Carel Fabritius Gemälde „The Goldfinch/Distelfink“ ist das
letzte, worüber der junge Theodor Decker mit seiner Mutter im Museum spricht,
bevor eine Bombe hochgeht und zahlreiche Besucher – darunter Theos Mutter –
tötet. Theo selbst hatte Glück nur leicht verletzt zu sein. In einer
gespenstischen Szenerie irrt er durch das Gebäude und sieht dort einen alten Mann
wieder, der mit seiner Enkelin ebenfalls das Museum besucht hatte und den Theo
zuvor beobachtete. Dieser gibt ihm einen besonderen Ring, was ihre Verbindung
auf sehr lange Zeit besiegelt. Aber Theo nimmt noch etwas mit bevor er sich
einen Weg nach draußen bahnt: das Gemälde, das seine Mutter so faszinierte. Es
folgt für ihn eine Odyssee: keine nahen Verwandten in New York kommt er
zunächst bei einem Schulfreund unter, dessen Familie zur Upper Class gehört und
ein ganz anderes Leben führt als er es kennt. Trotz der Freundlichkeit aller bleibt
Theo isoliert und findet so den Weg zum Haus des verunglückten alten Mannes, wo
er feststellt, dass das Mädchen, Pippa, ebenfalls – traumatisiert wie er –
überlebt und nun vorläufig bei Hobie, dem Geschäftspartner ihres Großvaters,
lebt. Plötzlich taucht auch sein Vater wieder auf und reißt ihn erneut aus dem
Leben, um ihn nach Las Vegas mitzunehmen. Es folgen Jahre des Drogenkonsums und
des sinnlosen Zeitvertreibs mit seinem neuen Freund Boris, der in der Kunstwelt
in der Wüste ebenfalls nicht angekommen ist. Nach dem Tod seines Vaters, die
Umstände mehr zweifelhaft als glaubwürdig und vermutlich seinen Spielschulden
zu verdanken, kommt Theo zurück nach New York und findet bei Hobie und Pippa Unterkunft.
Er hatte sich bereits im Museum in Pippa verliebt, doch diese Liebe scheint vom
Schicksal nicht begünstigt zu sein, dafür findet Theo Freude an der
Restaurierung und am Handel mit antiken Möbeln. Sein Leben kann fast wieder normale
Bahnen annehmen, doch er schleppt ja immer noch ein Geheimnis mit sich rum: das
berühmte Gemälde von Fabritius.
Der Roman ist allein schon aufgrund seiner Länge kaum in
Worte zu fassen. Zu viele Handlungsstränge, einzelne Episoden und
Lebensabschnitte reihen sich aneinander, um an Ende die Geschichte dieses
Bildes erzählt zu haben. Diese tritt zwar immer wieder in den Hintergrund, ist
aber für mich das Highlight des Buches. Die Beschreibungen und Erklärungen rund
um die Gemälde und auch die Möbel sind faszinierend und lassen Donna Tartts
Sprachgewalt besonders wirken. Der Vogel, der wie Theo nicht im Käfig sitzt,
aber angekettet und damit nicht frei ist, ist eine wunderschöne Parallele, die
sich durch den Roman zieht.
Trotz fast 800 Seiten bleibt das Figurenpersonal relativ
begrenzt, was Tartt viel Raum gibt, diese differenziert und facettenreich zu
zeichnen. Theo als Erzähler macht enorme Wandlungen durch, kommt jedoch
letztlich immer wieder zu dem Jungen zurück, der er zum Zeitpunkt des Attentats
war. Für mich ebenfalls sehr überzeugend ist Boris, der russische Freund, der
zwar allerlei Illegales treibt, das Herz jedoch am rechten Fleck trägt. Auch
die New Yorker Figuren haben alle ihre Ecken und Kanten, werden aber glaubwürdig
und lebendig dargestellt.
Die Handlung ist in der Gesamtschau vielleicht nicht ganz
glaubwürdig, zu viele Zufälle und Tote für diese Art Roman, aber darüber lässt
sich dank der wirklich treffsicheren und stilistisch perfekt zu dieser Kunstwelt
passenden Sprache der Autorin hinwegsehen.