Montag, 21. September 2015

Suzanne Rindell - Die Frau an der Schreibmaschine

Der Traum vom Leben in Luxus wird für Rose Baker zum Alptraum. Als Waisenkind geboren und bei Nonnen aufgewachsen, lernt sie früh einen bescheidenen Lebensstil, der durch ihr unscheinbares Äußeres komplettiert wird. Als Sekretärin auf einem Polizeirevier – in den 1920er Jahren durchaus ungewöhnlich für eine Frau – kommt sie mit den Abgründen der Menschheit in Kontakt und kann diesen doch teilnahmslos distanziert gegenüber stehen. Als Odalie Lazare die Bühne des Reviers betritt, soll sich ihr Leben nachhaltig verändern. Die bezaubernde Frau, die mit ihrem Charme jeden sogleich einfängt, kann auch das Vertrauen des jungen Mädchens gewinnen und Rose in ihren Bann ziehen. Sie führt sie ein in die Welt der Flüsterkneipen und den Untergrund und bringt die rechtschaffene Stenotypistin schon bald dazu, ihre eisernen Vorsätze und die pflichtgetreue, integere Haltung aufzugeben. Tiefer und tiefer zieht Odalie Rose in den Abgrund, bis der endgültige Absturz unabwendbar wird.

Der Kampf zweier ungleicher Frauen, bei dem die Sympathien eindeutig verteilt werden. Das bedauernswerte Mädchen und die Femme Fatale, der sie wie ein liebestreuer Anbeter erliegt. Die Faszination einer weltgewandten Frau, die sich in allen Gesellschaften leichtfüßig bewegt, ist leicht nachvollziehbar und so ist auch die Entwicklung der gewissenhaften Rose hin zur unredlichen Gehilfin glaubwürdig geschildert. Langsam entfaltet sich diese vor dem Auge des Lesers, früh schon weiß man, dass es schlimm enden wird, und dennoch verliert die Handlung hierdurch keineswegs an Spannung, ganz im Gegenteil, hier macht der Weg den Reiz aus, nicht das Ziel. Besonders gelungen ist meines Erachtens das Setting, die 1920er Jahre erwachen im Roman zum Leben und werden weder überstrapaziert noch zu klischeehaft dargestellt.


Fazit: eine interessante Charakterstudie, die heute genauso ablaufen könnte, wie fiktiv vor fast 100 Jahren.
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