Amos Grossman, reicher jüdischer Erbe, wandelt suchend in
New York. Nur das Haus seiner Familie am Straus Park ist eine Konstante, ansonsten
definiert er sich über die Frauen in seinem Leben: Farren, seine erste große
Liebe, die nun alleine die Tochter Victoria erzieht; Alison, die Maklerin, die
in plötzlich so unheimlich faszinierte; Julie, die junge Engländerin, die sich
für die Kunstschätze in Privatbesitz interessiert. Man wundert sich, weshalb weltgewandte
und intelligente Mann so einsam zu sein scheint und seinen Platz im Leben
sucht, entstammt er doch einer angesehenen Familie mit zahlreichen Verbindungen,
die ihm alle Möglichkeiten eröffnet hätten. Die Ursache liegt viele Jahrzehnte
zurück in Europa. Amos hat ein gut gehütetes Geheimnis entdeckt, das nach all
den Jahren endlich ans Licht zu kommen scheint.
Paul Baeten Grondas Roman ist vielschichtig und entfaltet
sich nur langsam. Zunächst liegt der Fokus auf dem Protagonisten Amos, dessen
Charakter komplex und schwer verständlich scheint. Zu Zeiten des Studiums
verwöhnter Spross, der sorglos mit dem Geld seiner Familie umgeht. Ebenso sorglos
geht er Beziehungen ein. Dann setzt eine Starre ein, die vermeintlich vom Tod
der Eltern ausgelöst wird, bevor eine junge Frau ihn wieder zum Leben und zur
Aktivität erweckt. Die Gründe kann man noch nicht nachvollziehen, denn zunächst
erscheint ein Bruch in der Handlung. Zwei Generationen zuvor, im
Nazi-beherrschten Europa kämpfen seine Großeltern ums Überleben. Eine fast
typisch jüdische Geschichte, meint man. Erst im letzten Drittel des Romans überlagern
sich die beiden Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart und liefern
Erklärungen.
Es geht nicht so sehr um die durchaus auch spannende Frage des
Warums (Amos so ist wie er ist, seine Familie zu dem Reichtum kam etc.), sondern
mehr um das, was alternativ hätte sein können. Wie hätte die Geschichte der
einzelnen Figuren auch laufen können: das Schicksal der Großeltern Amos‘ hätte
ein anderes sein können; Farrens Leben statt mit Amos hätte mit seinem Freund
ganz anders verlaufen können; Amos und Julie hätten vielleicht eine Zukunft
haben können. Wenn nicht seine Großmutter die Entscheidungen getroffen hätte,
die sie getroffen hat und mit denen sie auf sich und auf die nachfolgenden Generationen
Schuld geladen hat. Doch waren diese Entscheidungen nicht zwingend im
historischen Kontext? P.B. Gronda stellt die ultimative Frage, wieviel von den Generationen
vor uns in uns selbst steckt und wieviel unser Dasein durch sie bestimmt ist.
Auch wenn es zu gelegentlichen Exzessen im Roman kommt,
dennoch eine ruhige, leise Geschichte, durch die man nicht hastet, sondern
langsam schreitet, immer wieder innehält, staunt und nachdenkt. Für mich nicht
der größte Roman über die jüdische Geschichte in der Nazi-Zeit und die Frage nach
Schuld und Verrat – aber ganz sicher einer der kleinen Schätze, der durch die unaufgeregte
Erzählweise und das fast unauffällige Auftreten ganz groß wirken kann, wenn man
ihn lässt.
Herzlichen Dank an das Bloggerportal für das
Rezensionsexemplar. Mehr Informationen zum Titel finden sich auf der Seite der Verlagsgruppe Random House.