Kälte, Leere und Einsamkeit – das ist das einzige, das die
junge Laure noch spürt als man sie völlig abgemagert ins Krankenhaus einweist. Sie
kann gar nicht erkennen, wir kritisch ihr Zustand ist. Mit jedem Gramm Gewichtszunahme
kehren mehr Empfindungen zurück und es entsteht wieder Leben in ihr. Normale
Lebensmittel sind ein Kampf, ihr Körper ist es gar nicht mehr gewohnt, sie zu
verarbeiten. Nach und nach kann sie auch andere Menschen wieder wahrnehmen und
lernt, wie ihre Umwelt sie gesehen hat. Die Freundinnen, die ihren Anblick kaum
mehr ertragen konnten, weil sie den Tod vor sich sahen. Die fremden auf der Straße,
die sich an Konzentrationslager erinnert fühlten. Doch ihr Gegner – den sie
fast liebevoll Lorex nennt – wohnt gnadenlos weiter in ihr und je näher der Tag
der Entlassung zurück in die Welt außerhalb des Krankenhauses rückt, desto
stärker wird Lorex auch wieder.
Ein eindrucksvoller Einblick in diese Welt einer Anorexie-kranken
jungen Frau. Laures Innenleben wird von Delphine de Vigan greifbar und spürbar
geschildert. Das schrittweise Zurückkehren ins Leben, die Wahrnehmung des
eigenen Körpers, Momente der Schwäche, der nicht enden wollende Kampf mit der
Krankheit – all dies fasst sie in Worte, die den Leser immer wieder innehalten
lassen. Auch die Schilderung der Familiensituation, die nicht unwesentlich für
Laures Schicksal verantwortlich ist, wird aus Sicht des Mädchens mit all dem
Schrecken geschildert, wie Kinder sie vermutlich erleben.
Fazit: eine eindrückliche Schilderung, die einem bewegt
zurücklässt.