Sonntag, 27. April 2014

Vanessa Eden - Warum Männer 2.000 € für eine Nacht bezahlen. Der Escort Coach.

Wer bei dem Titel einen voyeuristischen Blick ins Prostitutionsgewerbe erwartet, wird bitter enttäuscht werden. Vanessa Eden hat, wie es auch auf dem auffällig pinkfarbenen Cover vermerkt ist, einen Escort-Coach geschrieben und genau das ist das Buch auch. Es gibt nützliche Tipps für all diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, in diese Branche einzusteigen. Nach einem kurzen historischen Abriss folgen systematisch Betrachtungen über die verschiedenen Sparten der Prostitution, ihr gesellschaftliches Ansehen inklusive Vorurteile, Ein- und Ausstieg in das Gewerbe sowie rechtlich-wirtschaftliche Aspekte aber auch die Frage danach, ob man wirklich geeignet ist. Man merkt der Autorin nicht nur ihre Erfahrung an, denn alle Kapitel werden mit Anekdoten gespickt, die vielfach warnend, manchmal aber auch fast zum Schmunzeln sind, aber immer passend das Gesagte unterstreichen und sachlich-informativ bleiben.

Wer sollte das Buch lesen?
Es ist ein Coach und als solcher nach meiner Einschätzung nicht nur sehr gelungen, sondern insbesondere informativ. Eindringliche Warnungen, nützliche Tipps und viele Hinweise auf weitere Informationen und Anlaufstellen bieten für Einsteigerinnen eine gute Basis, vor allem um sich ernsthaft noch einmal die Frage zu stellen, ob man nicht zu illusorisch- euphorisch an die Sache geht. Sicherlich lassen sich mit dem Coach eine ganze Reihe von Fehlern – die unter Umständen schwerwiegende Folgen haben können – vermeiden.

Für wen ist es noch interessant?
Da plane keine Karriere im Erotikgewerbe und fand das Buch trotzdem sehr erhellend. Vieles, was mir eigentlich nur aus dem Fernsehen und eher diffus bekannt war, wurde klargestellt und erscheint jetzt in einem anderen Licht. Gerade auch die Frauen, die sich in diesem Gewerbe bewegen haben mit zahlreichen Vorurteilen zu kämpfen, die mit dem Buch entkräftet werden. Darüber hinaus gab es viele Aspekte, die auch im Alltag jeden Menschen treffen (vor allem der Bezug auf Catherine Hakims erotisches Kapital sei hier erwähnt) und die Aspekte der Selbstständigkeit treffen ohnehin auf jede Branche zu.

Was bietet das Buch nicht?
Anleitungen zum Sex und wie man „den Mann“ glücklich macht. Fotos mit leichtbekleideten Frauen oder Darstellungen sexueller Handlungen. Und das ist auch richtig so, da dies nicht dem Sinn und Zweck des Coachs entsprechen würde.

Fazit

Sehr lesenswert, da es einen sachlich-informativen Einblick in die Branche gibt. Unverzichtbar für diejenigen, die sich mit dem Gedanken Escortservice tragen.

Freitag, 25. April 2014

Michael Wallner - Die russische Affäre

Anna lebt mit ihrer Familie im sowjetischen Moskau. Ihr Mann Leonid ist als Soldat wenig zu Hause, ihr Sohn Petja schwerkrank und ihr Vater ein Lyriker, der zurückgezogen von der Gesellschaft seine Verse reimt. Als Anstreicherin fällt sie eines Tages dem stellvertretenden Forschungsminister auf – und sie lässt sich auf eine Affäre mit Bulyagkow ein. Schnell profitiert sie davon, ihr Sohn bekommt eine bessere medizinische Versorgung, die Kleinigkeiten des Alltags, die nur schwer erhältlich sind, stehen ihr plötzlich offen. Doch der Geheimdienst entwickelt Interesse an ihr und zwingt sie, Informationen über Bulyagkow zu liefern. Was sich zunächst nur als moralisches Problem für Anna darstellt, wird schon bald für ihre Familie zur Zerreißprobe und zu spät bemerkt sie, wie sie zum Spielball verschiedenster Interessen geworden ist.


Die Darstellung der Sowjetzeit mit all ihren Einschränkungen, die maßgeblich die Handlung bestimmen, ist überzeugend gelungen. Auch Annas ungewöhnliche Lieben, weder zu Leonid noch zu Bulyagkow ist dies normal, haben eine ganz eigene Note. Der Roman gewinnt gegen Ende, wenn sich langsam der Schleier hebt und die wahren Interessen ans Licht kommen, enorm an Format und Spannung.

Mittwoch, 23. April 2014

Marlene Menzel - Tod der Angst

Irene Anderson, ehrgeizige Journalistin, ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort als sich eine junge Frau vom Dach eines Hochhauses stürzt. Doch die Fotos des Unglücks werfen Fragen auf, sieht man nicht einen Schatten hinter ihr? Doch bevor sie mit dieser Sensation den Artikel ihres Lebens schreiben kann, kommt ihr Detective Leo Carter dazwischen, den sie rein beruflich verabscheut, ansonsten aber doch eher sehr anziehend findet. Mit einem zweiten Mord wird klar, dass sie es mit einem unheimlichen Serienmörder zu tun haben, der Rache nimmt und für jedes seiner Opfer eine besondere Inszenierung geplant hat: sie müssen sich in den letzten Minuten ihres Daseins ihrer größten Angst stellen.

Der Thriller ist spannend und unterhaltsam. Auf der Figurenebene konnten mich Irene und Leo als ungleiches Paar, das sich erst finden muss, überzeugen. Bezüglich der Handlung ist mal als Leser der Polizei einen Schritt voraus, kann dafür das für mich sehr gut umgesetzte Motiv, die Phobien in unterschiedlicher Form, mit beobachten und sehen, wie die Tode inszeniert werden. Ein glaubwürdiges, sauberes Ende rundet den Roman ab und klärt offene Fragen.

Alles in allem für mich sehr kurzweilig mit starkem Abschluss.

Freitag, 18. April 2014

Ralph F. Wild - Realmord

Eigentlich möchte er sich ja nur ausruhen, deshalb fährt der Multimillionär Frank Mellendorf nach Cannes, wo er während der Festspiele auch mit dem befreundeten Regisseur Michael McLorey Zeit verbringen möchte. Was angenehm an der Côte d’Azur beginnt, entwickelt sich für den Unternehmer jedoch schnell zum Höllentrip, denn er ist in einen Film seines vermeintlichen Freundes geraten, der sich mit seinem letzten Meisterstück selbst übertreffen will: ein realer Mord geschieht vor der Kamera und echte Aufnahmen bilden das Rahmenprogramm. Unglaubliche Mittel hat er eingesetzt und minutiös jeden Schritt geplant. Sein Plan scheint aufzugehen, denn die Polizei sieht in Mellendorf den Mörder und McLorey kann unbehelligt an seinem Werk arbeiten.

Der Plot ist außergewöhnlich und in sich stimmig konstruiert. Die kurzen Kapitel und raschen Szenenwechsel schaffen ein hohes Tempo, was passend ist zu der erzählten Zeit und dem Leser das Gefühl geben, direkt in der Handlung zu sein. Für mich persönlich trüben ein paar unlogische Handlungen, die etwas zu große Anzahl an Zufällen und die schier übermenschlichen Fähigkeiten von McLoreys Helfer das Vergnügen. Auch hätte der Roman durch ein wenig mehr Tiefe bei den Figuren an Format gewonnen, sie bleiben doch alle sehr oberflächlich und selbst McLorey, der mit seinem unsäglichen Plan offenkundig gestört ist, tritt mit seiner Psyche nicht wirklich in Erscheinung.


Insgesamt eine gute Idee und spannende Unterhaltung. 

Harlan Coben - Kein Friede den Toten (Hörbuch)

Nachdem er seine Gefängnisstrafe abgesessen hat, hofft Matt Hunter wieder ein einfaches, normales und bürgerliches Leben mit seiner Frau Olivia führen zu können. Mit dem Baby, das sie erwarten, wird das Glück perfekt sein. Bis er eines Tages erst ein Foto und dann ein Video seiner Frau auf seinem Handy findet, das sie in kompromittierender Situation zeigt. Schon bald steht die Polizei vor seiner Tür und befragt ihn wegen eines Mordes an einer Nonne, die kurz vor ihrem Tod Kontakt zu Matts Familie gesucht hat. Auf der Flucht stößt er immer tiefer in Abgründe vor und muss erkennen, dass die Frau, die er zufällig kennen und lieben lernte nicht die ist, die sie vorgab.


Das Hörbuch hat mit knapp fünf Stunden eine angenehme Hörlänge. Detlef Bierstedt liest auch diesen Krimi wieder mit angenehmer Modulation, der ohne Längen die Spannung hält. Die Geschichte selbst war für meinen Geschmack etwas überzogen, aber nicht  völlig unglaubwürdig und mit dem passenden Rhythmus von Enthüllung und neuer Spannung. Insgesamt kurzweilig und für eine Hörversion gut geeignet, da mit überschaubarer Figurenmenge.

Donnerstag, 17. April 2014

Alison Gaylin - Dornröschenschlaf

Privatdetektivin Brenna Spector hat eine besondere Fähigkeit: sie kann nicht vergessen und ist in der Lage, sich jeden Moment ihres Lebens in allen Facetten ins Gedächtnis zurückzurufen. Auch den Tag als ihre Schwester verschwand. In ihrem aktuellen Fall soll sie nach einem Mädchen fahnden, das 10 Jahre zuvor auf eine ähnliche Weise verschwand wie auch ihre Schwester. In beiden Fällen kam die Polizei nie zu einem Ergebnis, doch jetzt scheint sich etwas zu tun.

Mein Kommentar bezieht sich nur auf das erste Drittel des Buchs, danach habe ich entnervt aufgegeben, was bei einer Abbruchquote von weniger als 1% wirklich bemerkenswert ist. Wie kam es dazu? Die Protagonistin ging mir mit ihrer selbstherrlichen Art wirklich auf die Nerven. Alle Menschen um sie rum können Superwoman nicht das Wasser reichen und werden entsprechend abgefertigt, egal ob das der Kollege ist – der natürlich hyperattraktiv sein muss, sonst würde sie sich nicht mit ihm abgeben – ein Kunde, der so langsam denkt, dass sie im Gespräch beinahe einschläft oder die Polizei, wo sowieso nur faule Dummköpfe arbeiten. Sie selbst ist natürlich der tollste Hecht im Becken, entsprechend zieht sie sofort die Aufmerksamkeit zu suchender Ehemänner auf sich. Ihre sensationelle Begabung führt im Buch zu permanenten Abschweifungen und ellenlangen Erinnerungen, weil jedes Pflänzchen, jedes Papierschnipselchen einen vergangenen Tag hervorruft, der in epischer Länge geschildert wird, auch wenn es keinen Zusammenhang mit der Handlung gibt. Dazu kommen dann die permanent moralisierenden Bemerkungen (wenn ein Ehepaar noch getrennte Konten hat, ist das natürlich ein eindeutiger Beweis, dass da böse was im Argen liegt) und grenzenlose Verachtung für die neue Ehefrau ihres Ex, die bislang nicht in Erscheinung trat, einem aber bei so einer Ex nur leidtun kann. Ob die verqueren Bilder bei den vielfältigen Beschreibungen auf die Autorin oder die Übersetzung zurückzuführen sind, ist schwer einzuschätzen. mehr als einmal saß ich staunend vor dem Buch und habe mich gefragt, was das eigentlich sein soll.


Ein Thriller soll Spannung schaffen. Hier verschwinden zwar gleich mehrere Personen, spannend ist das aber leider ob der wirklich unerträglichen Protagonistin nicht. 

Sonntag, 13. April 2014

Tibor Rode - Das Los

Über Jahrhunderte trägt ein Orden ein Geheimnis weiter. Nur wenige sind auserwählt an einer geheimnisvollen Lotterie teilzunehmen. Doch jetzt scheinen die letzten Teilnehmer gefunden, um endlich die Ziehung durchzuführen: die Pokerspielerin Trisha, die in ihrer Sucht auch nicht davor zurückschrecket, ihre Eltern zu verraten; der Knastbruder Henri, der eigentlich nie mehr in seinem Leben in Freiheit kommen sollte, aber einen Angriff in Haft zu seinen Gunsten nutzen kann; der Spekulant Carter, der Unmengen Menschen geprellt hat und der Inder Pradeep, der mehr schlecht als recht im Slum von Mumbai überleben kann. Der Ursprung der Lotterie liegt im Berlin des 18. Jahrhunderts und hatte dort schon dem Erfinder Calzabigi kein Glück gebracht…


Ein Roman, der geschickt die Schicksale der vier Lotterieteilnehmer, die kaum verschiedener sein könnten und lediglich die Aussicht auf das große Los teilen, mit den historischen Ereignissen um die Entstehung dieser Lotterie verknüpft. In raschen Wechsel werden die Geschichten erzählt und langsam miteinander verwoben. Intrigen, Gier, Macht und größte Not – all das, was das Leben zu bieten hat, wird aufgerufen und zu einer unterhaltsamen Story gestrickt. Man fiebert der Ziehung zunehmend entgegen und wird nicht enttäuscht: ein Ende mit Genugtuung, das daran glauben lässt, dass es nicht nur Göttin Fortuna mit den rechtschaffenen gut meint, sondern dass es auch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit geben könnte. 

Jakob Arjouni - Bruder Kemal

Zwei eigentlich kleine Fälle. Eine 16-jährige Tochter aus gutem Hause ist verschwunden und treibt sich vermutlich mit dem deutlich älteren Freund irgendwo in Frankfurt rum. Und ein Dichter soll während der Buchmesse bewacht werden, zuvor waren Drohbriefe eingegangen. Nichts Aufregendes steht also an für Privatdetektiv Kayankaya. Doch eine Leiche und ziemlich deutliche Drohungen eines Predigers und das Verschwinden des Autors bringen ihn dann doch in Bedrängnis.


Arjouni schafft einen regional eingebetteten Krimi zu schreiben ohne dabei ins Seichte abzudriften. Sein Protagonist ist stark, mit Ecken und Kanten und damit einer Menge Profil, der Fall wird ordentlich gelöst ohne dabei zufällig oder leichtfertig zu sein. Beste Unterhaltung, wie man sie von Arjouni gewohnt ist. 

Eckhard Henscheid - Die Vollidioten

Im Rahmen von „Frankfurt liest ein Buch“ bin ich auf Eckhard Henscheids Erzählung aufmerksam geworden. Den Inhalt zusammenzufassen, ist schier ein Ding der Unmöglichkeit. Anfang der 1970er Jahre im Frankfurter Nordend ist eine Schar von Intellektuellen und weniger Intellektuellen in allerlei Kneipen und Cafés unterwegs. Aber weniger der anregende Gedankenaustausch, sondern mehr die Fräuleins „flachzulegen“ und irgendwie die seltsamen Rechenkünste des notorisch klammen Kloßen nachzuvollziehen. In der Kneipe Mentz treten auch Horkheimer – als Spielautomatenbetrüger - und Cohn-Bendit – als umhimmelter Star - auf. 6 Tage in denen eigentlich nichts passiert, dies aber detailliert und treffsicher formuliert von Henscheid zu Papier gebracht.


Die Hörversion gesprochen von Hanns Zischler ist dabei ein besonderer Genuss. Seine Intonation des Schweizers lässt einem eins ums andere Mal in lautes Gelächter ausbrechen und macht die Nicht-Handlung zu köstlicher Unterhaltung.

Van Deus - Die Ampullen von Lorenzini

In Hamburg wird ein Unternehmer ermordet. Schnell drängt sich der Verdacht auf, dass es geprellte Anleger oder noch eher seine junge Geliebte, die in derselben Nacht bei einem Autounfall ums Leben kam, dahinterstecken könnte. Für die Polizei ist der Fall schon fast bei den Akten, doch Kommissar Jo Sattler hat den Verdacht, dass mehr dahinter steckt. Mit Harald Quelora und dessen scheinbar übernatürlichen Kräften geht er dem Fall weiter nach und schon schnell treffen sie auf Ungereimtheiten und einen unerkannten Informanten, der sie nach Südafrika führt, wo sie statt eines entspannenden Urlaubs in Lebensgefahr geraten.


Die Grundkonstellation des Falls hat mir gut gefallen, ein spannendes Thema und glaubwürdig gestrickt. Leider fand ich die Lösung nicht ganz so spannend, weder haben mich die Figuren mit ihren seltsam motivierten Handlungen angesprochen noch kann ich mit den übersinnlichen Kräften und unzähligen Zufällen viel anfangen. Das war für meinen Geschmack zu viel, um glaubwürdig zu sein. Der Schreibstil ist ansprechend, weshalb sich der Krimi auch relativ flott durchlesen lässt.

Freitag, 11. April 2014

Bernhard Aichner - Totenfrau

Eine Kindheit gibt es nicht für sie. Die Eltern zwingen sie im Betrieb mit zu helfen. Sie sind Bestatter, aber das stört nicht. Tote sind für sie mehr Trost als beängstigend. Doch ihre Chance auf Rache kommt und so wird sie frei und findet auch noch in Mark den Mann ihres Lebens. Jahre voller Freude und ungeahntem Glück - doch dies findet ein jähes Ende. Ein vermeintlicher Unfall entpuppt sich als Mord und sie nimmt Rache. Nicht nur für ihren Mann, sondern auch für die obdachlose Dunja, der Mark helfen wollte, um ihre Peiniger zu Rechenschaft zu ziehen.

Das Buch hält den Leser in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen Entsetzen ob der geschilderten Grausamkeiten und andererseits Verständnis für das Handeln der Figuren. Die Protagonistin Blum macht es einem nicht leicht, will man doch Sympathie für sie empfinden und wird dann doch wieder abgestoßen. Die Suche nach Dunjas Vergewaltigern und Marks Mörder hält die Spannung lange oben, gegen Ende wird jedoch sehr absehbar, wer der Drahtzieher ist und  leider wird ein letzter Schlenker nicht genutzt, den Leser wirklich zu überraschen. Der Schreibstil ist fesselnd und lässt den Leser immer weiter in die Handlung versinken. Die Gestaltung des Buchs ist möchte ich ausnahmsweise hervorheben, denn wenn man nämlich von dem Umschlag absieht, ist es ein ausgesprochen hübsch gestaltetes Werk, was eine besondere Erwähnung verdient hat.

Fazit: Gelungene Unterhaltung aus nicht alltäglicher Perspektive.

Mittwoch, 9. April 2014

Alexander Bálly - Der Tote am Maibaum

Aufgehängt, mitten im Ort und auch noch gut sichtbar - so hängt er da, der Bauunternehmer Brunnrieder und im bayrischen Dörfchen Wolznach geht die Spekulation los, wer der Täter sein könnte. Ein Konkurrent aus dem Schießverein, die Geliebte oder die Ehefrau, ein Bauer, dem gerade ein großes Geschäft durch die Lappen ging? Die Polizei verfolgt jede Spur, doch ist sie dabei weniger erfolgreich als der Metzgermeister Wimmer, der frisch im Ruhestand zusammen mit Enkelin Anna ein neues Betätigungsfeld gefunden hat. Mit Cleverness und Humor nehmen sie eigene Ermittlungen auf und kommen so mancher Ungereimtheit bald auf die Spur.

Der Krimi besticht durch sympathische Protagonisten, die weder Überhelden sind noch sonst über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen, was sie nicht nur authentisch wirken, sondern schnell den Leser für sich gewinnen lässt. Mit einer großen Portion Humor wird die Geschichte verfolgt, die eine oder andere Windung und falsche Fährte ist auch dabei, bevor es zu einem glaubwürdigen, sauberen Ende ohne Kommissar Zufall kommt. Die lokale Einbettung ist ebenfalls gut gelungen, mit einem etwas geglätteten Dialekt fühlt man sich förmlich im Dort dabei.

Alles in allem ein runder Krimi mit humoristisch unterhaltsamer Note, überzeugend nicht durch die ganz große Spannung, sondern durch Erzählweise und Figuren.

Sonntag, 6. April 2014

Claudia Rapp - Zweiundvierzig

Ein Freitag im Winter, kurz vor Weihnachten. An der Uni ist nicht mehr viel los, nur ein paar Studenten arbeiten noch, wenig wissenschaftliches Personal und ein Blockseminar tagt als plötzlich das Licht ausgeht. Der Strom scheint ausgefallen, doch eine Durchsage erklärt den verschreckten Akademikern, dass sie gefangen und alle Ausgänge mit Sprengstoff gesichert sind. Dies stellt sich schnell als korrekt heraus. Die zusammengewürfelte Zwangsgemeinschaft muss in dieser Extremsituation die Nerven behalten. Zwei Austauschstudenten können sich kaum verständigen, eine paar Jurastudenten machen zunächst och Witze, die reflektierte Kristin ist immer mehr genervt, kann sich aber besser als andere kontrollieren und mit dem Hausmeister für Ordnung sorgen. Ein von einem Schlaganfall getroffener Professor kam offenbar von draußen - doch er kann sich nicht verständig machen. Es muss einen Weg hinaus geben. Doch sie ahnen noch nicht, dass der Feind auch unter ihnen ist.

Das Buch braucht ein wenig, bis es Fahrt aufnimmt. Die Einführung der Figuren bleibt sehr distanziert, sie können nicht packen. Als die unmittelbare Bedrohung jedoch dargelegt ist, entwickeln sich ungeahnte Stärke und gewinnen mehr und mehr an Profil. Die gruppendynamischen Prozesse dieser Gewaltsituation sind glaubwürdig dargestellt, auch die Handlungen der einzelnen Gefangenen wirken authentisch und überzeugend. Die Grenze zwischen Bangen und Hoffen lässt die Nerven flattern, was sowohl in der Geschichte wie auch beim Leser ankommt. Das Ende ist ebenfalls überzeugend konstruiert und kommt nicht zufällig daher. Auf knapp 170 Seiten schließlich doch gelungene Thriller-Spannung.

Samstag, 5. April 2014

John LeCarré - Die Libelle

Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis eskaliert. Überall in Europa explodieren Bomben in Villen- und Diplomatenvierteln. Eine palästinensische Terrorgruppe bekennt sich zu den Attentaten und Israel ist in Zugzwang. Die britische Schauspielerin Charlie soll als Geheimagentin eingesetzt werden. Was die junge Frau zunächst als Rolle ihres Lebens empfindet wird bitterer Ernst, als sie zwischen die Räder der Geheimdienste gerät und schon bald selbst kaum mehr unterscheiden kann, wem sie trauen kann und was Realität und was Fiktion ist.

Ein klassischer Spionagekrimi. Man merkt LeCarrés Erfahrung als Agent in jedem Moment, als Insider kann er über Vorgehensweisen und Manipulationen berichten wie kein anderer. Für mich auch wieder einmal erfrischend in all der Krimiflut: ganz ohne großen technischen Schnickschnack, ohne Internet und nerdige Programmierer wird ein erstklassiger Krimi erzählt. LeCarré bleibt in seinem Genre einfach einer der besten.

Daniel Friedman - Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten

Buck Schatz, mit 87 Jahren immer noch rüstig genug, um seinen Mitmenschen mit seinen scherzhaft bis zynischen Kommentaren auf die Nerven zu fallen, wird ans Totenbett eines alten Kriegsfreundes gerufen. Dieser will in letzter Minute noch ein Geheimnis loswerden: er hat einen hohen Nazioffizier gegen Ende des Krieges mit sehr viel Gold und einer falschen Identität laufen lassen. Entgegen anderer Meldungen ist dieser nicht ums Leben gekommen, sondern fristet ein gemütliches Dasein und Buck soll 65 Jahre nach dem Krieg Rache nehmen. Zunächst lehnt der ehemalige Polizist dies ab, aber seine Neugier ist doch geweckt und gemeinsam mit seinem Enkel Tequila begibt er sich auf Verbrecherjagd. Doch bald schon pflastern Leichen ihren Weg - nur wer ist ihnen auf den Fersen und tötet jeden, der etwas über den Nazischatz wissen könnte?

Buck Schatz hat durchaus einige witzige Kommentare, doch über weite Strecken war er für mich sehr anstrengend, erst gegen Ende wird der Zynismus deutlich zurückgefahren und die Handlung tritt in den Vordergrund. Insgesamt zwar unterhaltsam, wenn auch nur begrenzt glaubwürdig, was dieser doch sehr alte Herr noch alles bewerkstelligen soll. Etwas nervig für mein Empfinden, die Darstellung seines Wissens um moderne Medien, hier hat der Autor doch im Ton neben die Unwissenheit gegriffen und lässt ihn oftmals einfach dumm erscheinen, was zur restlichen Darstellung der Figur so gar nicht stimmig ist. Ebenso sind die Witze um Tequilas Namen irgendwann nicht mehr zum Schmunzeln, sondern nur noch ermüdend. Schade auch, dass man sich bezüglich des deutschen  Titels an den Jonas Jonasson Hype geklettet hat - völlig unpassender Weise. Zwar gibt es hier auch einen rüstigen Rentner, beide Romane könnten aber kaum weiter voneinander entfernt sein, insofern finde ich das schon ein wenig irreführend.

Fazit: nette Unterhaltung, hat sprachlich nicht ganz meinen Geschmack getroffen, ich hatte schlichtweg mehr oder anderes erwartet.

Donnerstag, 3. April 2014

Sasa Stanisic - Vor dem Fest (Hörbuch)

Fürstenfelde in der Uckermark. Das jährliche Dorffest steht an und in der Nacht davor sind die Bewohner des von der Welt abgeschnittenen Dörfchens auf den Beinen. Ein Schramm, ehemaliger NVA Oberst will seinem Leben ein Ende setzen, die junge Anna erleidet beim Joggen einen Asthmaanfall, Frau Kranz will das Dorf bei Nacht malen und unzählige andere bereiten sich auf den großen Tag vor. In das Geschehen verwebt sich die Historie, die Mythen und Sagen, die dem Dorf sein ganz eigenes Gesicht geben.


Stansic zeichnet eine Momentaufnahme einer Gruppe von Bewohnern, die quasi überall in Deutschland zu Hause sein könnten. Persönliche Schicksale, die sich mit der Umgebung verbinden und durch sie bestimmt werden. Keine große Handlung, darum geht es hier nicht, sondern das Dasein an genau diesem Tag in seiner historischen nicht-Bedeutung, mal verzweifelt, mal depressiv, manchmal noch hoffnungsvoll, meist wenig vom Leben erwartend – so ist das ländliche Deutschland nun einmal und Sasa Stanisic hat es eingefangen. Die Hörversion vom Autor selbst gelesen hätte ein wenig mehr Modulation vertragen können, nichtsdestotrotz bringt sie ungefiltert vielleicht gerade darum das Banal-Alltägliche an einem außergewöhnlichen Tag hervor.
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