Mittwoch, 31. Oktober 2012

Reiner Neumann - Die Macht der Macht

"Macht ist immer und überall" schreibt Reiner Neumann in der Einleitung. Zu Hause, im Beruf, in jeder Form von Gruppe, überall im Alltag, von der Politesse über den Finanzbeamten bis hin zur Putzfrau - ständig sind wir mit Fragen von Macht und Ohnmacht konfrontiert. In elf Kapiteln beleuchtet Neumann das Thema von nahezu allen Seiten: Charisma, Sprache, Symbole und Beziehungen sind nur einige der Aspekte, die der Autor näher erläutert bevor er im abschließenden Abschnitt zu dem wesentlichen Punkt "Macht und Karriere" kommt.

Wissenschaftlich fundiert, mit vielen z.T. bekannten und prominenten Beispielen bringt Neumann dem Leser das komplexe Thema Macht näher. In Stichworten oder kurzen Phrasen werden am Ende des jeweiligen Abschnitts die wichtigsten Punkte zusammengefasst. Ganz konkrete Tipps für den Leser machen das Buch zu einem nicht nur informativen, sondern auch nützlichen Werk. Er warnt vor falschen Schlüssen und typischen Fehlern auf dem Weg nach oben. Sehr konkret ist das letzte Kapitel auch darauf ausgerichtet und liefert zahlreiche praktische und lebensname Hinweise.

Der Sprachstil ist angenehm zwischen unterhaltsam und doch nicht zu oberflächlich. So viele Beispiele wie nötig, um das Gesagte zu verdeutlichen, ohne aber in Längen zu verfallen, auf den Punkt gerichtet und auf das Wesentliche beschränkt verzichtet Neumann auf jede Form von Selbstdarstellung und Abseitsplauderei.

Informativ, in der Breite eine Zusammenfassung und Einführung in das Thema liefernd und mit vielen praktischen Tipps ein gelungenes Buch.

*****/5

Dienstag, 30. Oktober 2012

Helmut Barz - WestEnd Blues

Katharina Klein wird durch das Klingeln eines Handys geweckt: ihr Vorgesetzter. Sie ist einen Moment desorientiert. Wo ist sie aufgewacht - ach ja, der One-Night-Stand, weil sie sich irgendwie davon ablenken musst, dass sie zwei Männer getötet hat, nachdem diese ihren Partner niedergeschossen hatten. Dem schlechten Morgen sollen für die Hauptkommissarin noch mehr schlechte Neuigkeiten folgen. Nicht nur ist sie suspendiert und ein Verfahren mit dem Ziel sie für immer aus dem Dienst zu entfernen wird eröffnet, nein, ihre Nachbarin wurde tot aufgefunden und in Ermangelung eines Vaters muss sie Ersatzmutter für die vierjährige Laura spielen. Inoffiziell versucht sie nun den Mörder von Lauras Mutter zu finden und gleichzeitig ihre eigene Haut zu retten. Doktor Amendt wird ihr tatkräftig Unterstützung leisten, doch auch er muss gerade um seine berufliche Zukunft fürchten.

Der erste Band der Katharina-Klein Reihe, die in Frankfurt am Main angesiedelt ist und mit dezenten Hinweisen Seitenhiebe auf die hessische Metropole liefert, überzeugt. Eine spannende, durchaus komplexe Geschichte, deren Handlungsstränge geschickt verwoben werden und in rasantem Tempo voranschreiten. Die Charaktere sind ausgefallen und mit vielen interessanten Facetten ausgestattet. Es fehlen die klassischen, hunderte Mal gelesenen Züge der Ermittler, erfrischen neu kommen Katharina Klein und Andreas Amendt daher. Die Familiengeschichten der beiden lassen Raum für weitere Romane und können - neben dem aktuellen Fall - Lust auf mehr wecken.

Helmut Barz ist für mich auf dem Regionalkrimi-Markt eine echte Entdeckung. WestEnd Blues kann nicht nur überzeugen, sondern vor allem gut unterhalten. Ein echtes Lesevergnügen.

*****/5

Sonntag, 28. Oktober 2012

Donna Leon - Acqua Alta [Hörspiel]

Commissario Brunetti dieses Mal nicht nur im Regen, sondern auch noch im Acqua Alta - Hochwasserzeit in Venedig. Brett Lynch, amerikanische Archäologin und Expertin für chinesische Kunst wird zu hause von zwei Gorillas brutal zusammengeschlagen und gewarnt: sie solle Abstand von einem treffen mit dem Museumsdirektor Semenzato Abstand nehmen. Als dieser kurze Zeit später tot aufgefunden wird, ist klar, dass hier mehr dahintersteckt. Die Kollegen aus Rom bestätigen, dass es Unregelmäßigkeiten in der Kunstszene gibt. Während sich Brett noch um ihren guten Ruf und die Beziehungen zu China sorgt, planen dunkle Kräfte schon ihren Abgang - um sich selbst an edlen Vasen zu erfreuen.

Gewohnt legerer Brunetti, wieder einmal angesiedelt in den besseren Kreisen und mir Kunst und Kultur geschmückt.

****/5 (Hörspiel)

Daniela Böhle - Leichen im Keller [Hörspiel]

Daniela Böhle stellt uns in dem kurzen Hörspiel das Krankenhaus der Zukunft vor. Wer im Besitz einer Goldkarte ist, wird nicht nur bevorzugt behandelt, sondern bekommt sogar noch seine eigenen Röntgenbilder  und nicht irgendwelche aus dem Archiv zugeteilten. Mit etwas Glück reichen die Wertmarken noch für Bettpfanne und Schmerzmittel, sonst muss man eben warten, bis einem der nächste Besuch auslöst. Als medizinisches Personal finden sich willige und vor allem Billige Hilfskräfte, die mit virtueller Unterstützung Operationen durchführen. Da kann schon mal was daneben gehen, aber die Kollegen im Keller kümmern sich schon um die Entsorgung.

Eine bissige Komödie - oder eher Satire auf das heutige Gesundheitssystem und vermutlich realistischer als man sich das vorstellen und wünschen kann.

****/5 (Hörspiel)

Samstag, 27. Oktober 2012

Hans-Jürgen Heinicke - Was vom Leben übrig bleibt, kann alles weg

Das Cover des Buchs zeigt eine Straßenszene: diverse halbverpackte Möbel, ein Mann in zweckmäßiger Kleidung und ein Lieferwagen, indem diese Dinge gleich verschwinden werden. Was vom Leben übrig bleibt, kann alles weg. Fundstücke eines Wohungsauflösers. Hans-Jürgen Heinicke berichtet aus seinem Berufsleben - 30 Jahre professionelle Entrümpelung.

Nach einer kurzen  Einführung, die das eine oder andere seines Berufs erhellt und erläutert, wie eine Auflösung durch externes Personal vonstatten geht, taucht der Leser ein in verlassene Wohnungen. Ein reisebegeistertes Ehepaar, ein dekantener Steuerberater, eine berühmte Schauspielerin, Firmengründer, ganz verschiedene Wohnungen und Personen werden anhand ihres Nachlasses skizziert und wieder zum Leben erweckt. Die zum Teil unerwartet wertvollen, bisweilen aber auch nur für die Müllhalde tauglichen Gegenstände werden von Heinicke begutachtet. So mancher Schatz ist darunter, manchmal bleibt aber auch nur Entsorgungsarbeit.

Der Klappentext und der Inhalt des Buchs haben viel versprochen. Vieles ist auch sehr amüsant und spannend zu lesen. Neben den Wohnungsberichten schweift der Autor jedoch immer wieder auch lange aus und berichtet von seiner Lebensgeschichte und Nebenschauplätzen wie Trödelmärkten und polnischen Vertickungsmaschen. Auch fehlt mir ein vernünftiges Ende, das letzte Kapitel suggeriert zwar durch den Titel ein solches, bleibt es dann aber doch schuldig.

Der Schreibstil ist an sich ein angenehmer Plauderton, den man locker nebenbei wegliest. Vermutlich ist dies auch die Ursache für die fehlende Struktur des Buches und die ausufernden Nebengeschichten und Erinnerungen und Meinungen des Autors.

Mein Urteil fällt durchwachsen aus. Meine Erwartungen wurden nur zum Teil erfüllt. Zwar wurden ganz nette Episoden geschildert und das eine oder andere Erhellende des Berufs war auch dabei, aber einen nachhaltigen Eindruck könnte das Buch nicht hinterlassen.

**/5

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Lucy Clarke - Die Landkarte der Liebe

Katie wird mitten in der Nacht durch das Klingeln an der Tür geweckt. Zwei Polizisten stehen davor und haben eine schreckliche Nachricht für sie: ihre Schwester Mia, die seit Monaten mit ihrem besten Freund Finn auf Weltreise ist, hat sich in Bali von einem Felsen gestürzt. Nach dem Tod der Mutter wenige Monate zuvor ist Katie nun völlig allein auf der Welt.

Die junge Frau kann die polizeiliche Version vom Tod der Schwester nicht ganz glauben und nach kurzer Bedenkzeit entschließt sie sich, auf Basis des Reisetagebuchs aufzubrechen und auf den Spuren ihrer Schwester zu wandeln. Sie möchte nachvollziehen können, was diese in den letzten  Monaten erlebt hat und weshalb sie diesen Schritt getan hat.

Sie ahnt bereits beim Aufbruch, dass dies keine leichte Reise wird. Welche schrecklichen Erkenntnisse und Erfahrungen auf sie warten, ahnt sie jedoch nicht. Am Ende hat sie nicht nur Licht ins Dunkel  der letzten Stunden im Leben ihrer Schwester gebracht, sondern auch ihrem eigenen Leben eine völlig neue Wendung gegeben.

Das Cover des Buchs ist sehr kitschig, was mich vom Kauf eher abgeschreckt hätte. Der deutsche Titel ist völlig unpassend zum Inhalt und lenkt zusammen mit dem Cover klar in die Frauen-Schnulzen-Ecke. Das ist das Buch nicht. Es ist die Geschichte zweier sehr verschiedener Schwestern, voller nicht gesagter Dinge, Missverständnisse und später Reue. Ein wenig kitschig schon auch, gegen Ende etwas zu wenig gradlinig in der Handlung mit mehreren überflüssigen Schnörkeln und Nebensträngen.

Gut gefallen hat mir die zeitversetze abwechselnde Erzählperspektive zwischen den Schwestern. Sprachlich war das Buch nicht weiter bemerkenswert, das Erstlingswerk einer jungen Autorin erfüllt eher die Erwartungen. Die Geschichte an sich ist nicht uninteressant, auch die Tatsache, dass nach und nach immer mehr aufgeklärt wird und zugleich weitere Fragen aufgeworfen werden, hat die Spannung aufrechterhalten.

Die Charaktere waren leider vielfach etwas schablonenhaft und klischeebehaftet. An mancher Stelle fand ich auch das Verhalten nicht kohärent, bisweilen auch unlogisch. Gegen Ende verzettelt sich Clarke und trägt schlicht zu viel auf.

***/5

Sonntag, 21. Oktober 2012

Frida Mey - Manchmal muss es eben Mord sein

Elfie, Elfriede Ruhland, hat es sich zur Aufgabe gemacht, in der Welt für Ordnung zu sorgen. Als freelance Büro-Organisatorin übernimmt sie diese Aufgabe an verschiedensten orten, aktuell ist eine Versicherung ihr Auftraggeber. Aber auch das Zwischenmenschliche muss manchmal wieder geordnet werden, damit es allen gut geht und sich die Stimmung wieder hebt. Gelegentlich funktioniert das nebenbei - manchmal muss es eben Mord sein. Geschickt meistert sie die selbst auferlegte Aufgabe. Doch dieses Mal droht sie aufzufliegen, denn ihre Gegenspielerin, Kommissarin Alex von Lichtenstein, ist ihr auf den Versen. Und das obwohl ihr Privatleben gerade massiv durch Schwiegertante Lydia gestört wird.

Das Autorinnen-Duo Friedlind Lipsky und Ingeborg Struckmeyer haben versucht eine Verbindung zwischen Krimi und Komödie zu schaffen. Es ist ihnen gelungen. Neben den obligatorischen Mordfällen, die die Ermittlerin aufzuklären hat, kommt die Situationskomik nicht zu kurz und selbst die Figuren (sowohl die beiden Protagonistinnen wie auch die Nebenfiguren) werden liebevoll konstruiert und als interessante, bisweilen auch skurrile Charaktere gezeichnet.

Hoher Unterhaltungswert mit durchaus spannenden Krimielementen. Bleibt abzuwarten, wie sich die beiden Hauptfiguren weiterentwickeln.

*****/5

Samstag, 20. Oktober 2012

Rafik Schami - Eine Hand voller Sterne

Damaskus zu Zeiten politischer Unruhen und Umwälzungen. Ein Bäckersjunge beginnt in seinem 14. Lebensjahr damit, Tagebuch zu führen und aus seinem Alltag in Syrien zu berichten. Sein großer Traum ist es, eines Tages als Journalist zu arbeiten. Ein älterer Mann, der im selben Haus wohnt und den er Onkel Salim nennt, ist einer seiner Begleiter und weiser Ratgeber auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Sein Vater, zunächst wenig von dieser Idee angetan, nimmt ihn auch schon bald von der Schule, da er Hilfe in der Bäckerei braucht. Doch der Junge verfolgt sein Ziel weiterhin, kann eine Anstellung in einer Buchhandlung erhaschen und die ersten seiner Gedichte werden veröffentlicht. Durch die Bekanntschaft mit dem Journalisten Habib kommt er seinem großen Traum immer näher und muss doch auch lernen, dass er sich in der gegenwärtigen politischen Lage eine heikle Aufgabe gesucht hat.

Obwohl als Kinderbuch erschienen ist der fiktive Tagebuchbericht auch für Erwachsene interessant. Rafik Schami stellt sein Heimatland und seine Heimatstadt Damaskus, die er schon früh verlassen musste vor und entwirft ein bisweilen erschreckendes Bild des politischen Terrors. Die kindlichen Augen verstehen nicht alles, berichten aber trotzdem auf interessante Weise und erlauben Einblicke in den Alltag der Syrer - ein seit langen Zeiten gebeuteltes Volk.


*****/5

Ursula Waage - Kreuzwege am Oderstrom

Ursula Waage zeichnet in ihrer zeitgeschichtlichen Dokumentation ihren eigenen und den Lebensweg einer jungen Polin nach. beide wurden im selben Jahr - 1928 - geboren und haben nach durchaus glücklicher Kindheit die Wirren und Entbehrungen der Kriegsjahre und Naziherrschaft in Breslau erlebt. Erst Jahrzehnte nach Kriegsende wird durch eine Fernsehdokumentation die Parallelität sichtbar und die beiden Damen freunden sich an und tauschen ihr Schicksal aus.

Aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Gebieten des heutigen Polens stammend, verschlägt sie die Schreckensherrschaft in die gemeinsame lebensgefährliche Zwangsarbeit im Zentrum Breslaus - nichts von einander ahnend kämpfen die Mädchen in diesen und in den Folgejahren ums Überleben und um ihre Zukunft. Unterstützt mir diversen Realia zeichnet Ursula Waage dies nach und liefert einen eindrucksvollen Zeitzeugenbericht über die ostdeutsch-polnischen Kriegs- und Nachkriegsjahre.

Das Thema ist heute für mich relevanter denn je, denn endlich sind die Menschen in großem Stile mobil und zeigen auch das Interesse an den Nachbarvölkern im Osten - und das nicht nur, weil sie eine persönlich-familiäre Motivation dazu haben. Die Idee die Stadt oder besser den Fluss im Titel als verbindendes Glied zwischen den beiden Leben zu wählen, gefällt mir gut. Ein Dank an die Autorin, ihre Erfahrungen als Schatz an die jüngeren Generationen weiterzugeben. Das individuelle menschliche Schicksal ist häufig viel eindringlicher als faktische, historische Berichte.

Zwei Kritikpunkte gibt es für mich an diesem Büchlein. Insgesamt hätte ich mir einen ausgewogenen Bericht über beide Frauen gewünscht, Danuta kommt mir zu kurz, die zeit nach dem Krieg, der Wiederaufbau in Polen ist fast gänzlich ausgeblendet. Zum zweiten ist mir die Distanz zwischen der Erzählung und den Personen oft zu groß. Gemessen an den Erlebnissen, hätte es für mich etwas mehr Emotion und genauere Schilderung sein dürfen. Beide Punkte schmälern aber das Buch in seiner Aussage und historischen Relevanz.

****/5 (Sachbuch)


Freitag, 19. Oktober 2012

Christoph Koch - sternhagelglücklich

Christoph Koch begibt sich auf die Reise ins Land der Glückseligkeit - zumindest wird er sich 12 Monate lang intensiv damit beschäftigen, wie man glücklich(er) wird. Das Buch ist eine Dokumentation seines Selbstversuchs unterfüttert mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und einer ganzen Reihe von Alltags-Anekdoten und Überlegungen.  Vom Lachyoga über ehrenamtliches Engagement, von Heirat bis zum Guerrilla Gardening und Gesangsunterricht stellt er sich mutig noch so absurden Herausforderungen, um auf der Glücklichkeitsskala nach oben zu klettern. Auch wenn ich das Fazit hier vorwegnehme: er ist erfolgreich bei seinem Versuch.

Bei einem Sachbuch ist die Bewertung schwieriger als bei einem Roman. Daher möchte ich einzelne Aspekte bewerten:

Unterhaltungswert: 5/5 Punkte
Das Buch ist unterhaltsam und interessant zu lesen und man ist fast zu schnell durch.

Erkenntnisgewinn: 3/5
Vieles wusste ich bereits, es war nur im Ansatz neu. Manches halte ich für kolossalen Humbug.

Nützlichkeit: 4/5
Ich war nicht wirklich auf der Suche nach einem Ratgeber, es werden aber durchaus auch einige konkrete Tipps genannt, die zu mehr Zufriedenheit im Alltag führen können und direkt umsetzbar sind.

Mirjam Pressler - Ein Buch für Hanna

Mirjam Pressler zeichnet den Lebensweg von Hanna nach. Angelehnt an wahre Begebenheiten wird die Geschichte eines jungen, jüdischen Leipziger Mädchens erzählt, die sich mit ihren Freundinnen noch kurz vor den exzessiven Gewaltausbrüchen der Nazis nach Dänemark retten kann. Lebt sie zunächst in einer Art Sommercamp, wo sie trotz der Trennung von der Mutter fast ausgelassen den Sommer genießen kann, wird sie im Anschluss bei einer wohlhabenden Kopenhagener Familie untergebracht, die sie fast wie eine ihrer Töchter behandeln. Die Lage spitzt sich auch in Dänemark immer weiter zu, so dass die Freundinnen schon bald die Stadt verlassen müssen und aufs Land zu Familien ziehen. Da Leben dort ist hart und anstrengend, doch auch hier gelingt es Hanna und ihrer besten Freundin Mira das Beste daraus zu machen. Mit dem Angriff auf das Nachbarland hat das Naziregime auch dort die Situation für die jüdische Bevölkerung unmöglich gemacht und unausweichlich fallen die Mädchen den Soldaten schließlich in die Hände und werden nach Theresienstadt gebracht. Für manche die letzte Station ihres jungen, permanent von Flucht und Angst geprägten Lebens.

Die Lebensgeschichte Hannas, sicherlich beispielhaft für viele der damaligen Zeit, geht dem Leser sehr nah. Die Beschreibungen in Theresienstadt sind unglaublich und erschreckend. Schön zu wissen, dass es trotz allem aber auch positive Momente und Erfahrungen gab, die jedoch vielfach in den Personen selbst begründet liegen. Ein nachdenklich Stimmendes Zeugnis der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte.

*****/5

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Yasmina Khadra - Les sirènes de Bagdad

Les sirènes de Bagdad ist der dritte und abschließende Teil von Khadras Serie zum Dialog zwischen Orient und Okzident, die Vorgänger sind Les hirondelles de Kaboul und L'attentat. Dieses Mal ist die Geschichte im Irak zu Zeiten der amerikanischen Angriffe nach der Jahrtausendwende angesiedelt. Der eigentlichen Geschichte ist ein Prolog vorangestellt, in dem wir den Ich-Erzähler erleben, der la plus grande opération jamais observée en terre ennemie plant. In der Folge blickt er zurück und legt erzählerisch dar, wie aus einem jungen optimistischen Studenten mit großer Zukunftsplänen ein lebensverneinender Gotteskrieger werden konnte.

Wie auch in den ersten beiden Bänden erzählt Khadra eine intensive, traurige Geschichte, die dem Leser aus dem Westen eine völlig neue Welt eröffnet. Das Leben und die Perspektive der irakischen Bevölkerung im Kriegszustand, die kleinen Bausteine, die zu Frustration und Hass führen, die Verzweiflung und Aussichtslosigkeit sind erdrückend. Auch wenn eine fiktive Geschichte erzählt wird, ist es doch so realistisch, dass man nur mit Verständnis auf vieles reagieren kann, was wir in Westeuropa aus der gegnerischen Perspektive aus den Nachrichten kennen.

Khadra ist für mich schon lange die Entdeckung wenn es um Literatur aus dem arabischen Raum geht. Den Titel als Vermittler zwischen den Kulturen hat er als in französischer Sprache schreibender Algerier zu hundert Prozent verdient.

*****/5

Sonntag, 14. Oktober 2012

Michael Butt - The Moscow Prodigal [Hörspiel]

Nach 10 Jahren in England kehr Vasily in seine Heimatstadt Moskau zurück. Ein neues Leben will er sich aufbauen und Erfolg haben. Sein alter Freund Andrei, den er zufällig trifft und dessen Auftreten für ein gewisses Maß an Reichtum und Einfluss spricht, soll ihm dabei helfen. Angezogen von dem schnellen Geld verfolgt er die Idee, die Wohnung seiner Mutter zu verkaufen, beste Lage im Zentrum der Stadt, da ist einiges zu holen. Auf die Warnungen seines Bruders Sasha hört er dabei nicht und muss lernen, dass sich in seiner Heimat einiges verändert hat und der Wert eines Menschenlebens in Russland nicht sehr hoch ist.

Michael Butt zeichnet ein sehr negatives Bild Russlands. Korruption, Mord, Bandenwirtschaft und der nackte Kampf ums Überleben bestimmen den Alltag der Menschen. Die Gier nach Geld macht weder halt vor Freundschaft noch vor der eigenen Familie.

*****/5 (Hörspiel)

Samstag, 13. Oktober 2012

Bianka Minte-König - Milas Ferientagebuch: Paris

Freundin Hanna wird von den Eltern ihres Freundes Gerard nach Paris eingeladen. Ihre eigenen Eltern sind davon jedoch nicht sehr erbaut, also schlägt
Mila vor, sie als Anstands-Wauwau zu begleiten und schon sind die beiden Teenager im Flieger um zwei Wochen lang die Stadt der Liebe zu erobern. In ihrem Tagebuch hält Mila fest, was sie besichtigen, was sie über Land und Leute erfährt und natürlich muss es in Paris auch ein wenig knistern - dabei hat Mila doch ihren Freund Markus in Deutschland! 14 ereignisreiche Tage für die beiden Mädchen mit den beiden unterhaltsamen Franzosen Gerard und seinem Bruder Philippe.

Ein Jugendbuch, das sicherlich bei den jungen Mädchen gut ankommt. Es hat von allem etwas: ein bisschen Liebe, ein bisschen fremde Stadt und viel aufregendes Neues. Der Tagebuchstil erlaubt es die Sprache etwas salopp zu gebrauchen und so der Zielgruppe recht nah zu kommen. Da stört es insgesamt auch nicht wirklich, dass die Handlung (insb. die besuchten Nachtclubs) vielleicht etwas überzogen ist - Mädchen wollen ja träumen.

Zwei kleine Punktabzüge gibt es aber von mir doch: die Fehler im Französischen haben mich gestört und manchmal kommt das Buch etwas oberlehrerhaft daher, fast als wenn man mit der Schule zum Zwangsausflug unterwegs wäre und der Pauker einem Kultur einflößt.

Alles in allem: unterhaltsame Jugendlektüre.

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Angela S. Choi - Hello Kitty muss sterben

Fiona Yu, 28, Anwältin chinesischer Herkunft. Lebt immer noch bei ihren Eltern in San Francisco. Denn wie jedes gute chinesische Mädchen wird sie erst ausziehen, wenn sie heiratet. Dafür wird es jetzt endlich Zeit, ebenso für Kinder - finden ihre Eltern und arrangieren geschwind ein Date. Fiona hat derweil ganz andere Pläne und Sorgen. Immer noch Jungfrau will sie die Dinge nach einer gescheiterten Entjungferung selbst in die Hand nehmen. Doch das bereut sie schnell und wie es der Zufall will trifft sie bei dem Hymenrekonstruktionsspezialisten auf ihren alten Schulfreund Sean. Die beiden haben schlicht keine Lust auf ein angepasstes Leben oder sich selbiges von irgendwem verderben zu lassen. Wer ihnen in den Weg kommt, wir diskret beseitigt.

Ein skurriles Buch. Der Wunsch nach Ausbruch aus der chinesischen Tradition ist ja noch nachvollziehbar. Dass dies gleich in derartige Gewaltexszessen enden muss, ist sicherlich etwas over the top. Nüchtern betrachtet schier unerträglich, aber mit so viel Witz und Biss erzählt, dass man fast Verständnis für Fiona entwickelt. Der Stil macht hier das Buch aus.

Unterhaltsam, wenn auch absurd und sicherlich auch mit nicht wenig Verbitterung der Autorin erzählt. Dass sie Hello Kitty, das Synonym für das angepasste immer lächelnde chinesische Mädchen, in sich endlich loswerden will, ist ein berechtigter Wunsch.
****/5

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Patricia Brooks - Stella und der Koch (Hörspiel)

Stella und Paul beim Frühstück. Seit 16 Jahren sind sie glücklich verheiratet, er in seinen Bürojob viel eingebunden, sie zu Hause. Seit einigen Monaten ist die Harmonie jedoch etwas gestört, weil Stella schon am frühen Morgen den Fernseher einschaltet, um einem Fernsehkoch bei der Arbeit zuzusehen. Paul ist davon genervt, ahnt jedoch nicht, was es mit dem Koch auf sich hat. Stella hat ihn durch Zufall entdeckt und trotz all der Jahre, die zwischen damals und heute liegen, sofort wiedererkannt. Sie hält Zwiegespräch mit ihm und forscht immer weiter in seinem Leben nach...

Die Geschichte entfaltet sich extrem langsam, was sie bisweilen etwas langatmig macht. Erst spät nimmt sie Fahrt auf und man durchschaut Stellas Absichten.

***/5 (Hörspiel)

Montag, 8. Oktober 2012

Martin Walker - Grand Cru

Bruno, chef de police von Saint-Denis, ist wieder da. In seinem zweiten Fall hat er es gleich mit mehreren verschiedenen Problemen zu tun: ein Institut, das mit gentechnisch veränderten Pflanzen experimentiert wird Opfer eines Anschlags. Stecken militante Gentechnik-Gegner dahinter? Ein amerikanischer Investor möchte weite teile des Dorfes aufkaufen, um dort seinen eigenen Wein anzubauen und zu vermarkte. Dann geschieht auch noch ein Doppelmord. War dahinter Berechnung? Bruno muss derweil auch seine Beziehung zu Isabelle überdenken und eine Entscheidung zwischen Liebe zu einer Frau der Liebe zum Land treffen.

Der Roman will zu viel. Moralisch diskussionswürdige Großthemen wie Gentechnik in der Landwirtschaft und die Veränderungen (positiver wie negativer Art) durch ausländische Investoren sind neben einer Liebesgeschichte und einem Kriminalfall einfach zu viel für das kleine Büchlein. Mit dem Ergebnis, dass alles nur halb angerissen und wieder vergessen wird. Hätte Walker sich auf weniger beschränkt, die Geschichte stringenter erzählt und nicht zig Nebenschauplätze aufgemacht - die bisweilen völlig überflüssig waren - hätte ein nettes Büchlein daraus werden können. Die letzten 100 Seiten waren für mich schon fast eine Qual und die Auflösung (man hat ja einiges schon geahnt) dann auch noch völlig übertrieben.

**/5

Sonntag, 7. Oktober 2012

Maxim Gorki - Warenka Olessowa (Hörspiel)

Russland gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Der junge Dozent Ippolit Sergejewitsch wurde gerade als Dozent einer Universität ernannt und möchte vor Semesterbeginn noch ein paar ruhige Tage bei seiner Schwester Elisabetha auf dem Land verbringen. Elisabethas Mann ist gerade gestorben, doch statt sie betrübt und in Trauer vorzufinden, ist sie gerade zu heiter und erleichtert. Wie sich herausstellt war ihr Mann ein Ekel und sie ist froh, ihn endlich los zu sein. Auch für ihren Bruder hat sie sich etwas ausgedacht: die lebenslustige Warenka Olessowa könnte die passende Frau für den Intellektuellen sein. Die Tochter des Oberst fordert all seine Energie, mit ihrer ungestümen Art und ihren seltsamen Ansichten beschäftigt sie ihn den ganzen Tag.

Gorki kontrastiert in den Figuren Warenkas die noch im Zarenreich existente russische Oberschicht, die ihre Angestellten und bauern gar nicht erst als Menschen wahrnimmt. Warenka findet es auch völlig normal sie auszupeitschen, wenn  sie ihre Arbeit nicht zu ihrer Zufriedenheit erledigen. Ippolit vertritt eher die sich später  verbreitenden kommunistischen Ansichten unter der Maxime der Gleichheit und des Werts aller. Mit Elisabetha wird die Rolle der Frau - muss sie sich unterwerfen? Inwieweit kann und darf sie über ihr Leben selbst bestimmen? - in Frage gestellt.

Eine kurze Geschichte, die doch die essentiellen politischen und gesellschaftlichen Fragen eines untergehenden Reiches ausbreitet.

****/5 (Hörspiel)

Freitag, 5. Oktober 2012

Elizabeth Wurtzel - Prozac Nation/Verdammt schöne Welt

Elizabeth Wurtzel berichtet von ihrem Leben mit der Depression. Sie zeichnet ihre (noch) glückliche Kindheit nach bis plötzlich während der Pubertät ihr Leben aus den Fugen gerät und auf zunächst unerklärliche Weise Trägheit, Antriebslosigkeit, Weinkrämpfe, Angstzustände und Panik ihren Tagesablauf bestimmen. Eine Odysse zwischen Unverständnis ihres Umfelds und der Familie, verschiedenen Psychologen und Psychiatern, diversen Medikamenten und Therapien beginnt. Jedoch tritt keine Besserung ein. Bis sie ganz am Ende ist und jede Form von Lebenswillen verloren hat - die junge, talentierte und auch erfolgreiche Frau. In ihrem Fall kommt zum richtigen Zeitpunkt Prozac auf den Markt, was ihr ein relativ normales Leben mit Auf und Ab in erträglichen Dosen ermöglicht.

Das Buch lässt einem sehr intensiv nachvollziehen, wie es Menschen mit dieser Krankheit geht. Warum "sich einfach mal zusammenreißen" oder "aufraffen" eben nicht funktionieren kann. Eine schonungslose Abrechung mit sich selbst, der eigenen Familie, den Ärzten, aber auch der Gesellschaft und ihrem Umgang sowohl mit der Krankheit Depression, aber auch mit der inzwischen inflationären Verschreibungspraxis von Psychopharmaka.

Unbedingt empfehlenswert für alle, die Verständnis für das entwickeln wollen, was in depressiven Menschen vor sich geht. Und ein klares Zeichen für alle, die mal ein wenig durchhängen und sich selbst bemitleiden. Wer das Leid von Elizabeth Wurtzel gelesen hat, merkt, wie gut es einem geht und wie wenig krank man ist. Glücklicherweise.

*****/5

Dirk Schmidt - Baginsky (Radiotatort)

Latotzke kommt aus dem Urlaub zurück und erkundigt sich, was aus dem Fall Baginsky geworden ist. Schnell schwant den Ermittlern Schreckliches: der Mord ist einfach untergegangen und in den drei Woche, die seither vergangen sind, hat sich schlichtweg keiner gekümmert. Dass bei den Ermittlern in Hamm nicht alles rund läuft, hat auch die presse schon bemerkt und Journalist Raij ist der Sache auf der Spur. Das Team steht unter Druck und die Tatsache, dass alle sich über Baginskys Tod freuen - insbesondere seine Ehefrau, die direkt eine große Party wirft - erleichtert die Untersuchungen nicht.

Ein Radiotatort wie man ihn sich wünscht: ein Mord, der nebenbei aufgeklärt wird, skurrile Ermittler mit viel Persönlichkeit, eine eindeutige regionale Verortung des Geschehens und der Personen. Unterhaltung auf höchstem Niveau. Das Fernsehen sollte sich davon eine Scheibe abschneiden!

*****/5 (Hörspiel)

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Eva Maria Mudrich - Das Experiment (Hörspiel)

Ein anonymer Brief eines Anwalt erreicht eine Sendeanstalt. Dabei sind eine Kassette sowie ein weiteres Schreiben mit Erläuterungen. Einige Zeit zuvor hat ihn eine Hotelbesitzerin aufgesucht, die einen sonderbaren Gast für längere Zeit beherbergte. Dieser Gast hat versucht sich das Leben zu nehmen und als einige Erläuterung bleiben die Kassette und der Brief. Der gast war Arzt und wurde zu einem Patienten gerufen, der offenbar unmittelbar zuvor gestorben war. Nach und nach wird die Geschichte zweier älterer Männer aufgedröselt, die ein seltsames Experiment wagen: ihre telepathischen Fähigkeiten haben sie über längere Zeit trainiert und nun wird einer aus dem Leben gehen und dem anderen auf diese Weise mitteilen, was er direkt nach Eintretend es Herztods erlebt.

Spannend, verstörend und gut gemacht.

****/5 (Hörspiel)

Anne Holt - Der norwegische Gast

Norwegen im tiefen Winter. Ein Orkan sorgt für ein schlimmes Wetterchaos und unglückliche Umstände lassen einen voll besetzten Zug nahe dem Bergdorf Finse entgleisen. Trotz der widrigen Umstände haben die Reisenden Glück: schnell sind Retter vor Ort und in einem Hotel findet die Gruppe Unterschlupf. Die einzige Gemeinsamkeit ist der Schicksalsschlag, ansonsten könnte die zwangsvereinte Gruppe kaum unterschiedlicher sein: eine Reihe von Ärzten, die zu einem Kongress wollte, mehrere Pastoren,  eine Mädchen-Handballgruppe, hochindividualistische Jugendliche und auch ein ausländisches Ehepaar. Auch Hanne Wilhelmsen muss sich mit der Situation abfinden. Nach einem Einsatz querschnittsgelähmt lebt die ehemalige Polizistin eher zurückgezogen und meidet fremde Menschen.

Nach der ersten Erleichterung und Freude über den doch glimpflichen Verlauf wird die Stimmung schnell durch den Mord an einem landesweit bekannten Pastor getrübt. Zudem stellt sich den Gästen die Frage, was oder eher wer sich im letzten Wagen des Zugs befand, der offenbar als erster geborgen wurde und jetzt samt Wachen im obersten Stockwerk residiert. Mit zunehmendem Schnee und Orkan wird die Lage kritischer. Hanne muss wohl oder übel ermitteln - doch als ein zweiter Mord geschieht, verliert auch sie langsam die Ruhe.

Das Setting ist spannend: eine unfreiwillig eingeschlossene Menschenmenge und ein Mord bzw. zwei Morde. Interessante, undurchschaubare Charaktere mit Vorgeschichten. Auch die spannende Nebenhandlung - wer war der norwegische Gast eigentlich? - gibt eine zusätzliche Würze. Die Aufklärung ist ein wenig enttäuschend für mich, zu sehr wie in alten Krimis plötzlich aus dem Hut gezaubert und vorher nicht so richtig angelegt.

Ein dicker Minuspunkt auch für die Übersetzung. Es dürfte dem deutschen Publikum geläufig sein, dass es nicht in allen Sprachen die Unterscheidung von Du/Sie gibt. Dies angemessen zu übertragen ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach, aber die Variante (habe ich auch schon in anderen Büchern gesehen), die Figuren sich im wilden Wechsel mal duzen mal siezen zu lassen ist einfach störend und unpassend. Hier wäre konsequentes Duzen auch wenn es zunächst komisch erscheint bei fremden Personen die bessere Lösung.

****/5

Dienstag, 2. Oktober 2012

Andrea Maria Schenkel - Tannöd

Die 50er Jahre, Nachkriegszeit im bayerischen Nirgendwo. Die Menschen gehen ihrer Arbeit nach, überwiegend der Landwirtschaft. Man kennt sich, man hilft sich, die Natur und die Kirche bestimmen den Takt. Eine Magd sucht eine neue Anstellung, eine Ladenbesitzerin erfährt so dies uns das, Hilfsarbeiter landen hier und da. Diese zwar nicht idyllische, aber doch einfache und geregelte Welt gerät jäh aus den Fugen als ein bestialischer Mörder auf einem abgelegenen Hof wütete und vier Erwachsene und zwei Kinder ihr Leben lassen.

Ein überschaubares Büchlein mit nur rund 120 Seiten. Die Geschichte wird episodisch und nicht chronologisch erzählt, weshalb sich erst nach und nach erschließt, was passiert ist. Dieser Kniff ist es wohl, der dem Buch so viel Zuspruch gebracht hat. Ansonsten leider ziemlich flach und trotz der interessanten Wendung am Ende nur ein mäßiger Krimi.

***/5

David Foenkinos - Nos séparations

Fritz - Spross alternativer Antiglobalisierungsgegener - trifft Alice, gutbürgerlich angepasste Tochter. Sie verlieben sich ineinander - wie immer bei Foenkinos passiert dies nicht einfach wie bei anderen Schriftstellern, sofort hingerissen, unglaublich attraktiv, die tollen Augen - nein, es ist eine Geste von Alice, die Fritz klar macht, dass sie die Frau seines Lebens ist. Die Germanistikstudentin und der Lexikon-Korrekturleser sind für einander geschaffen, ohne Frage. Es ist nicht die stürmische alles überdeckende Liebe, sondern die leise intensive. Trotzdem kommt es immer wieder zu Trennungen und beiden haben im Laufe des Lebens auch andere Partner, sogar Kinder. Aber auch 10 oder 20 Jahre der Trennung können das Band, das sie zusammenhält, nicht durchschneiden. In intensiven Momenten suchen und finden sie einander.

Foenkinos erzählt einen Liebesroman, der ohne Kitsch und  große Worte auskommt. Auch bedarf es keiner ausufernder Sexszenen, um die Intensität dieser Verbindung zu zeigen. Ein Meister der leisen Worte erzählt eine Liebe, die einem durch die Sprache  mit aufsaugt und den Schmerz der Trennungen ebenso intensiv spüren lässt wie das Glück des Wiedersehens.

Unbedingt im Original zu lesen. Der deutsche Titel ist (ähnlich wie auch bei "La délicatesse" einmal wieder banal-dumm und lässt erwarten, dass auch hier dilettantisch schlecht übersetzt wurde).

*****/5

Montag, 1. Oktober 2012

Erhard Schmied - Gut und Böse (Hörspiel)

In einem Problemviertel wird der Ladenbesitzer Kuhn ermordet. Die guten Bürger haben natürlich direkt die faulen Jugendlichen - vorzugsweise mit Migrationshintergrund - im Visier und da passt es auch gut ins Bild, dass einer von ihnen, Arslan, verschwunden ist. Als dieser schwer verletzt gefunden wird, gerät plötzlich die selbstorganisierte Bürgerwehr ins Interesse der Polizei - wobei sich nach und nach herausstellt, dass auch in deren Reihen mit den Gutbürgern kooperiert wird. Als Arslan seinen Verletzungen erliegt, droht die Situation zu eskalieren.

Guter Stoff jedoch nicht wirklich spannend erzählt.

**/5 (Hörspiel)
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