Gerold Ebner macht sich früh am Morgen auf in Richtung
Gipfel des Bocksbergs. Er hat etwas zu erledigen, das will er alleine und in
Ruhe tun. In Etappen geht es bergauf und in Etappen lässt er sein Leben Revue
passieren. Zunächst seine Herkunft, die Mutter, die als Prostituierte arbeitet und
nicht weiß, wer sein Vater ist. Sein Großvater, herrisch und bestimmend und dessen
Tod eine Erleichterung für die gebeutelte Mutter ist. Seine Liebe zu Elena, die
nie in einer Ehe oder richtigen Familie mündete. Und seine Freundschaften, die von
der Kindheit bis in den Tod halten. Der Tod ist es auch, der den Takt und die
Einschnitte bestimmt und der am Ende als letzter auf den Protagonisten noch wartet.
„Am Rand“ – für mich eher am Abgrund, ein Leben immer an der
Grenze, kurz vor dem Absturz, nie wirklich in den ruhigen Fahrwassern in der
Mitte. In gelassenem Ton lässt Platzgumer seinen Protagonisten erzählen, die
äußere Chronologie ebenso wie die seines Daseins gliedern die Erzählung und so
passt ein ganzes Leben in einen einzigen Tag. Auch der Gegenspieler des
selbigen schlägt seine Pflöcke ein und sucht schon früh die Bekanntschaft mit
dem Protagonisten, der sich die Frage stellen muss, ob es gerechtfertigte Tode
gibt und ob man Mitschuld immer als etwas Negatives sehen muss – kann dies
nicht auch Befreiung sein? Die Mutter befreit er von dem übermächtigen Großvater,
den Freund vom aussichtslosen Leiden, die Geliebte von der unerfüllten
Mutterschaft und sich selbst? Es ist absehbar, worauf die Handlung von der
ersten Seite an hinsteuert, es bleibt die Frage nach dem Warum, die gleich mehrfach
beantwortet wird und sich am Ende umformuliert in die Frage nach der Sinnhaftigkeit
des Lebens und der Menge an Kraft, die es lohnt aufzubringen – oder eben nicht.
Hans Platzgumer wurde für seinen Roman mit der Nominierung
auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2016 honoriert. Thematisch reißt
er die ureigenen Fragen nach dem Dasein des Menschen und dem Sinn des Lebens
auf – allemal eine Nominierung wert. Interessant ist die Deutung der Frage nach
der Schuld; der Autor wagt es die üblichen Wege in schwarz-weiß zu verlassen
und stimmt der Leser mit seinem Protagonisten ein, macht er sich womöglich mitschuldig.
Gibt es einen gerechtfertigten Mord? Dürften oder sollten wir ihn dann
überhaupt Mord nennen? Trotz der Schwere und Bedeutung der Thematik liest sich
der Roman jedoch recht eingängig und nur leicht melancholisch, wir dürfen uns
den angerissenen Fragen stellen, werden aber nicht von diesen erschlagen, was
ein wahrhaftiges Kunststück ist.