Der Mirror ist Dein bester Freund. Er kennt Dich besser, als
Du Dich selbst. Also hab Vertrauen, denn er will nur das Beste für Dich. Andy
erkennt dies schnell, das größte Problem für den Autisten ist der soziale Umgang
mit Menschen, er kann Gesichter nicht lesen und Gefühle schwer verstehen, doch
der Mirror kann ihm helfen, diese Distanz zu überwinden und schnell schon
bringt er ihn sogar mit einem Mädchen zusammen, Viktoria, die ihn trotz seines Handicaps
mag. Auch Jack erkennt den Nutzen des Geräts, hat es ihm doch gerade dabei
geholfen, innerhalb weniger Tage seine hohen Schulden bei seinem Dealer
erfolgreich zu begleichen und dessen Beißhunde in die Flucht zu schlagen. Auch
Lukas will nicht mehr ohne ihn leben, zwar konnte er die Trennung von Ellen
nicht verhindern, aber dafür hat er ja jetzt eine neue Freundin. Auch Carl
Poulsen, Erfinder des Mirrors und Firmenchef, erlebt, dass sein kleines
Wunderwerk funktioniert als dieses eigenständig den Notarzt verständigt, um
seinen Vater zu retten. Die Welt ist so viel besser dank der neuen
Möglichkeiten. Warum wollen also kleine, renitente Figuren wie die Journalistin
Freya dagegen ankämpfen? Das System will nur das Beste für alle und wer das
nicht will, muss ja logischerweise ein Feind sein, den man mit allen Mitteln
bekämpfen muss.
Ein gar nicht so fernes Zukunftsszenario eröffnet die
Mirrorwelt vor uns. Technik, die uns immer mehr abnimmt, Defizite ausgleichen
kann und gar schon über teile unseres Lebens die Kontrolle übernimmt. Immer
mehr sind wir bereit fremdsteuern zu lassen, im Vertrauen auf Algorithmen, die
schon wissen werden, was sie tun. Karl Olsberg führt dies nur einen einzigen
Schritt weiter und genau das macht das Szenario so unglaublich authentisch.
Alle Funktionen sind nachvollziehbar und erscheinen schon bald realisierbar.
Auch die Reaktionen der Figuren auf die technischen Neuerungen sind glaubwürdig
und es erfordert nicht viel Phantasie, dass die fiktive Handlung schon bald sehr
real sein könnte. Insbesondere die gewaltige Reaktion aus Verlustangst am Ende lässt
sich heute schon mit Entzugserscheinungen bei Handyentzug erkennen.
Das Thema ist brandaktuell, die mit dem Buch verbundene
Message liegt auf der Hand. Kurze Kapitel, schnelle Sprünge zwischen den
unterschiedlichen Figuren und Handlungen schaffen ein hohes Tempo, was gut zur
aufgeregten, temporeichen und im Dauer-multi-tasking-Modus befindlichen Internetwelt
passt. Die Tatsache, dass vieles nah an der Realität bleibt, veranschaulicht,
wie schnell aus nützlichen Assistenten Gefahren werden können und dass wir mit
unserem eigenen Verhalten maßgeblich bestimmen, inwieweit wir Kontrolle abgeben
möchten. Damit gelingt Karl Olsberg eine überzeugende Verbindung von spannender
Unterhaltung und echter Relevanz.