Es war Beths größte Sorge: eines Tages ihre Tochter Carmel
zu verlieren. Und nun geschieht genau das. Beth ist verzweifelt, die Polizei
arbeitet mit Hochdruck, kann die 8-jährige aber nirgendwo finden, der getrennt
lebende Vater kann auch nur schwer mit der Situation umgehen. Unterdessen redet
ein älterer Mann Carmel ein, ihr Großvater zu sein und dass ihre Mutter nach
einem Unfall schwer verletzt und nicht ansprechbar sei. Mit seiner
Lebensgefährtin Dorothy kümmert er sich in einem abgeschiedenen Haus um sie.
Zwar hegt die Kleine Zweifel, aber was soll sie schon tun? Auch als man sie von
England in die USA bringt und sie dort mit zwei weiteren Mädchen und dem Paar
in einem Trailer umherreisen soll, ist sie zwar skeptisch, kann den
Geschehnissen aber nicht wirklich etwas entgegensetzen. Noch hat sie den Plan
ihres vermeintlichen Großvaters nicht durchschaut, aber als sie erfährt, dass
es vor ihr schon einmal ein Mädchen gab, das plötzlich verschwunden war, mehren
sich ihre Sorgen.
Ein beachtenswertes Buch, das für mich vor allem bei der
Darstellung des Seelenlebens der Figuren gewinnt. Erzählt wird lose abwechselnd
aus der Perspektive von Carmel und Beth, die jeweils nichts vom Schicksal der
anderen wissen und so den Leser in die unsägliche Situation bringen, hilflos
mit anzusehen, wie beide unter der Situation leiden. Vor allem die Darstellung
aus Sicht des Mädchens hat mir gut gefallen, sprachlich wie auch sinnlogisch
hat die Autorin die Gedanken eines jungen Mädchens überzeugend zu Papier
gebracht. Auch die Entwicklung, die Carmel im Laufe der folgenden Jahre nimmt,
ist nachvollziehbar geschildert und wirkt authentisch und glaubhaft. Das
Arrangieren im neuen Leben unter den veränderten Umständen und doch der latent
immer vorhandene Wunsch nach Rückkehr zu dem, wie es vorher war. Ebenfalls
gelungen, das langsame Entfalten des Motivs der Entführer; man rätselt als
Leser, was dahinterstecken mag, formt Theorien, die erst spät durch die
Erzählung Gestalt annehmen, wenn Carmel so weit ist, das Ausmaß ebenfalls
verstehen zu können.
Fazit: Besonders die erste Hälfte ist für mich sehr stark
und gelungen, dann kommt es zu einigen Längen, die jedoch dem Lesespaß nur
geringfügigen Abbruch tun.