Mittwoch, 28. November 2012

Roland Krause - Fuchsteufelswild


Roland Krause – Fuchteufelswild

Der zweite Fall für den Münchner Ermittler Josef Sandner. Eigentlich ist dieser für ein erholsames Wochenende in den Kurort Bad Kohlgrub. Schon beinahe auf den Weg zurück in die Landeshauptstadt, erhält er die Info, dass der aktuelle Fall – ein Mord an einem Yoga-Guru – eine Verbindung in das Kurörtchen hat und sich Sandner, da er schon vor Ort ist, doch direkt die Ermittlungen aufnehmen kann. Die Kollegen ermitteln derweil unter der Leitung der Kommissarin Wiesner in München.

Was folgt sind vielfältige Verstrickungen an beiden Orten, eine Vielzahl an Verdächtigen und Unverdächtigen, die auch Motive hätten. Voller Einsatz wird von den Ermittlern verlangt, gebrochene Nasen und Füße, Strangulierungen und Schmisse – der Fall bringt sie alle an die Grenzen des Machbaren. Und weil das noch nicht ausreicht, kommt auch gleich ein zweiter Fall hinzu, der sogar Nacht und Nebel Aktionen auf einem Friedhof erfordern.

Der Kriminalfall ist komplex angelegt und bleibt für den Leser lange Zeit undurchschaubar. Die Lösung ist jedoch überzeugend und die Tatsache, dass gleich mehrere Täter mit verschiedenen Zielen agieren, macht den Krimi zu einer Ausnahme in seinem Genre der inzwischen großen Zahl an Regionalkrimis. Situationskomik findet sich ebenso wie böser Sarkasmus, so dass der Roman zu einer überzeugenden Mischung aus Krimi und Komödie wird, jedoch die Suche nach dem Mörder immer im Vordergrund bleibt.

Besonders auffallend ist Krauses Sprachverwendung. Die Figuren verwenden überwiegend Dialekt, was besonders bei der dörflichen Bevölkerung überzeugend wirkt. Bisweilen nicht ganz einfach zu folgen, aber mit Glossar und Vorstellungsvermögen trotzdem gut zu bewältigen. Zweiter stilistischer Pluspunkt ist die bildhafte Sprache des Autors. Mit urkomischen Vergleichen und Einwürfen wird die Handlung kommentiert und mehr als einmal wird der berühmte Nagel drastisch-direkt aber absolut treffend auf den Kopf getroffen.

Gemessen mit vergleichbaren Krimis sicherlich einer der anspruchsvolleren und gelungeneren. Gute Unterhaltung mit ganz viel Lokalkolorit.

*****/5

Sonntag, 25. November 2012

Anna Kaleri - Der Himmel ist ein Fluss

Masuren, Ende der 30er Jahre. Die junge Minna lebt mit ihren Eltern und Trudchen in einer kleinen Stadt. Sie ist eine Außenseiterin, bleibt für sich, kümmert sich um Haus, Hof und das jüngere Mädchen. Durch Zufall trifft sie auf den Vogelforscher Gwidon, zudem sie bald eine tiefe Zuneigung empfindet. Ihm beichtet sie, dass Trudchen ihre Tochter ist - entstanden durch eine Vergewaltigung. Gwidon ist es auch, für den sie eine Stellung in der Stadt annimmt und bei einem Apotheker den Haushalt führt. Eine fast unbeschwerte Zeit bricht an, auch wenn ihr Geliebter verheiratet ist. Doch das Regime wirft weite Schatten und für Polen wie Gwidon wird die Lage kritischer. Als Minna kurz vor Gwidons Flucht mit ihm entdeckt wird, erfährt sie die ganze Härte derNationalsozialisten. Orientierungslos findet sie sich in einem Gefängnis wieder, verständnislos lässt sie den Prozess über sich ergehen, jedoch hat sie immer noch die Hoffnung Gwidon wiederzusehen. Fünf Jahre lautet ihr Urteil - dass sie schwanger ist, wird misstrauisch bis neidisch mit den Mitgefangenen betrachtet. Dass das Kind seinen Vater niemals sehen wird, hat sie noch lange nicht verstanden. Es scheint, als sei das Schicksal ihr wohlgesonnen, als sie schließlich in die Freiheit entlassen wird und nahe der Heimat ein neues Leben beginnen kann. Noch schafft sie es nicht, ihrer Familie und den Kinder wieder gegenüber zu treten. Sie ahnt jedoch nicht, dass es kein Wiedersehen mehr geben wird.

Ein trauriges Buch der dunkelsten deutschen Geschichte. Dass Cover verleitet einem dazu, eine Liebesgeschichte zu erwarten, doch es steckt viel mehr dahinter. Feine Unterscheidungen zwischen den Völkern, die zwischen Leben und Sterben entscheiden konnten. Zeichen der Aus- und Abgrenzung, Gewalt und Toleranz von Gewalt, Opfer, die nicht nur keine Hilfe erhalten, sondern noch Schande tragen müssen.

Ein persönliches Buch, dass die Geschichte der Großmutter der Autorin erzählt und durch eine leise, mehr andeutende als offen darstellende Sprache besticht. Der Ton ist hervorragend gelungen und unterstreicht wunderbar den Charakter der Protagonistin, zurückhaltend, aber doch gefühlvoll und nur auf ein wenig Liebe im Leben hoffend.

*****/5

Lucy Caldwell - Notes to Future Self [Hörspiel]

Philosophy Rainbow - sie bevorzugt Sophie, um von dem unsäglichen Namen abzulenken - liegt im Sterben. Obwohl erst 13 scheint sie besser mit ihrer Situation umgehen zu können als ihre Schwester und Mutter. Da sie an Reinkarantion glaubt, macht sie sich vorsorglich Notizen, die dem zukünftigen Ich helfen sollen, die Welt zu verstehen. Vor dem Hörer entfaltet sie so die Familiengeschichte um die Hippiemutter Judy, die schon als Teenager schwanger davongelaufen war, und das Erwachsenwerden der älteren Schwester Peace Warrior Star Calliope.

Eindrucksvoll.

*****/5

Jakob Hein - Herr Jensen steigt aus [Hörspiel]

Nach 10 Jahren treuer Arbeit setzt man den Postboten Herrn Jensen vor die Tür - um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Endlich hat er Zeit für all die Dinge, die während der arbeitsamen Tage liegen geblieben waren. Was ganz entspannt anfängt gestaltet sich mit der Zeit immer schwieriger. Auch das Arbeitsamt irgendwie abzuwehren und Fortbildungsmaßnahmen zu umgehen zwingen Herrn Jensen zu Kreativität und Einfallsreichtum. Immer weiter entfernt er sich dabei von der Realität, bis er schließlich in seinem eigenen Dunkel quasi erstarrt.

Ein Stück bitterböse Realsatire auf die Welt der Arbeitslosen.

****/5

Danny Brocklehurst - Collateral Damage [Hörspiel]

DCI Stone ermittelt wieder. Was zunächst wie eine Überdosis Drogen aussieht, entwickelt sich immer mehr in einen vertrackten Kriminalfall. DCI Stone steckt so tief in den Ermittlungen, dass er es nicht schafft zu seiner kranken Mutter ins Hospital zu fahren - und dann erhält er die Nachricht, dass sie verstorben ist.

Spannend wie auch schon der Vorgänger. Die Lösung entfaltet sich langsam und die Persönlichkeit der Ermittler kommt ebenfalls nicht zu kurz.

****/5

Robert Hültner - Der Stalker [Radiotatort]

Ein Geschäftsmann erhält anonyme Drohbriefe. Informell sucht er Rat bei der Polizei und hat auch schon direkt einen Schuldigen zu bieten: der Filmvorführer. Dieser bestreitet die Vorwürfe und die Polizei belässt es zunächst dabei. Als sein Auto angezündet wird, müssen Senta und Rudi agieren, wieder einmal ermitteln sie auf eigene Faust - doch dieses Mal sind sie zu spät.

Eigentlich mag ich die Radiotatorte aus Bruck am Inn am liebsten - aber dieses Mal bleibt er sehr schwach und weit hinter dem gewohnten Potential zurück.

***/5 [Hörspiel]

Peter Prange - Der Kinderpapst

1981, Tagung der Kardinäle und Bischöfe über Antrage zur Selig- und Heiligsprechung. Vorgeschlagen wird hier auch Papst Benedikt IX, der im 11. Jahrhundert viel Unheil über Rom brachte und dessen Zeit als Kirchenoberhaupt durch Chaos geprägt war. Um über den Antrag bescheiden zu können, muss sich ein Mitglied in die Sachlage einarbeiten. In diesem Rahmen bettet Peter Prange seinen historischen Roman über die Unglücksherrschaft des sogenannten Kinderpapsts.

Seine Mutter deutet seine Geburt als Wunder, ein Zeichen dafür, dass das pfiffige Kind zu mehr berufen ist als nur die geplante Zukunft als Ritter und Gemahl von Chiara di Sasso. Doch die Zeiten ändern sich drastisch und politische sowie monetäre Überlegungen und Schachzüge befördern den jungen Teofilo schon als Kind auf den Heiligen Stuhl. Zu jung und schwach wird er zum Spielball der Kardinäle, von seinem älteren Bruder Gregorio ob der entgangenen Chance verhasst und vom Volk aufgrund zunehmender Schwierigkeiten ebenfalls nicht gestützt. Die Versuche seine Religiösität auf seine Mitstreiter zu übertragen scheitern kläglich, nur knapp entkommt er einem Mordversuch. Das sollte der nicht der einzige Anschlag auf sein Leben und seine Position sein. Jahre zwischen verfeindeten Familien, Machtgeschacher und finanziellen Nöten folgen. Die Bevölkerung verarmt und der Papst selbst verliert den Glauben an Gott und die Welt. Einzig seine Liebe zu Chiara di Sasso, die ihrerseits auch nicht vom Schicksal verwöhnt wird, aber tapfer ihren Weg geht und für Rom zum Segen wird, hält ihn am Leben und gibt ihm immer wieder Mut. Auf den rechten Weg zurückgeführt, zwar ohne Amt aber mit festem Glauben, wird er am Ende erlöst und sein größter Wunsch, das Leben mit Chiara zu teilen, wird doch noch erfüllt.

Historische Romane lassen dem Autor nur einen begrenzten Rahmen in der Handlung. Die Einbettung in eine Realsituation der Gegenwart als Motivation für den Bericht über Benedikt ist gelungen. Der Rückblick auf den Unglückspapst lässt jedoch einiges vermissen. Die offenkundigen Zweifel und das Hadern mit Gott, dass diesen Papst wohl umgetrieben hat, muss immer wieder hinter anderen Handlungssträngen zurücktreten, obwohl das der entscheidende Charakterzug und Motivator in der Figur des Teofilo di Tusculo zu sein scheint. Das Buch hat einige Längen und so manches mal hat man den Eindruck, dass sich einiges zu wiederholen scheint, was durchaus in der Realität so gewesen sein mag.

Sprachlich bisweilen derb, vermutlich um sich der Zeit anzunähern, bietet das Buch leider wenig Diskussions- und Reflektionsraum, dafür wird die Abarbeitung historischer Ereignisse zu sehr in den Vordergrund geschoben. So bleibt es bei einem netten Zeitvertreib, der jedoch die Chance auf ein Nachwirken verschenkt hat.


***/5

Mittwoch, 21. November 2012

Ansgar Oberholz - Für hier oder zum mitnehmen

Am Rosenthaler Platz in Berlin hat der Ich-Erzähler eines frühen Morgens mit nüchternem Magen aber einer ordentlichen Portion Restalkohol eine Eingebung: er will seinen Job an den Nagel hängen und an Ort und Stelle ein Café eröffnen. Trotz der widrigen Umstände wird der Plan in die Tat umgesetzt. Von den holprigen Monaten nach der Eröffnung berichtet er anekdotenhaft: die zwischenmenschlichen Schwierigkeiten des Personals, das Kuriosenkabinett Kundschaft, die immer guten Ratschlägen paraten Nachbarn und sonstige Völker, die sich in und um das Restaurant rumtreiben.

Das Buch ist in lockerem Plauderton geschrieben als wenn einem der Autor bei einem Bierchen am Abend von seinem Alltag berichten würde. Viele Episoden haben eine durchaus unterhaltsame Note, bisweilen urkomisch, manchmal aber auch aus der Kategorie Autsch! Hätte nicht sein müssen.

Leider bleibt das Buch am Ende etwas zu belang- und bedeutungslos. Man liest es weg und schon hat man vergessen, was es gab. Die Personen sind zu wenig plastisch, um in Erinnerung zu bleiben, die Begebenheiten leider auch schon zu bekannt als dass sie durch Innovation oder Besonderheit bestechen würden.

Nette Unterhaltung für zwischendurch, mehr aber nicht.

****/5

Dienstag, 20. November 2012

Petra Oelker - Ein Garten mit Elbblick

Hamburg, Ende des 19. Jahrhunderts. Ein junges Mädchen; Henrietta, vergnügt sich in der Stadtvilla, wo sie mit ihrem Vater lebt. Der Gouvernante kann sie entfliehen und so ein Stück von der anderen, viel härteren Welt Hamburgs kennen lernen. 14 Jahre später ist sie verheiratet und lebt in England. Der Tod ihres Vaters bringt sie zurück an die Elbe. Doch bei diesem einen Trauerfall soll es nicht bleiben. kurz nach ihrer Ankunft findet man auch ihren Ehemann tot - ermordet. Aber was hat er in Hamburg zu suchen, war er nicht in Amsterdam auf Geschäftsreise? Und wer hatte Grund ihn zu töten? Nicht nur diese Fragen treiben die Hamburger Polizei, Henrietta und ihre Verwandten um, sondern auch die Tatsache, dass scheinbar ihr ganzes Vermögen - väterlicher und ehegattennseits - verloren scheint. Es wird Zeit, dass sich die junge Frau selbst um ihre Angelegenheiten kümmert und Licht in die verborgenen Seiten der Männer in ihrem Leben bringt.

Das Buch zeichnet die Entwicklung eines gut behüteten, weltfremden Mädchen zu einer selbstbestimmten frau nach, die Konventionen schon einmal ignorieren kann. Daneben wird das Hamburg zur Jahrhundertwende, auf dem Welt zu einer bedeutenden Handelsmacht skizziert, integriert in eine gut gelungene Kaufmannsgeschichte. Die sozialen Standesunterschiede und damit verbundenen Schwierigkeiten im Umgang miteinander kommen genauso zum Tragen wie innerfamiliäre Zwistereien und verborgene Ausreißer.

Ein Garten mit Elbblick ist ein Sittengemälde des hanseatischen Bürgertums des wilhelminischen Deutschlands gepaart mit Krimiaspekten und ersten Anzeichen von Emanzipation junger Frauen. Eine gelungene Verbindung, die gute Unterhaltung bietet.

*****/5

Sonntag, 18. November 2012

Lolita Pille - Hell [Hörspiel]

"Ich bin eine Schlampe. Eine Luxusschlampe." So beginnt Lolita Pilles Geschichte über die Pariser Gegenwartsjugend, deren Leben aus Partys, teuren Lokalen, Shopping in Luxusboutiquen und Antidepressiva besteht. Ella - genannt Hell - führt ein von den Eltern finanziertes Luxusleben, das gerade eine Auszeit von der Uni nimmt. Mit ihren Freundinnen feiert sich bis morgens früh, schläft und isst wenig, zwischendrin eine Abtreibung, hat Sex mit irgendwelchen Typen und nebenbei beschäftigt sie noch die Suche nach einem passenden Mann, der ihr auch in Zukunft den gewohnten Lebensstil ermöglicht. Es scheint ihr an nichts zu fehlen und doch ist ihr Leben ein großes, trostloses Nichts.

Einerseits unterhaltsam, andererseits erschreckend wie desillusioniert junge Menschen, die scheinbar alles haben (können), vom Leben sind und schon als Teenager nichts mehr erwarten.

****/5 (Hörspiel)

Alex Shearer - The Diabolical Gourmet [Hörspiel]

Ein raffinierter Mörder geht um in Paris - und man kann ihm die sieben, acht oder gar über zehn Morde nicht nachweisen. Ende des 18. Jahrhunderts amüsiert sich der Landbesitzer Gourier in allen angesagten Restaurants. Dabei hat er gerne Gesellschaft, alleine zu speisen ist ihm zuwider. Nach und nach nehmen seine Gäste erst beträchtlich an Gewicht zu, bis sie schließlich auf ungeklärte Weise sterben. Ameline, Polizeiassistent, wird auf ihn angesetzt und nach zwei Jahren gemeinsamen Speisens kommt es zum finalen, tödlichen Showdown.

Köstlich - im wahrsten Sinne des Wortes.

*****/5 (Hörspiel)

Samstag, 17. November 2012

Lucy Flannery - Like a Daughter [Hörspiel]

Ruth arbeitet als Altenpflegerin und betreut Harry. Er ist nicht besonders freundlich, aber behandelt sie gut. Sie mag ihn und tut weit mehr als sie eigentlich müsste. Eines Tages erfährt sie, dass er eine größere Summe Geld angespart hat und keine Familie vorhanden ist, die ihm was bedeutet. Als Harry verstirbt, steckt Ruth in der Zweickmühle und fragt sich, ob ihr nicht auch etwas davon zusteht, bevor alles an den Staat geht.

Danny Brocklehurst - Deserved Dead [Hörspiel]

Ein Bekannter Sexulastraftäter wird brutal ermordet. DCI John Stone und sein Team stehen vor einem Rätsel. Keiner scheint diesen Mord als probematisch zu sehen und den ersten Verdächtigen - ein ehemaliges Opfer - müssen sie schon bald aus Mangel an Beweisen wieder laufen lassen. Es kommt zu weiteren Übergriffen und es scheint fast so als wolle jemand die Gegend reinigen.

Spannend und gut gemacht mir verblüffendem Ende.

****/5 (Hörspiel)

Kai Hensel - Das Perseus Protokoll [Hörspiel]

Was als entspannter Urlaub auf Kreta beginnt, entwickelt sich für Maria nach einem Fahrradausflug, bei dem sie einem seltsamen Mann begegnet, der er zunächst mit Wasser aushilft, sie aber dann versucht zu töten, zu einem Kampf ums Überleben. Sie flüchtet nach Athen, wo sie schnell von der Journalistin Eleni aufegegabelt und instrumentalisiert wird. Bald schon weiß Maria nicht mehr, wem sie trauen kann, wer wie in welche Geschichte vertrickt ist. Ein Anschlag auf die gesamte griechische Regierung, unzählige Tote und mittendrin die deutsche Studentin.

Recht spannend, aber gegen Ende doch etwas verworren und zu dick aufgetragen.

**/5 (Hörspiel)

Hartwig Hochstein (Hrsg) - Stammtischmorde. 9 Leipziger packen aus

Die Stammtischmorde sind eine Krimi-Kurzgeschichtensammlung. Eine Rezension dazu zu verfassen, fällt schwer, denn so unterschiedlich wie die Autoren sind auch die Geschichten. Nicht nur in der Länge (von drei Seiten bis fünfzig ist alles dabei), sondern auch in der Gestaltung der Geschichten ist die Spannbreite enorm. Der kurze knackige Krimi ist darunter, genauso das eher psychlogisch angelegt Stück - bei manchen fehlt gar der Mord. Gemeinsam bleibt der Bezugsort Leipzig, der bei den meisten Geschichten auch Schauplatz ist und sich als roter Faden hindurchzieht. Ich habe drei Favoriten unter den Kurzkrimis: Mandy Kämpf "Ich weiß, wer es getan hat" besticht durch die enorme Spannung unter der die Hauptfigur steht. Sophie Sumburanes "Ein ehrenwertes Haus" wartet mit viel Witz und Humor in einer bissigen Mordgeschichte auf und Romy Fölcks "Pauliner-Pakt" überzeugt mich durch die historisch-geographische Verankerung mit der Stadt Leipzig. Warum mich gerade die Frauen in der Sammlung am meisten ansprechen, weiß ich nun nicht genau, die männlichen Kollegen bieten nämlich auch gute Unterhaltung.

Eine gelungene Abwechlung zum Langkrimi. Auch wenn große Schwankungen zwischen den Geschichten sind, kann die Anthologie überzeugen und gerade die Variation in Ton, Stil und Plot ist sehr gelungen. Dass ein verbindendes Moment gegeben ist, lässt die Zusammenstellung in sich stimmig werden.

*****/5

Donnerstag, 15. November 2012

Uwe Schiewe - Die Hure Babylon

1147, Südfrankreich. Ermengarda, Herrscherin über Narbona führt ihr Reich auf ungestüme und unkonventionelle Weise. Dazu gehört die Kirche und ihre weltlichen Vertreter nicht ganz so ernst zu nehmen und bevorzugt zu behandeln, wie diese es gerne hätten, und genauso lebt sie ihre Liebe zu dem jungen Arnaut aus, obwohl sie anderweitig verheiratet ist - doch der Ehemann ist fern und sie ist ihm eh egal. Ihr Volk liebt sie, doch der Druck seitens der Kirche und herrschsüchtiger Nachbarn wächst. Es kommt eins zum anderen und die Liebe zerbricht und Arnaut schließt sich den Kreuzzügen an.

Beschwerliche Zeiten voller Entbehrungen erwarten die Ritter, Kämpfer, Geistliche und Frauen. Die Euphorie verfliegt schon bald und die Zeiten der Märsche und Kämpfe hinterlassen ihre Spuren. Die Verluste sind groß, doch zugleich erwachsen auch neue Bündnisse, Freundschaften und auch die Liebe hat ihren Platz in schweren Zeiten. An der Seite des tüchtigen Arnaut erlebt der Leser, wie der Glaube an Gott, an die Kirche und die Richtigkeit der Kreuzzüge auf eine schwere Probe gestellt wird. Was im Namen Gottes begann, erweist sich schon bald als nur allzu weltliche Herrschsucht und Gier. Im Land des Feindes muss auch der letzte Kreuzzügler einsehen, dass hier der Name des Herrn und viele Leben missbraucht wurden.

Das Buch erzählt eine dunkle Geschichte der Christenheit. Beschönigt wird nichts, das Grauen wird nicht nur beim Namen genannt, sondern in plastischer Sprache vorgeführt, die manchmal fast zu viel ist - was jedoch in diesem Fall kein negatives Urteil ist. Neben des historischen Figuren und Fakten, die die Geschichte Arnauts einrahmen, wird auch eine psychologisch interessante Entwicklung eines jungen Menschen geschildert, der vieles in Frage stellt, an den Herausvorderungen des Kampfes wächst, Verantwortung übernimmt und am Ende eine gewachsene Persönlichkeit darstellt, die nichts im weltlichen Leben mehr erschüttern kann.

Ein unterhaltsamer historischer Roman, der gut recherchiert ist und viel Wissen und Verständnis des Autors zeigt, die Verbindung von historischen Tatsachen mit einer fiktiven Geschichte ist auf jeden Fall gelungen.

*****/5

Samstag, 10. November 2012

Michael Tucker - So it goes/After Annie

Die Geschichte einer Liebe, die zu Ende geht. Seit Jahrzehnten lieben sich Annie und Herbie. Sie teilen nicht nur das Leben, sondern auch den Beruf. Sie sind Schauspieler und gehen ganz in dieser Künstlerwelt auf. Als Seelenverwandte bezaubern sie ihre Umwelt, doch selbst ihre Tochter Candy kann nie in die Welt der beiden eindringen, die eine undurchbrechbare Symbiose darstellt. Gelegentlich nehmen sie sich gemeinsam Liebhaberinnen, manchmal auch alleine - der Sex mit anderen kann ihrer Verbindung nichts anhaben. Doch nun droht der Krebs diese tiefe Innigkeit zu zerstören und Annie aus der Welt zu reißen. Kurz vor ihrem Tod macht Herbie die Bekanntschaft mit Olive, einer verunsicherten Barfrau, die davon träumt als Sängerin zu arbeiten. Annie nutzt ihre letzten Stunden, um Olive vorzubereiten - auf die Zeit nach ihrem Dasein. Und dann ist Herbie plötzlich alleine. Er flüchtet aus New York, doch trotz seiner Suche findet er nicht das, was er mit Annie hatte. Olive hält zum ihm Kontakt, sie braucht ihn und seine Tipps, denn dank seiner Hilfe hat sie ein Engagement in einem Theaterstück. Doch was ist Herbie für sie? Väterlicher Ratgeber, potentieller Liebhaber, guter Freund, gar Familie? Die wichtigste Rolle - das Leben - ist zugleich die schwerste nachdem Annie nicht mehr ist.

Das Buch ist voller Liebe - zwischen Herbie und Annie - und Verlust nach ihrem Tod. Man spürt regelrecht die Verbindung der beiden und welche Wirkung sie auf andere haben, denn sie lieben nicht nur sich, sondern die Menschen. Die Figur der Olive ist in ihrer Unsicherheit, Selbstentdeckung und am Ende der Stärke wunderschön gezeichnet und kann die depressiven Phasen von Herbie konträr spiegeln. Dieser, etwas eigen und verschroben, lässt den Leser mit dich leiden und suchen nach dem neuen Halt im Leben.

Das Buch ist nicht nur traurig, wie man vermuten könnte, sondern hat durchaus auch einige amüsante Momente zu bieten. Für mich unverständlich bleibt jedoch, wieso man der deutschen Ausgabe einen englischen Titel gibt, der vom Original abweicht und gleichzeitig die Aussage völlig kaputt macht. "After Annie" beschreibt exakt worum es geht im Buch, "So it goes" ist nichtssagend, belanglos und dämlich. Das gleiche ist beim Cover passiert. Schade.

*****/5

Mittwoch, 7. November 2012

Sophie Sumburane - Gestörte Verhältnisse

Eine junge Frau überlebt knapp ein grausames Verbrechen: zuerst betäubt, dann gefesselt und schwer misshandelt und zum Abschluss der versuchte Mord durch das Aufschneiden der Pulsadern. Ihre Nachbarin findet sie glücklicherweise in letzter Minute. Die leitende Ermittlerin der Leipziger Mordkommission, Janine Anders, in ihrem ersten Fall. Doch die Polizei tappt schnell auf der Stelle. Die Flucht oder Entführung des Opfers aus der Klinik, kritische und drängende Presse, sowie ein weiterer bestialischer und dieses Mal erfolgreicher Mord bringen sie immer mehr in Bedrängnis. Unterdessen geht ihr Privatleben vor die Hunde: ihr Mann zieht samt Sohn zu seinen Eltern. Immer wirrer werden die Verstrickungen um die beiden Fälle, das Drogen- und Prostitutionsmilieu ist auch involviert und der Kommissarin will einfach der entscheidende Schluss nicht gelingen.

Der Krimi ist für ein Erstlingswerk gut, hat aber seine Schwächen. Die Autorin wollte zu viel: zu viele Themen auf einmal lassen am Ende die Geschichte zu gewollt wirken. Die Mordgeschichte ist für mich am Ende schlichtweg überzogen. Was den Charakter Janine Anders anbelangt wurden zu viele Türen auf einmal geöffnet und nicht weiter verfolgt: weder die Eheprobleme noch die Familien-/Schwesterngeschichte ist ausgereift oder zu einem ordentlichen Schluss gebracht. Das lässt zwar andererseits Raum für weitere Bände, ist aber für dieses Buch unbefriedigend.

Positiv zu bemerken ist der Spannungsaufbau. Man möchte wissen, wie es weitergeht und mag die Lektüre eigentlich nicht unterbrechen. Auch die Passagen des zunächst ungeklärten Ichs, das zu dem Leser spricht, ist gelungen, da hier eine Ambivalenz entsteht, die die Neugier weckt. Der Sprachstil ist insgesamt unterhaltsam und ansprechend und die Figuren sind ebenfalls in ihren Unzulänglichkeiten und Macken gelungen.

Gute Unterhaltung, die nötige Spannung für einen Krimi und durchaus noch ausbaufähig für weitere Folgen.

****/5

Montag, 5. November 2012

Helmut Barz - African Boogie

Der zweite Teil der Katharina Klein Serie.

Nachdem Katharina es nach ganz oben auf die Todesliste südamerikanischer Drogenbosse geschafft hat, steht zuerst einmal Untertauchen an. Mit einer neuen Identität und ausreichend passender Waffen wird sie verabschiedet. Am Flughafen ergattert sie ein Last-Minute-Ticket nach Afrika: Mafia Island scheint ihr in Anbetracht ihrer Lage absolut passend und der perfekte Unterschlupf, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Dass Andreas Amendt dasselbe Ziel ansteuern wird, kann sie ja nicht ahnen.

Was sich als Entspannungsurlaub im Wellness-Resort anlässt, verwandelt sich schon bald in einen nackten Kampf ums Überleben. Aber es ist nicht der erwartete Killer mit dem Codenamen Ministro, der ihr das Leben schwer macht, sondern ein anderer durchgedrehter Serienmörder, der nach und nach die Reisegruppe dahinrafft. So ganz zufällig sind diese jedoch alle nicht auf der Insel gestrandet - und dank einer gesprengten Brücke auch vorerst zwangsweise festgesetzt. Nach und nach kommen immer mehr Verbindungen ans Licht. Doch bis der Täter identifiziert wird, müssen noch einige Urlauber den letzten aller Gänge antreten. Auch für Katharina sieht sie Lage nicht gut aus, als sie sich plötzlich gefesselt Ministro gegenüber sieht.

Die Geschichte um Katharina und Andreas wird nahtlos fortgeführt, als Einzelroman also nicht unbedingt empfehlenswert. Die große Frage, was eigentlich am Tag des Mords an ihrer Familie geschah, schwebt auch dieses Mal wieder über der Handlung und wird stückchenweise weiter aufgedeckt. Die aktuelle Mordserie ist zwar in sich schlüssig, aber ein wenig überzogen, sorgt jedoch für enormes Tempo in der Handlung. Auch dieses Mal wieder neben den Hauptfiguren interessante Nebencharaktere, die dem Krimi eine gewisse Humornote verleihen. Unterhaltsamer Krimi, der sich schneller wegliest als man sich umsieht, leider insgesamt ein wenig schwächer als Band eins der Serie.

****/5

Sonntag, 4. November 2012

Dirk Schmidt - Task Force Hamm [Hörspiel]

Hamm - der Inbegriff westfälischen Niemandslandes und in Sachen Verbrechensbekämpfung jwd. Hierhin kommt nur, wer woanders versagt oder nicht funktioniert hat und nun im Dienst verwahrt werden muss. Scholz hat das schnell durchschaut und geht entsprechend motiviert an seinen neuen Job. Der erste Fall gestaltet sich auch gleich nicht ganz gewöhnlich: der ermordete Metzger weißt Hinweise auf gleich drei Todesursachen auf.

Ein Radiotatort, der den Ermittlungsort Hamm vorstellt. Inhaltlich noch etwas schwach, aber Uwe Ochsenknecht und co sorgen für Unterhaltung.

***/5 (Hörspiel)

Nick Warburton - Not Bobby [Hörspiel]

Nachdem der Vater gestorben ist, erfüllt sich Frank endlich den Traum eines Haustieres. Seine Mutter ist zunächst nicht begeistert von Kaninchen, das sie nach dem Vater Bobby taufen. Bald schon stellt sich heraus, dass sie es mit einem außergewöhnlich intelligenten Tier zu tun haben. Bei der Kommunalverwaltung nach Hilfe zu fragen war keine gute Idee, denn jetzt gerät eine absurde Maschinerie in Gang, in der nur nach Vorschrift gehandelt und so manche Regelung des Schulsystems gänzlich ad absurdum geführt wird.

Zwar zum schmunzeln, in der Tragweite der Absurdität jedoch beängstigend.

***/5 [Hörspiel]

Roald Dahl - Gift [Hörspiel]

Indien zur Zeit der englischen Besatzung. Eine Bungar, eine giftige Natter, hat sich ins Haus geschlichen und liegt schon seit Stunden auf Harrys Bauch. Er hat Angst sich zu bewegen, da dies das Tier zu einem tödlichen Biss verleiten könnte. Sein Nachbar Timber findet in völlig verschwitzt und holt den Arzt Ganderbai zu Hilfe. Dieser verabreicht Harry zunächst das Antiserum, bevor er sich an die Betäubung des Tieres macht.

Eine Kurzgeschichte mit Gift. Aber nicht das der Natter, sondern das der Vorurteile und Rassenüberlegenheit, das hier zu Ausdruck kommt.

****/5

Jane Austen - Lady Susan

Ein kurzer Briefroman, eines der ersten Werke Jane Austens. Lady Susan, seit kurzer Zeit Witwe, sucht für sich einen neuen Ehemann und ebenso für die 16-jährige Tochter Frederica. Aus der Korrespondenz zwischen Lady Susan und ihrer Vertrauten Alicia Johnson erfahren wir von ihren Ränkespielen und Manipulationen. Ihre Schwägerin Catherine berichtet ihrer Mutter vom höchst fragwürdigen Verhalten der Dame und sorgt sich um ihren Bruder, der sich zeitgleich mit Lady Susan und deren Tochter bei ihnen aufhält.

Insgesamt unterhaltsam. Erstaunlich ist hier die aktive Frau, die bewusst Männer manipuliert und zu ihrem eigenen Vorteil nutzen will. Die Herren erscheinen durch die Bank passiv und lassen sich gerne auf sie ein - obwohl sie älter ist. Ein gesellschaftlich unangepasstes Verhalten, das jedoch am Ende nicht gänzlich verurteilt wird.

***/5

Donnerstag, 1. November 2012

Nick Warburton - Available Means [Hörspiel]

David, ein englischer Literaturdozent, wird in eine osteuropäische Stadt eingeladen, um dort über Poetik zu sprechen. Kurz vor seinem Vortrag erinnert er sich, was in den vorausgegangenen Tagen passierte. Ein Zimmermädchen, Oksana, erregt seine Aufmerksamkeit. Sie versteht ihn kaum, möchte sich aber mit ihm treffen - außerhalb des Hotels. Schnell wird klar, dass sie sehr wohl des Englischen mächtig ist und ihm zudem nicht zufällig begegnete. Sie bittet um seine Hilfe. Ihr Bruder - später wird sich herausstellen: ihr Mann - wird von der Regierung gefangen gehalten und möglicherweise gefoltert. Der Polizeichef, als Davids Begleiter vorgesehen, mag dessen Nachfragen nicht. Er hat die Stadt gesäubert, um um das zu erreichen, sind ihm alle Mittel recht.Was kann David tun?

Ein politisch brisantes Hörspiel, aber mehr als realistisch, vor allem der Zwiespalt des westeuropäischen Gastes, der die Methoden nicht billigt, zugleich aber in seiner Funktion auch nicht seine Meinung völlig frei artikulieren kann.

*****/5
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