soll, während er sich entfaltet und ihre Träume von Karriere nach und nach beerdigt werden einerseits. Andererseits das Verlangen nach dem Leben, das man nicht führen kann – lange Abende mit Freunden, aber auch Banalitäten wie ausschlafen und Körperhygiene werden zu Sehnsuchtsorten. Unterhaltsam zu lesen, bisweilen fast erschreckend aber ganz sicher mit genügend Gesprächs- und Diskussionspotenzial.

*****/5
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