Lilya Tova Wasserfall wird auf eine schwierige Mission
geschickt. Sie verlässt das Nachkriegspalästina um im zerstörten Deutschland
Nachforschungen anzustellen. Vorrangig sucht sie den verschollenen Bruder des
Autors Elias Lind, Raphael, der als Naturwissenschaftler noch lange forschen
konnte, trotz seiner jüdischen Abstammung, von dem sich aber irgendwann alle
Spuren verlieren. Lilyas Reise führt sie zunächst nach England, wo sie erste
Spuren aufnimmt, bevor sie in Frankfurt, München und Berlin einer
Familientragödie nachspürt und dabei auch von Geheimdiensten instrumentalisiert
wird. Man bringt sie in größte Gefahr, denn nur weil der Krieg beendet ist, herrscht
noch lange nicht Frieden und so manche Figur ist erpicht darauf, ihre Taten der
Kriegsjahre zu vernichten.
Stephan Abarbanell gelingt es, eine Familientragödie der
Nazizeit mit politischen Aspekten zu verknüpfen und dennoch einen persönlichen
Roman zu schreiben, der sowohl spannend, wie auch interessant erhellend ist.
Seine Hauptfigur ist als jüdische Frau Ende der 1940er Jahre gänzlich
untypisch, wie auch ihr Mut und die Hartnäckigkeit, mit der sie ihre Aufgabe
erfüllt. Man findet sich schnell in die Geschichte ein und es wirkt gänzlich
unkonstruiert, sondern wie ein verfasster Tatsachenbericht, man kann sich
problemlos vorstellen, dass sich all dieses so zugetragen haben könnte. Dabei
fehlt jede Form von Pathos und Anklage der Naziverbrechen.
Obwohl der Terror als Hintergrund omnipräsent ist, wird hier
nicht mit erhobenem Zeigefinger Anklage erhoben und auf die Tränendrüse
gedrückt. Ein Stück deutsche Geschichte wird in treffendem bis poetischen Ton
erzählt und auch wenn man schon lange ahnt, worauf es hinausläuft (hier
haarscharf am Kitsch vorbei), bleibt am Ende ein gutes Gefühl, trotz des desolaten
Settings.