Samstag, 8. November 2014

Sofi Oksanen - Als die Tauben verschwanden

Estland, Zeit des zweiten Weltkrieges. Gefangen zwischen zwei Großmächten versucht sich die Bevölkerung ein Stückchen Normalität zu bewahren. Juudit und ihr Mann Edgar, dessen Cousin Roland und seine Frau Rosalie stehen im Zentrum der Erzählung. Nach dem Tod Rosalies, dessen Umstände rätselhaft bleiben, entfernen sich die drei zunehmend voneinander. Edgar merkt schnell, wie er sein Fähnchen nach dem Wind hängen kann und dient sich dem deutschen Besatzer an. Seine Frau Juudit verliebt sich derweil ungeplant in einen deutschen Offizier, was sie jedoch nicht davon abhält, Roland in seinem Untergrundkampf für ein befreites Estland zu unterstützen. Nach der Machtübernahme durch die Russen, muss Edgar sich taktisch neu ausrichten und wird nun zum eisernen Kommunisten, der dem KGB wichtige Informationen beschafft. Mehr und mehr nähert er sich auch dem, was seine Frau und sein ehemals bester Freund in dieser Zeit tun.

Der Zweite Weltkrieg wird hier aus einer für mich neuen Perspektive, der des besetzten Baltikums, geschildert. Gefangen zwischen zwei Großmächten, die beide eine Unabhängigkeit Estlands ablehnen und nur Profit aus dem Land ziehen wollen, muss die Gesellschaft sich mit den Gegebenheiten arrangieren. In welcher Weise dies geschehen kann, hat Sofi Oksanen überzeugend eingefangen. Auch wenn die Zeit- und Ortssprünge im Hörbuch nicht ganz einfach sind - hinzu kommen die Perspektivenwechsel jeweils hin zu den drei Protagonisten, auch wenn diese durch unterschiedliche Sprecher unterstützt werden – so entsteht doch ein interessantes Bild der damaligen Zeit. Die Figuren sind mit Brüchen komplex gezeichnet, werden vor schwierige Entscheidungen gestellt, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Auch die Entwicklungen, die sie durchmachen, sind glaubwürdig und nachvollziehbar. Bisweilen spannend, manchmal auch mit einem Quäntchen Humor, wird hier eine facettenreiche, interessante Geschichte erzählt. Einziger Wermutstropfen: für mich ist die Episode am Ende über die nächste Generation zu viel. Zwar werden hierdurch auch Edgars und Rolands weiterer Lebensweg dargestellt, doch eigentlich war für mich ihre Geschichte mit dem Ende des Krieges erzählt.


Fazit: Sofi Oksanen konnte mich als unglaubliche Erzählerin aus fremder Perspektive vollends überzeugen.
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