Eine Siedlung
am See. Sie könnte überall in Deutschland sein. Mehrere Hochhäuser, deren Bewohner
sich gegenseitig beobachten, gelegentlich im Aufzug begegnen und manchmal ins
Gespräch kommen. Benjamin hätte gerne einen Hund, doch seine Mutter ist dagegen.
Herr Agostini kennt das Problem, nur ist es bei ihm die Ehefrau, die den Wunsch
nicht teilt. Nachdem sie ins Pflegeheim muss, kann er sich seinen Traum endlich
erfüllen und Benjamin kann ihn bei der Sorge um das Tier unterstützen, denn
Herr Agostini auch ist auch nicht mehr gut zu Fuß. Karin lebt ebenfalls in
einem der Häuser, auch Gloria und Marcel begegnen wir und so vergeht ein langes
Jahr, in dem sich für viele der Bewohner ganz wesentlich etwas ändert. Manche leben
am Ende des Jahres nicht mehr, andere haben neue Partner gefunden.
Eva Schmidt
fängt in ihrem Episodenroman den Alltag in Deutschland ein. Normale Menschen
wie Du und ich kommen darin vor mit ihren kleinen und großen Sorgen und Nöten. Mit
Erwartungen an ihre Mitmenschen, de schwer enttäuscht werden, mit Hoffnungen
aufs Leben, die ebenfalls keine Erfüllung finden. Das Jahr hat wenig Gutes für die
Bewohner dieser namenlosen Siedlung vorgesehen, aber so ist das Leben, Unfälle,
Krankheit und Süchte verhindern bisweilen das Glück. Immer wieder kreuzen sich
die Wege der Figuren, mal kommt es zu sehr kurzen Begegnungen, mal entwickelt
sich mehr daraus; manchmal sehen sie sich nur aus der Ferne, manchmal möchten
sie sich gar nicht mehr sehen – ganz wie im echten Leben.
Der Roman
ist für den Deutschen Buchpreis 2016 nominiert, es stellt sich die Frage, wie
die Jury zu der Entscheidung kam, in auf die Longlist zu setzen. Sicherlich ist
es der Autorin gelungen, die Realität sehr detailliert und unprätentiös
einzufangen. Alle Figuren und Episoden wirken durch und durch authentisch und
zeugen von einer großen Beobachtungsgabe. Allerdings führt dies für meinen
Geschmack zu einer sehr schlichten Alltagssprache im Buch, die mir zu wenig
poetisch ist, um eine solche Auszeichnung zu erhalten. Das Verweben der
bisweilen sehr kurzen Begebenheiten gelingt der Autorin jedoch unglaublich gut.
Erscheinen diese zunächst lose und zusammenhanglos, entsteht erst nach und nach
ein Gesamtbild, in dem alle Figuren ihren Platz in einer komplexen
Figurenkonstellation haben. Konstruktion und Realitätsnähe können für mich die
Platzierung auf der Longlist rechtfertig, die sprachliche Umsetzung jedoch
nicht.