Dienstag, 18. Dezember 2012

Volker Kutscher - Die Akte Vaterland


Berlin im Sommer 1932. Kommissar Gereon Rath bekommt es mit einem seltsamen Fall zu tun: im Vaterland, einem Vergnügungstempel, wird ein Spirituosenlieferant tot in einem Aufzug gefunden. Nicht nur die Frage, weshalb der Mann ums Leben kam, sondern auch die Frage, weshalb auf so kuriose Weise - er wurde ertränkt - stellt die Polizei vor ein großes Fragezeichen.

Doch nicht nur beruflich ist der Kommissar gefordert. Nach mehrmonatiger Trennung erwartet er seine Geliebte Charly zurück in der Stadt und möchte ihr endlich einen Heiratsantrag machen. Die überschwängliche Freude, die er von ihr beim Wiedersehen erwartet hat, bleibt aus, so geht die Beziehung eher holprig dahin und wird zusätzlich durch Charlys Anfang in Raths Abteilung der Polizei belastet.

Die Ermittlungen gehen in vielfältige Richtungen, bald schon zeigt sich, dass es keine Einzeltat war, sondern quer übers Land Männer auf dieselbe Weise ums Leben kamen. Die Spur führt in die Vergangenheit und in die Masuren. Dort ist man wenig erfreut über die Präsenz der Berliner Polizei - obwohl man sehr bemüht ist, die Loyalität und Verbundenheit zum geliebten Vaterland zu demonstrieren. Rath muss nicht nur Dienstvorschriften und Vorgesetzte ignorieren, um den Fall zu lösen, sondern riskiert gleich mehrfach sein Leben - und seine Zukunft mit Charly.
Der Mordfall ist gut konstruiert und lässt bis zum Ende Spielraum für Spekulationen. Nur nach und nach lüftet sich das Rätsel und das Ausmaß der Verstrickung wird deutlich. Allerdings hat das Buch viele Längen, bei denen man den Eindruck hat, dass die Handlung über 50 Seiten nicht vorankommt und auch die Entwicklung der Figuren nicht zur Unterhaltung beiträgt. Diese bleiben über weite Strecken unsympathisch. Die Arroganz Raths ist schier unerträglich, seine Verachtung für die Bewohner der Masuren und die Annahme, dass diese pauschal und ausnahmslos dumm sind als Landbewohner, ist auch im Kontext der Zeit weder akzeptabel noch für einen Leser erträglich. Sein mangelndes Feingefühl im Umgang mit all seinen Mitmenschen macht das Buch so manches Mal zu einer Zumutung. Seine Verlobte Charly gleicht das leider auch nicht aus. Einerseits würde sie gerne große Kommissarin spielen, gleichzeitig verfügt sie über gar kein Rückgrat, und beste Anlagen das Heimchen am Herd zu werden. Sie zieht sich lieber darauf zurück zu schmollen oder zu heulen statt ihre Position klar zu machen. Im Beruf noch verständlich, im Privatleben für eine Frau, die zunächst als emanzipierter Charakter vorgestellt wird, irgendwo zwischen verwunderlich und nervig. Das restliche Figurenpersonal besticht auch eher durch disqualifizierendes Verhalten, so dass am Ende kein einziger Sympathieträger bleibt und man eher desinteressiert an deren Ausgang wird.

Am Ende bleibt Enttäuschung. Ich hatte mir viel mehr von dem Buch erwartet. Weder die Handlung noch die Figuren konnten mich fesseln, so dass ich das Lesen eher als müßig empfand. Aufgrund des Settings hatte ich eine politischere Einbettung erwartet, das blieb jedoch immer am Rand und unbedeutend. Möglicherweise war es ein Fehler, Band 4 der Reihe ohne die Vorgängerbände zu lesen. Die Bezüge zu älteren Fälle, die am Ende gezogen werden, bleiben völlig unklar und das seltsame Verhältnis von Rath und Charly erklärt sich in diesem Band auch nicht. Viele Handlungsstränge bleiben zwischendurch auf der Strecke und werden völlig vergessen, was ich unbefriedigend finde. 

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