Estland, Zeit des zweiten Weltkrieges. Gefangen zwischen
zwei Großmächten versucht sich die Bevölkerung ein Stückchen Normalität zu
bewahren. Juudit und ihr Mann Edgar, dessen Cousin Roland und seine Frau
Rosalie stehen im Zentrum der Erzählung. Nach dem Tod Rosalies, dessen Umstände
rätselhaft bleiben, entfernen sich die drei zunehmend voneinander. Edgar merkt
schnell, wie er sein Fähnchen nach dem Wind hängen kann und dient sich dem
deutschen Besatzer an. Seine Frau Juudit verliebt sich derweil ungeplant in
einen deutschen Offizier, was sie jedoch nicht davon abhält, Roland in seinem Untergrundkampf
für ein befreites Estland zu unterstützen. Nach der Machtübernahme durch die
Russen, muss Edgar sich taktisch neu ausrichten und wird nun zum eisernen
Kommunisten, der dem KGB wichtige Informationen beschafft. Mehr und mehr nähert
er sich auch dem, was seine Frau und sein ehemals bester Freund in dieser Zeit
tun.
Der Zweite Weltkrieg wird hier aus einer für mich neuen
Perspektive, der des besetzten Baltikums, geschildert. Gefangen zwischen zwei
Großmächten, die beide eine Unabhängigkeit Estlands ablehnen und nur Profit aus
dem Land ziehen wollen, muss die Gesellschaft sich mit den Gegebenheiten
arrangieren. In welcher Weise dies geschehen kann, hat Sofi Oksanen überzeugend
eingefangen. Auch wenn die Zeit- und Ortssprünge im Hörbuch nicht ganz einfach
sind - hinzu kommen die Perspektivenwechsel jeweils hin zu den drei
Protagonisten, auch wenn diese durch unterschiedliche Sprecher unterstützt
werden – so entsteht doch ein interessantes Bild der damaligen Zeit. Die Figuren
sind mit Brüchen komplex gezeichnet, werden vor schwierige Entscheidungen
gestellt, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Auch die Entwicklungen, die
sie durchmachen, sind glaubwürdig und nachvollziehbar. Bisweilen spannend,
manchmal auch mit einem Quäntchen Humor, wird hier eine facettenreiche,
interessante Geschichte erzählt. Einziger Wermutstropfen: für mich ist die
Episode am Ende über die nächste Generation zu viel. Zwar werden hierdurch auch
Edgars und Rolands weiterer Lebensweg dargestellt, doch eigentlich war für mich
ihre Geschichte mit dem Ende des Krieges erzählt.
Fazit: Sofi Oksanen konnte mich als unglaubliche Erzählerin
aus fremder Perspektive vollends überzeugen.