Jeden Tag im Zug beobachtet Rachel eine recht biedere
Wohngegend und überlegt, wer wohl die Menschen sind, sie dort leben. Sie selbst
wohnte dort ebenfalls einmal, in einem anderen Leben, vor der Scheidung und
bevor sie angefangen hat zu trinken. Sie fährt eigentlich auch gar nicht zur
Arbeit, denn ihren Job hat sie schon vor langer Zeit verloren, doch das mag sie
gegenüber ihrer Mitbewohnerin nicht zugeben und hält daher den Schein aufrecht.
Doch eines Morgens bekommt eine der Fassaden einen Riss, als sie eine der Bewohnerinnen
einen anderen Mann küssen sieht. Es kommt jedoch noch schlimmer: genau diese
Frau, Megan, wird kurz danach vermisst und dann ermordet aufgefunden. Was ist
geschehen? Für Rachel tut sich ein Abgrund auf, denn sie war am Tatabend vor
Ort, um ihren Exmann, der immer noch dort wohnt, zu sehen. Doch sie war so
betrunken, dass sie sich an nichts erinnern kann. Kurze Erinnerungen schleichen
sich ein, doch sie bekommt sie nicht in ein vertrauenswürdiges Bild. Auch die
Polizei will ihr keinen Glauben schenken, obwohl sie diesen anderen Mann auch
ganz sicher gesehen hatte. Daher wendet sie sich an den trauernden Ehemann und setzt
damit weitere Ereignisse in Gang.
Der Roman ist geschickt konstruiert, da er auf verschiedenen
Zeitebenen spielt und unterschiedliche Perspektiven anbietet. Es sind die
Frauen, Rachel als Beobachterin, Megan, das Opfer, und Anna, die neue Frau von
Rachels Ex, die die Ereignisse aus ihrer jeweiligen Position schildern. Rachel
als Alkoholiker, Megan mit offenkundigen psychischen Problemen und Anna als
unsympathische und rücksichtslose „Neue“ bieten dabei alle drei keine
vertrauenswürdige Berichterstattung an, so dass man hin und her gerissen ist
zwischen Glauben und Zweifel, was der Spannung ausgesprochen zuträglich ist.
Insbesondere die Figur der Rachel ist glaubwürdig und facettenreich gezeichnet,
wie sie als Alkoholikerin kämpft für ihr Leben, gegen die Abhängigkeit,
versucht, eine Normalität und Schein aufrechtzuerhalten und doch immer wieder scheitert.
Der Mordfall wird ebenfalls in sich logisch erklärt und nachvollziehbar aufgelöst.
Fazit: Für mich ist es kein Thriller wie im Klappentext
angeführt, denn dafür fehlt mir die psychologische Spannung. Aber ein sehr
überzeugender und unterhaltsamer Krimi ist es allemal.