Montag, 31. August 2015

Daniel Anselme - Adieu Paris

„Adieu Paris“ – dabei kommen sie doch gerade erst in der Hauptstadt an, die drei Soldaten Valette, Lachaume und Lasteyrie, die zehn Tage Heimaturlaub genießen sollen. Doch was ist noch übrig von dem Land und der Stadt, die sie vor ihrem Einzug in den Algerienkrieg kannten? Nicht mehr viel. Die Stadt ist ihnen fremd geworden, ebenso die Familie und Freunde. Es bleiben nur die anderen Soldaten, die die Erfahrungen des Krieges geteilt haben und sich ebenfalls nicht mehr zugehörig fühlen und erkennen, dass das Schicksal ihnen die Jugend genommen hat für einen unsinnigen Krieg. So streifen sie umher auf der Suche nach einem Sinn, den es nicht gibt.

Daniel Anselmes Roman, der erst jetzt wiederentdeckt wurde und zur Erstveröffentlichung in den 1950ern wenig Beachtung gefunden hat, schildert das, was wir inzwischen als Erkenntnis aus vielen Kriegen haben: die Soldaten kommen zurück und finden ihr altes Leben nicht mehr. Weder können sie sich wieder einfinden noch wissen diejenigen, die zurückgeblieben waren, wie sie ihnen begegnen sollen, zu tief sind die Wunden, die die Kriege gerissen haben. Anselme wählt ein unbequemes Thema, dem sich die Regierungen vieler Länder nicht stellen wollen: sie schicken junge Menschen, ganze Generationen in sinnlose Kriege und zerstören nicht nur die Leben derjenigen, die in den Kampfhandlung sterben und deren Familien, sondern auch die derjenigen, die zurückkehren müssen in eine ihnen fremd gewordene Welt. Aus jeder Zeile des Romans spricht eine Leere und Sinnfreiheit, die keine Antwort finden, weil es schlichtweg keine geben kann.


Fazit: kein idyllisch-romantisches Paris, wie man es auch Hollywoodfilmen kennt, sondern ein anderes, leeres Paris, zu dem man am Ende fast erleichtert wieder „Adieu“ sagen möchte-

Anne Berest/Audrey Diwan/Caroline de Maigret/Sophie Mas - How to be Parisian wherever you are

Sie sind das Vorbild von Millionen von Frauen, sie werden überall auf der Welt bewundert und jede Frau fragt sich: wie machen sie das nur, die Parisierinnen? Sophie Mas, Audrey Diwan, Caroline de Maigret und Anne Berest sind angetreten, um das große Geheimnis um die Attraktivität der Französin, bzw. der Pariserin im Speziellen zu lüften. In fünf Kapiteln nähert man sich diesem bewundernswerten Wesen: die Grundlagen (bspw. die typische Melancholie oder der natürliche Look), Liebe deine Laster (oder: der etwas ruppige Umgang mit Männern), Steh zu deinen Vorzügen (und betone diese geschickt),Liebe wagen (auch wenn es manchmal weh tut) und Pariser Tipps (um vergnügliche Abende und Tage zu verbringen) laden ein, sich ein Bild dieser Frau zu machen, die gar nicht so einfach zu fassen ist. Ja, sie ist manchmal arrogant, ja, auch sie hat nicht zwangsläufig den perfekten Körper, aber: sie hat Stil, wahrt die Contenance auch wenn‘s schwer fällt und rennt nicht jedem Trend hinterher.

Eine höchst unterhaltsame wie auch informative Lektüre, auch wenn nicht alles tiefe Geheimnisse waren, die sich plötzlich vor einem als Leser auftun. Was bleibt inhaltlich hängen? Das, was bisweilen als hochnäsige Arroganz abgetan wird, scheint einfach ein gesundes Selbstbewusstsein einer modernen Frau zu sein, die sich nicht von außen definieren lässt, sondern das tut, was ihr richtig und wichtig erscheint. Die Vorbilder („Simones“) haben gezeigt, dass man nur mit einer gewissen Hartnäckigkeit sein Ziel erreicht und man dafür nicht zwingend everybody’s darling sein muss (oder sollte). Dies hilft auch über vermeintliche Makel hinweg, wer mit sich im Reinen ist, kann Cellulitis oder das eine oder andere Gramm zu viel schlichtweg weglächeln.

Unabhängig von der Message, die die vier Autorinnen haben - oder auch nicht, denn so ganz bierernst ist das sicher nicht zu verstehen, passt aber in das Bild einer Frau, die auch mal über sich selbst lachen kann und weiß, wie man mit Klischees umzugehen hat – ist das Buch auch in der Aufmachung sehr gelungen. Unterschiedliche Textformen und Print, im Wechsel mit Bildern, die eine ausgesprochen geschmackvolle Auswahl darstellen und thematisch hervorragend abgestimmt sind, ist es einfach auch schön anzusehen, so dass man immer mal wieder gerne zugreifen wird, um sich ein paar Minütchen damit zu vergnügen. Nicht zu vergessen die Rezepte und Shoppingtipps, die sicher bei Gelegenheit Anwendung finden.


Fazit: ein bisschen Pariserin sollte in jeder Frau stecken – wie viel oder was auch immer sei jeder selbst überlassen.

Matthew Costello/Neil Richards - Cherringham: The Curse of Mabb's Farm

Ein böser Fluch liegt auf Mabb’s Farm, etwas außerhalb von Cherringham. Seit Charlie und seine Frau Caitlin den Hof übernommen haben, geschehen böse Dinge, die die junge Familie in den Wahnsinn und finanziellen Ruin treiben. Maschinen gehen kaputt, Feuer brechen willkürlich aus, sogar Spuren des Teufels sind zu finden. Lastet auf dem Gut der Fluch dreier Hexen aus dem 17. Jahrhundert? Diese galten als bösartig und schworen wohl kurz vor ihrer öffentlichen Hinrichtung Rache. Jack und Sarah glauben weniger an übernatürliche als an höchst menschliche Ursachen und gehen den Ereignissen auf den Grund.


Bereits Teil sechs der Krimireihe um das englische Dörfchen Charringham und wie immer gelöst von dem ehemaligen NYPD Detective Jack und der Webdesignerin Sarah. Wie immer wird der Roman getragen von der beschaulichen Kulisse und dem Dorfleben, wo man sich an alte Geschehnisse erinnert und auch weiß, wem vor Urzeiten welcher Hof gehörte und welche Geschichte damit verbunden ist. Dieses Mal treten Jacks und Sarahs Privatleben zugunsten der Ermittlungen in den Hintergrund, die quasi bis zur letzten Seite mit der Auflösung zögert und zuvor nur wenige Anhaltspunkte für den Leser lieferte. Aber bei dieser Serie sind es weniger die harten crime stories, die den Spaß bereiten, als das vermeintliche Idyll des Landlebens.

Sonntag, 30. August 2015

Philipp Tingler - Schöne Seelen

Die grande dame der Gesellschaft tritt ab, Millvina Van Runkle liegt im Sterben, doch auch dies will inszeniert sein. Und sie geht nicht ohne ihren Lieben noch ein paar Geheimnisse anzuvertrauen: ihre Tochter Mildred ist adoptiert, das soll diese aber nicht erfahren. Mildred hat ohnehin andere Sorgen. Der Tod ihrer Mutter lässt sie relativ kalt, herzlich war das Verhältnis nicht gerade – aber das ist es in der Züricher Welt der Schönen und Reichen eh nie, Hauptsache der Schein ist gewahrt und die Anzeige auf der Waage stimmt. Mehr belastet sie ihre Ehe und nun drängt sie ihren Mann Viktor endlich zu einer Therapie, worauf dieser so gar keine Lust hat. So vereinbar er mit seinem Freund Oskar, dass dieser für ihn die Therapie macht und ihm berichtet. Doch bald schon verfängt sich Oskar zwischen seinem eigenen und Viktors Leben und setzt so gleich beide Ehen aufs Spiel.

Ein kurioser Roman. Die ersten beiden Kapitel sind geprägt von Millvinas Ableben und der Beerdigung und zeichnen ein bissig-ironisches Bild der besseren Gesellschaft, die gerne betrogen werden möchte und bei der hinter der geschönten Fassade wenig bleibt. Oskars Therapie bildet das Herzstück des Romans und sprüht nur so vor herrlichen Dialogen zwischen Therapeut und Klient, der gar nicht therapiert werden möchte und doch durch all seine Ablenkungsmanöver immer tiefer in die eigene Seele blickt. Die Therapie, die in diesen Kreisen ebenso Accessoire ist wie die Frisur oder die aufgehübschten Augenlider, erhält plötzlich doch wieder eine Funktion.

Die Figuren sind selbstverständlich überzeichnet, gewinnen aber dadurch ihren Charme; die Gefahr einer Identifizierung mit ihnen besteht nicht, die notwendige Distanz, um diese Gesellschaftsschicht mit gebührendem Abstand zu belächeln, bleibt gewahrt. Interessant wird Tinglers Roman durch seine sprachliche Gestaltung. Er findet die passenden Formulierungen, die einem immer wieder schmunzeln lassen, da sie treffsicher auf den Punkt bringen, wie absurd sich die Figuren verhalten und wie verschoben ihr Weltbild ist. Keinesfalls bleibt der Roman aber an der Oberfläche, die Therapiesitzungen sind durchaus von einer gewissen psychologischen Tiefe geprägt, die Oskar aber an seine Grenzen bringen, denn Tiefgang gehört eigentlich nicht zu seiner Welt.


Fazit: humorvoll-ironischer Blick in die Welt der Schönen und Reichen.

Matthew Costello/Neil Richards - Cherringham 5: Last Train to London

Otto Brendl, der allseits beliebte Juwelier und Puppenspieler, bricht beim Schulfest mit einem Herzinfarkt zusammen und stirbt. Die Schulleiterin bittet Sarah und Jack ein paar Recherchen anzustellen, denn Brendl hat leider nie dir notwendigen Formalia eingehalten und sie fürchtet, dass nun etwas ans Licht kommen könnte, was auch den Ruf der Schule schädigt. Verwunderlich sind die Sicherheitsmaßnahmen an seinem Haus, obwohl er dort außer seinen Puppen nichts aufbewahrte, aber die waren offenbar von großem Wert. Ebenfalls seltsam ist die Herkunft des Mannes, er selbst hat sich als Deutscher ausgegeben, aber das stimmte offenbar nicht, denn ein kleines Tattoo verrät, dass er wohl eher aus einem der ehemaligen Ostblockstaaten kam. Je tiefer sie graben, desto gefährlicher wird die Lage, das muss Jack am eigenen Leib feststellen und als sie herausfinden, wer Otto Brendl tatsächlich war, wird ihnen Angst und Bange – mit so einem Menschen im selben Dorf gelebt zu haben, ist schlicht unvorstellbar.

Fall fünf der cosy crime Serie aus dem beschaulichen Cherringham, der dieses Mal gänzlich anders verläuft als zuvor. Nicht nur, dass es eigentlich keinen Fall gab, sondern dieser sich erst durch die Nachforschungen ergibt, sondern auch das Ende ist völlig untypisch und wirft nun ein gänzlich anderes Licht auf die beiden Protagonisten, die bislang für Recht und Ordnung zu sorgen suchten. Nichts destotrotz gelingt es wieder die beschauliche Gegend mit ihren verschrobenen Einwohnern und alten Traditionen mit einer  - dieses Mal politische brisanten – Krimigeschichte zu kombinieren.



Freitag, 28. August 2015

Jonathan Coe - Expo 58

London 1958. Thomas Foley arbeitet schon seit Jahren im Central Office of Information, hat ein kleines Häuschen, Frau und Kind und ist eigentlich ganz zufrieden als er plötzlich ein unglaubliches Jobangebot erhält: er soll bei der bevorstehenden Expo 58 in Brüssel ein Auge auf den englischen Ausstellungspavillon und insbesondere auf das Pub haben, mit dem man das Land präsentieren möchte. Seine Qualifikation: die Mutter ist als Kind zu Kriegsbeginn aus Belgien geflüchtet und sein Vater besaß ein Pub. Schon bei seinem ersten Besuch fallen ihm die vielen hübschen Hostessen auf und so beschließt, er ohne seine Familie die paar Monate in der europäischen Hauptstadt zu verbringen. Doch noch vor seiner endgültigen Abreise muss er lernen, dass es bei der Expo gar nicht so sehr um ein fröhliches Kennenlernen der unterschiedlichen Länder geht, sondern dass die Geheimdienste im Hintergrund wirken und er steckt mitten drin in einer heiklen Mission.

Eine herrliche Komödie über das Europa der Nachkriegszeit mit einem ungemein sympathischen Protagonisten, der mit seiner cleveren Naivität diesen Roman absolut trägt. Coes Sprachwitz und unzählige Seitenhiebe, die aus heutiger Sicht natürlich noch viel mehr an Esprit gewonnen haben – allein die Anspielungen auf Ian Flemings James Bond, der erst in der Folge zu Weltruhm geraten sollte, sind schlichtweg charmant untergebracht. Dazu lauter verdeckte Geheimagenten, so dass man sie so genau weiß, wem man trauen kann und alle verdächtig werden.


Fazit: britischer Humor im nicht ganz so ernst zu nehmenden Agentenmilieu.

Donnerstag, 27. August 2015

Graham Greene - The Quiet American


Saigon, Indochinakrieg. Thomas Fowler, britischer Reporter, wartet auf seinen amerikanischen Bekannten Alden Pyle. Sie waren für 10 Uhr verabredet, doch der Amerikaner taucht nicht auf, nur dessen junge Geliebte steht vor der Tür. Kurze Zeit später erklärt die lokale Polizei, dass sie Pyle tot aufgefunden haben und beginnt mit den Nachforschungen zur Vergangenheit. Beide hatten Interesse an der jungen Phuong, im Gegensatz zu Fowler, der zu Hause Frau und Kind hat, versprach der Amerikaner ihr eine Hochzeit. Fowler setzt alles daran, die junge Frau nicht zu verlieren. In der Zwischenzeit geht der Krieg weiter und beide sind auf unterschiedliche Weise involviert, die Lage ist chaotisch und unübersichtlich, ebenso wie das, was zwischen den Männern passiert.

Das Buch mischt die zwei Handlungsstränge – die politischen Verwickelungen des Indochinakrieges und der Kampf der beiden Männer um die junge Vietnamesin – geschickt mit einander. Der Britische Reporter, der das alte Europa mit seinen Kolonialabsichten repräsentiert, Pyle als Vertreter des erstarkenden Amerika, das sich in globale Konflikte einmischt und die junge Vietnamesin, um die sie Großmächte sich streiten. Dies ist geschickt konstruiert und man wundert sich nicht, dass die Rezeption des Romans entsprechend verhalten war. Einige Passagen der Kriegsschilderung sind ausgesprochen lebendig geschildert und zeigen die Abstrusität, die damit einhergeht. Insgesamt hätte dies für mich etwas weniger sein dürfen, mich haben die drei Figuren doch mehr interessiert als der Kolonialkrieg.

Fazit: Klassiker der Literatur, der sicherlich heute noch genauso aktuell und übertragbar ist wie in den 1950ern.

Mittwoch, 26. August 2015

Michel Bussi - Die Frau mit dem roten Schal


Eine hübsche junge Frau. An den Klippen. Kurz vor dem Sprung. Jamal schafft es noch zu ihr hin, doch den Fall kann er nicht verhindern. Tot liegt sie am Boden, mit dem roten Schal um den Hals, den er ihr noch zugeworfen hatte. Der Schreck ist groß und wird noch größer als die Polizei ihn schnell für den Täter hält, niemand will seine Version des freiwilligen Suizids bestätigen und da es zuvor schon ähnliche Fälle gab, steckt Jamal in der Falle. Wie soll er beweisen, dass er nicht der Täter ist? Angeblich hat die Polizei sichere Beweise für seine Schuld. Bevor man ihn festnimmt, ergreift er die Flucht.

Ein durch und durch spannender Roman, der den Leser an vielen Stellen zweifeln und wundern lässt, ebenso wie den Protagonisten, zu vieles passt nicht zusammen. Sehr gut gelungen ist die Perspektive Jamals, der langsam daran verzweifelt, dass ihm kein Glauben geschenkt wird und der nicht weiß, was er der staatlichen Maschinerie entgegensetzen soll. An vielen Punkten hatte ich Zweifel, dass es dem Autor gelingen würde, hierfür eine stimmige Erklärung zu finden, doch er findet sie, alles wird restlos aufgelöst, Fragen oder Unklarheiten werden beseitigt, obwohl er wirklich auffällig viele Fragezeichen setzt im Laufe der Handlung. Zwar überzeugt mich die letztliche Auflösung nicht restlos, dafür ist sie mir zu wenig realitätsnah, was jedoch nicht bedeutet, dass es einen solchen Fall nicht durchaus geben könnte.

Fazit: ein spannender Roman, der ganz ohne die derzeit angesagten französischen Klischees vom tollen Essen und Sonnenschein auskommt, sondern sich auf seine Protagonisten und die Handlung fixiert.

Dienstag, 25. August 2015

Judith Merchant - Die Lügen jener Nacht

Mimis Beziehung steht vor dem Scheiterhaufen. Da kommt es ihr gerade Recht, dass sie zu einer Hochzeit eingeladen wird und von Edinburgh fliehen kann. Der alte Kreis der Freundinnen ist ihr fremd geworden in den 10 Jahren der Abwesenheit. An vieles erinnert sie sich nicht mehr, aber ganz wie in alten Zeiten fließt der Alkohol und so wacht sie nach dem Junggesellinnenabschied auch mit Brummschädel und großen Erinnerungslücken auf. Der Tag der Hochzeit soll endlich das junge Glück besiegeln, doch statt vor den Traualtar stehen die Gäste vor einem Rätsel: wer hat den Bräutigam ermordet und wo steckt die Braut?

Der Roman hat durchaus spannende Momente, aber Mimis Trägheit und die Unfähigkeit, sich an irgendetwas zu erinnern – seien es aktuelle Ereignisse, seien es Dinge aus Der Studentenzeit – nervt gewaltig. Auch die anderen Figuren sind gänzlich überzeichnet und klischeehaft, so dass sie einem bald mehr nerven als dass man Interesse an der Lösung hätte. die vielen Verdächtigungen und Verdachtsmomente, die die Autorin streut, sind in sich nicht wirklich stimmig, so dass bald gar nichts mehr Sinn macht. Am Ende wird dann eine Lösung aus dem Hut gezaubert, die völlig abstrus und unglaubwürdig ist und versucht das Ganze irgendwie zu erklären, aber keine wirkliche Logik in das Handeln der Figuren bringt.


Fazit: durchaus ansprechender Schreibstil, aber arg konstruierte Handlung.

Montag, 24. August 2015

Patrick Modiano - Im Café der verlorenen Jugend [Audiobook]

Das Café Condé steht als Treffpunkt der verlorenen Jugend im Zentrum von Modianos Roman. Vier Stammgäste berichten aus ihrer jeweiligen Perspektive von den Treffen und dem, was sie voneinander wissen oder glauben zu wissen. Louki, die einzige Frau, die in Paris als Tochter der Platzanweiserin des Moulin Rouge aufwächst und schon als Jugendliche intensiv das Nachtleben der schillernden Stadt kennenlernt. Zu früh heiratet sie, nur um schon bald danach ihren Mann wieder zu verlassen und ins Zentrum des Lebens zurückzukehren. Ein Privatdetektiv soll sie ausfindig machen, findet sie auch schnell, sieht aber, dass er der jungen Frau ihr Leben lassen muss und verheimlicht dem Ehemann seine Erkenntnisse. Die beiden anderen – ein Student, der an seinem Studium zweifelt und große Unsicherheiten zeigt, sowie ein Autor, der zugleich Loukis Liebhaber ist, vervollständigen das Quartett.

Einmal mehr schickt uns Modiano in die Welt der Cafés der 1960er Jahre, wo man es mit der eigenen Identität nicht so genau nimmt, die Frauenfiguren geheimnisvoll sind und der Alkohol in zu großen Mengen fließt. Was einerseits interessant ist, hat doch auch einen Wiederholungseffekt – für mich waren die Figuren des Cafés der verlorenen Jugend einfach zu nah an jenen von „Gräser der Nacht“. Auch dort die Cafés, die schwer greifbare aber ungemein faszinierende Frau und die Bohème, die scheinbar nichts anderes tut, als Kaffee zu trinken und über die Welt zu philosophieren. Lässt man dies außer Acht bleibt ein unterhaltsames Hörbuch, das besonders dadurch heraussticht, dass die verschiedenen Perspektiven von unterschiedlichen Sprechen intoniert werden, was ich als sehr gelungen empfand.


Fazit: Sittenbild der Pariser Bohème einer Zeit, die schon lange nicht mehr existiert.

Lena Avanzini - Amsterdam blutrot

Eigentlich ist sie ja Klavierlehrerin und liest nur gerne Krimis, aber als Maximiliane Mikulicz zufällig an den Tatort eines Serienmörders kommt, ist nicht nur ihre Neugier, sondern auch ihr kriminalistisches Gespür geweckt. Reiche Frauen, die sich heimlich Callboy buchen, werden reihenweise gemordet und übel zugerichtet. Die Polizei verfolgt andere Spuren, maxi hat den richtigen Riecher und kommt dem Täter auf der Spur, was sie selbst natürlich in Lebensgefahr bringt. Ihre einzige Hilfe: die hat genügend Krimis gelesen, um Ideen zu entwickeln, wie sie aus der unsäglichen Situation wieder herauskommt.

Einmal mehr ein Krimi der mit dem Lokalkolorit spielt und versucht, den Handlungsort in die Handlung mit einzubeziehen. Hier indem die Protagonistin auf einem Hausboot lebt und sich bevorzugt per Fahrrad bewegt. Insgesamt hat mir die Figurenzeichnung am besten gefallen, Maxi ist sympathisch und clever, ihre WG Mitbewohner haben ebenfalls ihren eigenen Charme, genauso wie der oberste Ermittler seine Macken auslebt. Der Fall selbst hat durchaus Potenzial und bleibt lange spannend, nur das Ende ist völlig an den Haaren herbeigezogen und die Motivation des Täters ist für mich etwas unglaubwürdig.


Fazit: kurzer unterhaltsamer Krimi für zwischendurch.

Hilary Mantel - An Experiment in Love

Carmel McBain hat es geschafft: sie kann die nordenglische Kleinstadt hinter sich lassen und das Studium in London beginnen. Aber nicht ihre ganze Vergangenheit bleibt zurück, denn zwei Mädchen ihrer Schule werden im selben Wohnheim wohnen. Da sie als erste angekommen ist, kann sie sich aussuchen, mit wem sie das Zimmer teilen möchte. Der Blick nach vorne wird verwischt mit dem Blick zurück. Carmel als junges Mädchen, wie sie zur Freundschaft mit der seltsamen Katrina gezwungen wird, für eine gute Schule nicht nur einen langen Schulweg in Kauf nehmen muss und schließlich auch der distanzierte Blick auf ihre Eltern und deren Weltsicht. Jedoch kann sie im London der 1960er Jahre nicht das Leben leben, das sie sich erträumt, denn massive Geldsorgen bereiten ihr zunehmen mehr Kopfzerbrechen.

Hilary Mantel verzichtet auf das Leben der Großstadt, das in den 1960ern ausgelassen, wild und freizügig gewesen sein muss. Stattdessen beschränkt sie sich auf den Mikrokosmos des Wohnheims und weniger Bewohnerinnen auf einem gemeinsamen Flur. Hier sieht London anders aus zu dieser Zeit, doch die Sorgen und Freuden dürften ähnlich außerhalb gewesen sein. Im Vordergrund steht die seltsame Zwangsfreundschaft zwischen Carmel und Katrina, die zwischen Zweckgemeinschaft und echtem Interesse schwankt, zwischen Annäherung als gemeinsame Verbündete gegen Fremde und Abwendung. Insbesondere Carmel ist für mich glaubwürdig gezeichnet, ihre Geldsorgen bestimmen das Leben, neben dem Wunsch dazuzugehören und den Habitus der bewunderten Mädchen anzunehmen. Eine Generation junger Frauen wird gezeichnet, die zwischen der konservativen Elterngeneration und der aufgeklärten, toleranten neueren Welt steht und noch nicht so genau weiß, wo es hingehen wird.


Fazit: ein kleiner Ausschnitt einer spannenden Epoche wunderschön erzählt.

Sonntag, 23. August 2015

Sybil Volks - Torstraße 1

Die Geschichte eines Hauses. Die Geschichte Deutschlands. Die Geschichte einer Liebe. Am Tag der Eröffnung des ersten Kreditkaufhauses, des Jonass, wird die kleine Elsa geboren, just dort, denn ihre Mutter war bis kurz vor der Geburt im Einsatz. Als Helfer zwangsverpflichtet wird der Bauarbeiter Wilhelm, dessen Sohn Bernhard zur gleichen Zeit auf die Welt kommt. Die beiden Kinder sind ja quasi wie Geschwister und werden die folgenden Jahrzehnte auch – mal getrennt durch poltische Ideologien, mal durch ihre Partner – den Kontakt nicht verlieren. Sie werden sehen wie ihr Haus erst an die Nazis geht, dann von der SED missbraucht wird und schließlich 80 Jahre später wiedereröffnet wird als ein Club.

Sybil Volks ist gelungen parallel zur Handlung und dem Weg des Hauses, das Leben ihrer Figuren aufzubauen und – in homöopathischen Dosen, um politisch uninteressierte Leser nicht zu vergraulen – die politischen Entwicklungen Berlins in eine Geschichte zu fassen, die keine klassische Liebes. sonder eher eine Lebensgeschichte mit guten und schlechten Zeiten ist. Mich hat es auch nicht weiter gestört, dass sich die Leben der Eltern ein wenig in denen der Kinder wiederholen, die beiden Frauenfiguren – Vicky als Mutter und Elsa zunächst Baby und später auch selbst erwachsen und gar Großmutter – sind stark und tragen den Roman. Natürlich wird vieles durch Zeitsprünge nur angerissen, aber ganze Menschenleben lassen sich auf 400 Seiten nicht en Detail nachzeichnen, für meinen Geschmack war die Wahl, die Kindheit Elsa in den Fokus zu nehmen und die schweren Zeiten der 30er Jahre vornehmlich durch kindliche Augen zu zeichnen, goldrichtig für diese Art Roman.


Fazit: unterhaltsam, bisweilen traurig, gelungene Unterhaltung im Genre.

Samstag, 22. August 2015

Matthew Costello/Neil Richards - Cherringham: Thick as Thieves

Auch dem Gelände eines Bauers finden Jerry und Baz eine alte Platte. Ein herbeigerufener Archäologe aus dem Dorf bescheinigt ihnen, dass sie sehr alt ist, vermutlich aus dem 4. Jahrhundert und offenbar von den Römern. Dies soll tags drauf von einem echten Experten bestätigt werden. Um die Sicherheit zu garantieren, bietet der Archäologe an, die Platte in seinem Safe zu verwahren. Doch als am folgenden Morgen die Begutachtung erfolgen soll, ist sie verschwunden, offenbar ein nächtlicher Einbruch. Jack Brennan und Sarah Edwards werden um Hilfe gebeten, haben sie doch bei den vorherigen Fällen schon bewiesen, dass sie als Privatermittler weiter kommen als die lokale Polizei.

Ein weiterer Krimi im beschaulichen Cherringham, wo sich eigentlich Hase und Igel gute Nach sagen. Dieses Mal bleiben die Privatangelegenheiten der Protagonisten im Hintergrund, es geht nur um den Fall, der einmal mehr sauber und nachvollziehbar geklärt wird. Die Figuren wirken insgesamt glaubwürdig wie das ganze Setting, man kann sich das englische Dörfchen am Fluss förmlich vorstellen – wenn auch die Menge an kuriosen Kriminalfällen etwas gehäuft ist.


Fazit: wie erwartet ein kurzer Krimi ohne viel Schnickschnack.

Sarah Dessen - That summer

Haven ist 15 in dem Sommer, der ihr Leben verändern wird. Nach der Scheidung der Eltern tritt ihr Vater, der bekannte Sportmoderator, erneut vor den Traualtar – mit dem weather girl -  nur um kurz darauf vor laufenden Kameras die Schwangerschaft bekannt zu geben. Auch ihre ältere Schwester ist im Hochzeitsstress und ihre Nerven liegen blank. Die Mutter ist ebenfalls voll in die Vorbereitungen eingebunden und damit beschäftigt, ihr Leben neu zu organisieren, eine Reise nach Europa wäre doch toll. Dazwischen Haven, die unter ihrer Größe leidet und sie verloren vorkommt. Als sie einen Exfreund der Schwester wiedersieht, erinnert sie sich an die Zeit, als die Familie noch glücklich war – doch die ist vorbei.

Ein relativ typisches Jugendbuch um ein Mädchen in der schwierigen Phase des Erwachsenwerdens. Angepasst an dem amerikanischen Markt scheint mir, werden keine bösen Sünden und Fehltritte begangen, möglichst jung geheiratet und ansonsten bleibt auch alles im dezenten Rahmen. Dadurch wirkt alles etwas arg künstlich und ziemlich belang- und bedeutungslos.


Fazit: kein Anspruch, tut aber auch nicht weh.

Freitag, 21. August 2015

Steven Galloway - The Confabulist

Martin Strauss ist krank, er leidet an Konfabulation: er erinnert sich an Dinge, die jedoch so nie geschehen sind. Sein Gehirn baut ihm einfach neue Erinnerungen ein und streicht alte; wehren kann er sich nicht und er weiß auch nicht, was nun wahr und was falsch ist. So muss er sich auch der Frage stellen, ob er den großen Houdini umgebracht hat (bzw. gleich zwei Mal wie ihm sein Gehirn meldet). Hat er den Illusionisten überhaupt getroffen oder ist auch das nur eine Illusion seiner eigenen Gedanken? Doch warum sonst sollte Houdinis Tochter ihn sonst regelmäßig besuchen – oder ist sie auch wer anders?

Die Rahmenhandlung um den an Konfabulation erkrankten Mann klang extrem spannend, was mich neugierig auf das Buch gemacht hat. Aber dies ist nur die Rahmenhandlung, ein fast zu vernachlässigender Teil des Romans, der in weiten Teilen schlicht das Leben Houdinis, seine Erfolge, der Kampf gegen die Spiritisten, seine vermeintliche Spionagetätigkeit sowie seinen Tod, schildert. Detailliert werden seine Zaubertricks erklärt und dabei auch so manche Illusion zerstört. Ohne mich näher mit dem Zauberkünstler auszukennen, scheint mir dieser Teil gut recherchiert und er wird auch durchaus ansprechend und unterhaltsam erzählt, aber das ist nicht das Buch, das ich lesen wollte. Mich interessierte der andere, der leider keine Rolle spielt. einmal mehr versprach ein Klappentext etwas, das in keiner Weise gehalten wurde.


Fazit: möchte man eine biographisch angelegt Erzählung über Houdini lesen, ist „The Confabulist“ eine gute Wahl, möchte man über getäuschte Erinnerungen lesen, ganz sicher nicht.

Donnerstag, 20. August 2015

Mirjam Pressler - Wer morgens lacht

Auch nachdem sie längst von zu Hause ausgezogene ist und ein eigenes Leben angefangen hat, leidet Anne noch unter der familiären Situation. Dem Vater, dem außer seinen Hasen alles egal ist, der Mutter, die nur ihre Arbeit kennt, der großen Schwester Marie, die einfach alles bekommt, und sie: degradiert zur Putzmagd, die einfach immer funktionieren muss, die alten Kleider aufträgt, gute Noten bringen soll und ansonsten übersehen wird. Als die Oma gestorben war, die einzige, die ihr Zuneigung entgegen brachte, wurde es noch schlimmer. Während Maries Pubertät wurden die Spannungen dann extrem, bis zu dem Tag, als Marie verschwand. Was war mit ihr passiert?

Ein persönlicher Bericht einer Figur, die leidet und durch ihre Brille schon fast paranoid die Familie beschreibt, in schwarz und weiß. Man empfindet Mitleid mit ihr, vor allem, weil sie nicht loslassen kann und auch als junge Frau hochgradig verunsichert ist. Doch der Autorin gelingt es, auch noch ein anderes Bild zu zeichnen, eine weitere Perspektive hinzuzufügen, die einiges in ein anderes Licht stellt und plötzlich sind die Rollen nicht mehr so klar verteilt.


Fazit: keine leichte Kost über die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens.

Mittwoch, 19. August 2015

Ian McEwan - Amsterdam

Molly ist tot. Damit muss nicht nur ihr Ehemann George Lane zurechtkommen, sondern auch ihre ehemaligen Liebhaber, der Musiker Clive Linley, der Journalist Vernon Halliday und Außenminister Julian Garmony. Die letzten Monate in Mollys Leben waren furchtbar, zu sehr war sie von der Krankheit gezeichnet. Aus diesem Grund beschließen Clive und Vernon, alte Freunde seit ewigen Zeiten, einen Packt zu schließen und zu verhindern, dass der jeweils andere derart dahinsiechen wird. Sie stürzen sich wieder in die Arbeit, Clive hat die Millenniums-Sinfonie zu komponieren, Vernon bekommt brisantes Bildmaterial, das den Außenminister stürzen kann, aber nicht unumstritten ist. Nur noch wenige Tage trennen Clive vom Abgabe- und Vernon vom Veröffentlichungstermin, die Lage ist für beide unter höchster Anspannung, die sich dann mit einem Paukenschlag löst und unumkehrbare Dinge in Gang setzt.

Ein Roman recht typisch für Ian McEwan. Die wenigen Protagonisten sind nervlich bis zum Zerreißen angespannt, die Handlung läuft auf einen Kulminationspunkt zu, der nur zwei Optionen lässt: Erfolg oder der tiefe Fall. Interessant finde ich hier insbesondere, dass es nur Männer gibt, die auf ganz unterschiedliche Weise bedroht sind und sich gegenseitig ins Verderben schicken. Die Handlung wie immer stark im Aufbau und überzeugend erzählt. Viele Themen stecken in diesem Roman, von der Angst vorm persönlichen versagen über hochbrisante politische Themen wie Sterbehilfe und der Rolle der Abgeordneten in den Medien.


Fazit: Wie immer keine seichte, leichte Kost, sondern anspruchsvolle Unterhaltung.

Dienstag, 18. August 2015

Nicole Krauss - The History of Love

Leo Gursky hat sich in seiner polnischen Heimat in den 1930er Jahren in das Nachbarsmädchen Alma Mereminski verliebt. Doch die Zeiten sind hat für Juden und schon bald verlässt Alma das Land gen Amerika, noch nicht ahnend, dass sie schwanger ist. Leo wird erst viel später, nach dem Krieg nachfolgen, doch da hat Alma bereits ein neues Leben und der gemeinsame Sohn einen anderen Vater. Alma lebt in der Gegenwart und trauert ihrem viel zu früh verstorbenen Vater nach, der einst der Mutter ein Buch über eine wunderbare Liebesgeschichte geschenkt hat, das diese nun vom Spanischen ins Englische überträgt. Alma beginnt der Geschichte nachzuforschen und langsam nähern sich die beiden Erzählungen an.

„The History of Love“, ein Buch im Buch mit mehreren Erzählsträngen, die nicht einfach auseinanderzuhalten sind. Es dauert, bis man in dem Buch angekommen ist und die zahlreichen parallel verlaufenden Handlungen trennen und nachvollziehen kann. Aber wundersam fügen sie sich schließlich doch zusammen und so wird aus mehreren eine einzige Geschichte über die Liebe zwischen Männern und Frauen und Eltern und Kindern. Jede einzelne Geschichte birgt eine eigene Tragik in sich, die als übergreifende Trauer ein wenig über dem Buch liegt, ebenso wie die Frage nach der Herkunft und der Identität, die sich gleich mehrere Figuren stellen.


Fazit: wenn man den Weg ins Buch gefunden hat, eine wirklich wunderbare Geschichte über die Liebe.

Ruth Prawer Jhabvala - Heat and Dust

Eine junge Engländerin begibt sich Anfang der 1970er Jahre auf Spurensuche nach Indien. Die erste Frau ihres Großvaters, Olivia, über die nie in der Familie gesprochen wurde, ist damals in dem fernen Land geblieben, in dem auch ihre Großeltern Jahrzehnte lang gearbeitet und gelebt haben. Lediglich Briefe geben Zeugnis über die Zeit Olivias, ihre Einsamkeit und ihre Bekanntschaft mit einem lokalen Prinzen – dem Anlass für die Scheidung. Parallel erlebt die Protagonistin Indien in unterschiedlichen Facetten und spiegelt das Land in ihren eigenen Erfahrungen und Erwartungen.

Ein Buch, das gleich zwei Geschichten Erzählt. Das alte Indien unter englischer Herrschaft, wo Geringschätzung und Verachtung gegenüber der lokalen Bevölkerung offen ausgetragen und deren Religion und Tradition belächelt werden, beobachtet durch den Blick Olivias, die sich auch nicht ganz von einer höher stehenden Haltung lösen kann, aber versucht, das Land zu verstehen und letztlich dem Charme eines Prinzen verfällt. 50 Jahre später hat sich vieles getan, die Engländer, die nun kommen, suchen spirituelle Erleuchtung und scheitern doch immer wieder an ihren westlichen Vorstellungen, die ihnen keinen Zugang zu dem Land ermöglichen. Der Autorin gelingt der schmale Grat zwischen neutraler Beschreibung und kritischer Bewertung vor dem Hintergrund der eigenen Biographie.


Fazit: ein interessanter Blick auf ein immer noch unbekanntes Land.

Montag, 17. August 2015

Zoe Jenny - The Sky is Changing

Claire und Anthony sind eigentlich in einer glücklichen Beziehung. Nur ein Kind fehlt, um alles perfekt zu machen, so wie bei Claires Schwester Anne. Ihre Schwimmschülerin Nora führt Claire regelmäßig vor, wie schön es sein könnte, sich als Mutter um ihre Tochter zu kümmern. Welchen Sinn sonst sollte ihr Leben haben, vor allem nach dem schrecklichen Unfall, der es ihr für immer unmöglich machte, zu tanzen. Auch Anthony stellt seinen Beruf als Analyst in Frage und beide sehen sich mit der unausweichlichen Aufgabe konfrontiert, mit Mitte 30 Ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben.

Dieses Buch ist einfach nur Zeitverschwendung. Unsympathische und ausgegorene Figuren gepaart mit einer nicht existenten Handlung basierend auf Zeitsprüngen, die keine Motivation erkennen lassen, was soll das? Die Autorin konnte sich offenbar nicht entscheiden, worüber sie schreiben möchte, daher wartet sie mit dem kompletten Rundumschlag an Themen auf: ungewollte Kinderlosigkeit, gewaltsame Jugendliche in europäischen Großstädten, freie Sexualität, IVF, böse Banken, globaler Terror, psychische Traumata, neue Familienkonzepte, Zusammentreffen verschiedener Kulturen. Dass das alles etwas viel ist, kann man direkt erkennen. Und wenn man es dann versucht irgendwie in einem einzigen Roman unterzubringen, wird alles unausgegoren angerissen, logische Zusammenhänge fehlen gänzlich, Positionen werden nicht klar und der Leser fragt sich, worauf die Autorin eigentlich raus will. Besonders unerträglich bei all diesem erzähltechnischen Mist: die weinerliche und nerv tötende Protagonistin Claire, die sich selbst ganz toll findet und fest daran glaubt, dass sie erst dann ein wertvoller Mensch ist, wenn sie endlich ein Kind geboren hat. Diese unsäglich dümmliche Haltung zeigt sich in all ihren Äußerungen, Gedanken und Handlungen und man fragt sich, wie man so etwas einem Leser im 21. Jahrhundert noch zumuten kann.

Fazit: Vollkatastrophe.

Marianne Jungmaier - Das Tortenprotokoll

Eine unpersönliche Email teilt Friederike mit, dass ihre Großmutter verstorben ist. Zweifelnd macht sie sich auf den Weg in die Heimat. Außer mit der Oma verbindet sie kaum positive Gefühle und Erinnerungen mit dem Ort. Schon der Empfang ist unterkühlt – die Eltern haben noch nie anders kommuniziert als mit gebellten Anweisungen, Zuwendung war Mangelware. Einzig der Nachbarsjunge Tobias, mit dem sie Kindheit und Jugend in Freundschaft und Liebe verbracht hat, gibt ihr Halt. Beim Ausräumen des Hauses stößt Friederike auf das alte Rezeptbuch der Großmutter, das Tortenprotokoll, und dort finden sich neben unzähligen Rezepten auch Briefe, die Zeugnis einer anderen, unbekannten Seite der Frau offenlegen: offenbar gab es im Leben der Witwe nach dem Tod des Mannes noch eine andere Liebe, von der niemand etwas wusste.

Die Tage zwischen Tod und Beerdigung werden zu einer Zerreißprobe für diese hochgradig dysfunktionale Beziehung. Marianne Jungmaier gelingt es unglaublich gut, dies in Worte zu fassen. Besonders die Interaktion der Figuren zeigt, wie gestört das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern und auch zwischen den Schwestern ist. Dazu passt das geheime Leben der Großmutter, das langsam erforscht wird. Vieles wird nicht gesagt, nicht erklärt, aber das ist auch nicht erforderlich, es ist die Atmosphäre, die aus diesem Roman spricht und eine junge Frau vor eine schwere Entscheidung stellt: so weitermachen oder nicht? Kein klassischer coming-of-age Roman und doch steht für mich hier die Beziehung und Auflösung dieser zwischen Protagonistin und ihren Eltern im Vordergrund.


Fazit: gelungene Umsetzung schwieriger innerfamiliärer Beziehungen.

Sonntag, 16. August 2015

Hanif Kureishi - The Black Album

London Ende der 80er Jahre. Der pakistanisch-stämmige Shahid hat es geschafft: er wird studieren gehen. Sein Vater, würde er noch leben, wäre stolz auf den Sohn. Sein älterer Bruder Chili ist weitaus weniger bemüht und wird die kleine Reiseagentur der Eltern wohl eher oder später kaputtwirtschaften. Shahid steckt alle Zeit und Energie in sein Literaturstudium und hat erstmals den Eindruck, die Welt etwas mehr zu verstehen. Seine Mitbewohner bleiben ihm zunächst fremd, doch die gemeinsame Kultur öffnet bald den Weg für eine Freundschaft mit Riaz und Chad. Als die Fatwa gegen Salman Rushdie ausgesprochen wird, berufen diese sich auf ihre Wurzeln und Shahid gerät in einen Strudel von Fanatismus und der Frage, auf wessen Seite er steht: wir oder sie.

Bemerkenswert finde ich, dass das Buch aus dem Jahre 1995 ist, vor dem 11. September und vor den Anschlägen 2005 von London. Präzise zeichnet Kurseishi den Weg in den Fanatismus, die Denkmuster und den Druckengrupp nach, wie er junge Menschen auf diesen Weg bringt. Besonders erstaunlich: wir sind hier nicht in einem bildungsfernen, chancenlosen Milieu, sondern an einem College, wo sich auch die Dozenten in die Diskussionen verstricken und diesen noch befeuern. Im Jahr 2015 gerade auch in Großbritannien hat dieses kurze Drama mehr Aktualität denn je und man fragt sich, wie es trotz bekannter Strukturen doch zu so vielen IS Anhängern kommen kann.


Fazit: wahrscheinlich einer der besten Beiträge zur Thematik.

Mitch Albom - The Five People You Meet in Heaven

Auch an seinem 83. Geburtstag ist Eddie wie immer bei der Arbeit, im Amusement Park Ruby Pier ist er für die Wartung der Fahrgeschäfte und somit die Sicherheit der Kunden zuständig und bisher ist nie etwas passiert. Doch dieser Tag soll anders werden und das Drama nimmt seinen Lauf. Nach einer Schrecksekunde scheint die Gefahr gebannt, doch es soll kein gutes Ende nehmen und so wird Eddie selbst das Opfer. Frisch im Himmel angekommen, begegnet er fünf Personen, die ihm noch eine andere Sicht auf sein Leben und die Welt geben und so dafür sorgen, dass er versteht, warum die Dinge so gelaufen sind, wie es nun einmal war.

Wir Buch, das – trotz des Ansatzes erst einmal den Tod herbeizuführen – durchaus amüsante Momente zu bieten hat und unerwartet viel Zufriedenheit liefert. Nimmt man den Autor für bare Münze, versteht man vieles nicht, was auf Erden geschieht, aber es gibt durchaus nicht nur gute Gründe, sondern Zusammenhänge, die vieles in einem anderen, viel positiveren Licht erscheinen lassen, als wir hier glauben. Man ist gewillt, diesen Ansatz anzunehmen und mit etwas mehr Gelassenheit die Dinge so zu nehmen, wie sie sind oder kommen. Ob dahinter ein christlicher Glaube – der liebe Gott wird schon wissen, was er tut – steckt, kann man vielleicht reinlesen, muss man aber nicht. Allein zu sehen, wie dieselbe Geschichte aus unterschiedlicher Perspektive mit weiteren Informationen plötzlich in ganz anderem Licht erscheint, reicht schon, um voreilige Schlüsse innehalten nochmals zu hinterfragen.


Fazit: empfehlenswerte Lektüre, die einem einfach mal innehalten lässt im Alltag.

Samstag, 15. August 2015

John Le Carré - Our Kind of Traitor

Gail und Perry lernen auf Antigua beim Tennis spielen den russischen Millionär Dima und dessen Familie kennen. Sie sind etwas verwundert über dessen überschwängliche Freundlichkeit, erfahren aber bald schon, was es damit auf sich hat: Dima hat es sich mit seinen Landsleuten verscherzt und will sich nun den Briten als Überläufer anbieten. Er selbst ist tief in Schmuggelgeschäfte verstrickt und kennt sich bestens aus im illegalen internationalen Handel. Im Gegenzug möchte er mit seiner Familie Sicherheit in England bekommen. Perry und Gail stellen den Kontakt zum Geheimdienst her und werden so Vermittler in einem brutalen Spiel um das Leben.

Ein John Le Carré nach meinem Geschmack: Geheimdienst, internationale Verstrickungen, zwielichtige Personen und ein paar Unschuldige dazwischen. Das Intro ist recht lang, bevor man weiß, worum es tatsächlich geht. Am spannendsten der Moment der Konfrontation zwischen dem jungen Paar und dem Geheimdienst, die mit einer gehörigen Portion Misstrauen der Sache begegnen und sie an den Rand des psychischen Wahnsinns treiben. Eine fast perfekte Geschichte für mich, nur die gelegentlichen, für die Handlung völlig unerheblichen, Ausschweifungen in das Vorleben einiger Figuren (und leider nicht der Protagonisten), führt zu Abzug.


Fazit: alles, was man von einem Agentenkrimi erwartet.

Freitag, 14. August 2015

Tom Rachman - The Rise and Fall of Great Powers

2011. Tooley Zylberberg besitzt einen Buchlanden abgeschieden auf einem walisischen Dorf. 1988. Tooley und ihr Vater Paul sind gerade aus Australien weg nach Bangkok gezogen, wo sie wieder einmal eine schreckliche Schule besuchen soll. 1999. Tooley ist in New York und findet in Duncan einen netten Studenten, für den sie sogar ihre Vorsätze beiseiteschiebt. Drei Etappen im Leben einer Frau, die kaum unterschiedlicher sein könnten, man erkennt den Menschen kaum, so sehr hat sie sich in den Jahren dazwischen verändert. Auch die Menschen um sie rum sind jeweils andere. Warum verschließt sie sich vor diesen und was ist das Geheimnis ihrer Vergangenheit?

Ein ungewöhnlicher Roman, der sein Potenzial erst langsam entwickelt und einem dann nicht mehr loslässt. Je mehr man in Tooleys Leben eintaucht, desto faszinierender wird dieses. Man erhält immer nur Fragmente ihres Lebens, die man fleißig wie bei einem Puzzle zusammensetzt, doch ein ganzes Bild will einfach nicht entstehen. Es fehlen Teile, bleiben lange Zeit Lücken. Was von den Erzählungen ist wahr? Wo phantasiert sich das Mädchen etwas zusammen? Erst auf den letzten Seiten lüftet sich der Vorhang und es entsteht ein neues Bild, ungeahnt, aber stimmig.


Fazit: lese, lese, lesen. Eine wunderbare Lebensgeschichte mit viel Mysterium und Literatur.

Mara Ferr - 41, Rue Loubert

Das unerklärliche Verschwinden von 18 Männern beschäftigt die Pariser Polizei. Alle Spuren führen zu einer einzigen Adresse: 41, rue Loubert. Dort lebt seit Jahrzehnten Louise, eine äußerst diskrete Prostituierte, die nur Männer aus den höchsten kreisen bedient und aufgrund ihrer zurückgezogenen Lebensweise von diesen nicht nur geschätzt, sondern auch protegiert wird. Ihr Start ins Leben war schwer, aber sie hat sich aus ärmlichen Verhältnissen rund um den Marseiller Hafen hochgearbeitet und kann sich ihre Kunden seit langem aussuchen. Nur Luc, einem geistig und körperlich behinderten Sohn einer ihrer Beschützer, übernimmt sie ohne dies in Frage zu stellen. Aber Louise hegt auch Geheimnisse, die sie vor ihren Kunden und der Polizei gut zu verstecken weiß, doch man ist ihr auf den Fersen.

Ein Krimi, bei dem vieles schon bald klar ist und der trotzdem nichts an Atmosphäre verliert. Der Autorin ist es wirklich gelungen, das Milieu glaubwürdig darzustellen und die Protagonistin facettenreich und differenziert zu zeichnen. Sie trägt den Roman und zeigt sowohl sympathische wie auch weniger schöne Seiten. Weniger spannender als Krimi als interessante und überzeugende Sozialstudie, die unterhaltsam zu lesen ist.

Mittwoch, 12. August 2015

Neil Gaiman - The Ocean at the End of the Lane

Ein Mann kehrt zurück an den Ort, wo er als Kind gelebt hat und trifft dort auf eine alte Nachbarin. Er erinnert sich an die Ereignisse 40 Jahre zuvor. Die seltsamen Dinge begannen mit einem Bergarbeiter, der als Untermieter bei ihnen einzog und kurz darauf tot war, ebenso wie die Katze der Familie. Ursula Monkton zog als nächstes ein, um auf den Erzähler und seine Schwester aufzupassen, während die Mutter einer neuen Arbeit nachgeht. Er hatte sofort ein ungutes Gefühl, das sich zunehmend verstärkte. Ursula war böse und hinterhältig, aber außer ihm konnte das offenbar niemand sehen. Unterstützung erhielt er nur von dem Nachbarsmädchen Letti, die über ungeahnte Fähigkeiten verfügte und dadurch ein großes Unglück verhindern konnte.

Ein phantastischer Roman mit vielen Elementen der Fantasy Welt ohne jedoch zu weit die Realität zu verlassen. Es spielt mit den kindlichen Ängsten vor Monsters verschiedener Art, der Beobachtung der Welt, insbesondere der Welt der Erwachsenen, die ihnen oftmals nicht zugänglich ist. Nur treibt Gaiman sie etwas weiter, aber ob die Erinnerung später daran wirklich das wiedergibt, was tatsächlich geschah, stellt er bzw. seine Figuren selbst in Frage. nie erinnern sich zwei Menschen in gleicher Weise an dasselbe Ereignis, manchmal trügt einem das, was man glaubt zu sehen oder zu erinnern auch einfach.


Fazit: Monster und Magie in erstaunlicher Weise ganz un-Fantasy-mäßig im besten Sinne zusammengebracht.

F. Scott Fitzgerald - Tender is the Night

F. Scott Fitzgeralds vierter Roman spielt im Frankreich der 1920er Jahre. Die Schauspielerin Rosemary Hoyt, eine junge amerikanische Schauspielerin, lernt dort das Ehepaar Dick und Nicole Diver kennen und ist sofort von ihnen fasziniert. Doch etwas stimmt mit den beiden nicht, auffällig ist besonders Dicks Neigung permanent Alkohol zu konsumieren. Bei einem Zwischenfall in Paris kommen sie Rosemary, die inzwischen schwer verliebt in Dick ist und sich ihm offensiv an den Hals wirft, zu Hilfe und können so ihre Karriere retten. Ein Rückblick lüftet dann das Geheimnis um diese wundersame Beziehung zwischen Dick und Nicole: er hat sie als er gerade anfing als Psychologe zu arbeiten in einer Klinik kennengelernt, wo sie wegen einer schweren Neurose untergebracht war. Die Ehe hatte schon vor Rosemary Risse und langsam aber sicher nähert sie sich ihrem absehbaren Ende entgegen.

Auch wenn der Roman vielfach gelobt und oftmals als das bessere Werk F. Scott Fitzgeralds angesehen wird, kann ich die Reaktionen zu Zeiten der Veröffentlichung nachvollziehen. Hat man im „Great Gatsby“ das große Motiv, das den Protagonisten leitet und antreibt und dem er alles unterordnet, fehlt hier ein den Roman durchziehendes Thema. Auch hat mich verwundert, wie zunächst Rosemary ganz klar im Fokus steht und dann plötzlich bedingt durch die Rückblende verschwindet und auch später nur noch als Randfigur in Erscheinung tritt. Auch habe ich bessere Romane aus der Entstehungszeit gelesen, die sich mit psychischen Erkrankungen und deren Realisierung in Figuren auseinandersetzen.


Fazit: kann m.E. dem „Great Gatsby“ nicht ansatzweise das Wasser reichen.

Ian Fleming - Diamonds are Forever

Ian Flemings vierter Fall für den Doppel-Null Agenten des Secret Service. Special Branch hat Informationen über einen Diamantenschmugglerring und M. beauftragt Bond, sich in diesen zu infiltrieren, um den Weg von Sierra Leone in die USA und die dortigen Hintermänner offenzulegen. Tiffany Case organisiert in London den Transport und erteilt ihm erste Anweisungen. In den USA trifft er dann schnell auf „The Spangled Mob“, die Brüder Jack und Seraffimo Spang, die offensichtlich das Geschäft leiten. Die Abwicklung läuft nach Plan, doch dann setzt sich Bond über die Anweisungen der Brüder hinweg und verärgert diese.


Der Plot ist durchaus interessant, die Tatsache, dass er auf Recherchen Flemings für ein Sachbuch über Diamantenschmuggel beruht, lässt auch vermuten, dass vieles in der Darstellung durchaus authentisch sein könnte. Allerdings ist der Diamantenschmuggel letztlich nur Vorwand und die eigentliche Problematik kommt leider viel zu kurz. Auch bleiben mir die Figuren hier zu blass, es gibt schlichtweg zu viele Gegenspieler, die alle zu schwach gezeichnet sind, es fehlt die psychologische Motivierung, wie man sie auch anderen Geschichten kennt. Der Rest – das klassische Bond-Girl, der aktionreiche Showdown mit Verfolgung etc. – war wenig überraschend, positiv beeindruckt haben mich allerdings die Dialoge zwischen Bond und M., die unerwartet viel Witz und Esprit seitens des Agenten zu bieten hat. 

Montag, 10. August 2015

Jami Attenberg - The Middlesteins

Eine jüdische Familie in Chicago. Richard, seines Zeichens Apotheker, hat die Gemeinde mit aufgebaut, seine Frau Edie war erfolgreiche Anwältin. Die Kinder Robin – etwas problematische Tochter – und Benny sind inzwischen erwachsen und mit Bennys Frau und den Zwillingen, die kurz vor der Bar/Bat Mitzwa stehen, könnte alles so schön sein. Doch Richard hat die Nase voll von Edie und vor allem ihrer Fresssucht und verlässt seine Frau nach über 30 Jahren Ehe. Diese nimmt das eher teilnahmslos zur Kenntnis, hart sie doch andere Sorgen, schließlich fühlt sich gerade die ganze Familie berufen, sich um ihre Gesundheit und vor allem ihr Gewicht zu kümmern, dabei möchte Edie einfach nur alleine und in Ruhe Essen. Aber auch alle anderen in der Familie haben so ihre kleinen und großen Sorgen des Alltags, die jedoch alle hinter der großen Feier zurückstehen müssen.

Eine unkonventionelle Familiengeschichte, die nicht chronologisch und aus unterschiedlichen Perspektiven berichtet wird. Der typisch jüdische Humor fehlt hier auch in keiner Weise und man merkt, dass nicht alles ernst genommen werden muss, auch wenn es letztlich doch um ganz essentielle Themen wie der individuellen Lebensgestaltung, der Zusammengehörigkeit als Familie und Einsamkeit geht. Jami Attenberg gelingt die Gratwanderung zwischen unterhaltsam und ernsthaft und sie lässt den Leser spüren, dass sie alle ihre Figuren mit all ihren kleinen und großen Fehlern gern hat und diese es verdient haben trotz allem geliebt zu werden. So wie im echten Leben.


Fazit: ein wundervoller Roman, der jedes Lob zu Recht bekommen hat.

Hila Blum - Der Besuch

Ausgerechnet in dieser Woche kündigt sich ein Besucher an, den sie schon beinahe vergessen hatten. Nili und Nati sind alleine, die Töchter sind bei Verwandten untergekommen und das Paar könnte die Zweisamkeit genießen. Stattdessen will Duclos sie besuchen, ein französischer Millionär, der ihnen einst in Pais aus der Patsche geholfen hat. Die Ankündigung wirft Nili aus der Bahn, denn die letzten Worte, die sie mit ihm gewechselt hatte, hat sie nie vergessen, seine Zweifel an dieser Beziehung nagen an ihr und so lässt sie während Jerusalem unter der Hitze leidet das Leben mit Nati, dessen Tochter aus erster Ehe und ihrer gemeinsamen Tochter Revue passieren.

Die Rahmenhandlung – das Warten auf das Wiedersehen mit dem Franzosen – liefert Anlass und Spannung für den Roman. Weshalb sucht er sie nach all den Jahren auf und was wird er sagen? Hatte er vielleicht doch Recht und konnte schon damals noch während der ersten Verliebtheit erkennen, dass das zwischen Nati und Nili nicht funktioniert und nur der Alltag kaschiert, was eigentlich schon nicht mehr funktioniert? Alle Beziehungen im Roman werden hinterfragt, kurze Episoden, die Risse offenbaren und tiefe Schnitte, die Dysfunktionalitäten offenlegen und Schwächen und Ängste zum Vorschein bringen. Das erlösende Gewitter am Ende, das überraschend verlaufende Zusammentreffen und ein Kinderspiel reinigen schließlich die Luft.


Fazit: ein tiefer Roman, der Einblick in die Gedanken- ebenso wie Gefühlswelt einer Frau gibt und alle Facetten spiegelt.

Sonntag, 9. August 2015

Nick Groom/Piero - Shakespeare. A Graphic Guide

Shakespeare – klassischerweise als schwerer Stoff angesehen – hier nun in einem ungewöhnlichen, aber durchaus gelungenen Format. Nick Groom als Autor für den Text zuständig bringt auf knapp 200 Seiten alles Relevante in aller Kürze auf den Punkt und kann so als Kurzeinführung zum vermutlich größten englischsprachigen Autor durchaus dienen. Mit aller Vorsicht bei der ungewissen Faktenlage holt er zum Rundumschlag in Sachen Biographie, Werk und Zeit Shakespeares aus und lässt auch die unterschiedlichen Interpretationsansätze des 20. Jahrhunderts – New Historicism ebenso wie Feminism und Queer Theory – nicht aus. Abgerundet mit einem Überblick über das Werk sowie einer Bibliographie ein unterhaltsamer Einstieg in die Thematik.

Piero begleitet den Text mit Zeichnungen, die die geschilderten Aspekte nicht nur graphisch umsetzen, sondern auch bisweilen kommentieren und karikieren. Er lässt Shakespeare und seine Zeitgenossen in dieser Weise auferstehen und hat neben den Informationen des Haupttextes so einen weiteren Blickwinkel auf den Autor.

Aus der „A Graphic Guide“ Reihe gibt es offenbar – mir war die Reihe bislang nicht bekannt – eine ganze Menge an Werken aus dem philologischen Spektrum. Sicherlich mangelt es hier an der notwendigen Tiefe, möchte man sich wissenschaftlich mit der Thematik befassen. Als Einstieg und erster Kontakt finde ich dieses Werk jedoch ausgesprochen gelungen; es macht einen gut recherchierten Eindruck, ist unterhaltsam zu lesen (ähnlich wie auch Bill Brysons Biographie) und kann somit seinen Zweck auch voll erfüllen.



Martin Suter - Montecristo

Jonas Brand ist Videojournalist und immer auf der Suche nach einer Geschichte. Ein Personenschaden in einem Zug, den er als Fahrgast miterlebt, könnte so eine Story sein. Doch interessanter ist etwas anderes, das ihn gerade beschäftigt: als er sich zufällig zwei seiner Geldscheine anschaut, stellt er fest, dass sie dieselbe Seriennummer tragen. Erkundigungen bei seiner Bank zeigen, dass beide echt sind und es diesen Fall gar nicht geben dürfte. Als seine Wohnung durchsucht und er selbst überfallen wird, merkt er, dass er sich offenbar mit deinen Nachforschungen auf dünnes Eis begeben hat. Der bereits vergessene Personenschaden erhält durch die Recherchen plötzlich auch eine ganz andere Bedeutung und als man ihn unerwartet außer Landes schickt, wird ihm plötzlich klar, dass er offenbar für einige Leute eine echte Bedrohung darstellt und diese auch nicht davor zurückschrecken, ihn mit allen Mitteln aus dem Weg zu schaffen.

Martin Suter greift die nun schon seit Jahren andauernde Bankenkrise auf und verarbeitet diese literarisch in einem durchaus unterhaltsamen Krimi. Allerdings bleibt die Handlung doch arg konstruiert, so dass die Menge an Zufällen irgendwann dann doch überhandnimmt und an Glaubwürdigkeit verliert. Auch erwartet er von seinen Lesern offenbar nicht allzu viel Nachdenken und Wissen um die komplexen Zusammenhängen beim Thema Bankenskandal:  alles wird in kleinen Häppchen mundgerecht und äußert simplifiziert dargeboten. Auch das Ende – es drängt sich der Verdacht auf, dass hier schon an die Verfilmungsmöglichkeiten gedacht wurde – bietet eher einen unglaubwürdigen Showdown als ein sauberer, nachvollziehbarer Abschluss. Wanja  Mues als Vorleser wiederum ist einer der besten seines Faches und macht das Zuhören zu einem Genuss.


Fazit: durchaus spannend, aber man könnte die Thematik anspruchsvoller verarbeiten.

Samstag, 8. August 2015

E.L. Doctorow - Andrew's Brain

Andrew erzählt. Weder weiß man, wo er sich befindet, noch zu wem er spricht. Einem Psychologen offenbar, der jedoch namenlos bleibt und nur gelegentlich unterbricht und nachfragt. Weshalb hat er seine Tochter weggeben? Noch dazu zu seiner Exfrau und deren bulligem neuen Gatten? Welchen Einfluss hat seine Profession, die Kognitionswissenschaft, auf den Verlauf seines Lebens, seine Persönlichkeit und sein Schicksal? Und wie stehen letztlich seine scheinbare Einweisung, die Ereignisse des 11. September und seine zweite Liebe im Zusammenhang?

Versucht uns Doctorow durch seinen Erzähler Andrew mit dem Wissen über die Funktionsweise des Gehirns Einblick in selbiges zu geben, zerstört er es gleichsam wieder indem er einem stream of consciousness folgend sein Leben – oder eher Episoden und Phasen selbigen – mosaikartig Revue passieren lässt, was erst am Ende ein Ganzes wird und die Erzählsituation erklärt. Das Leben Andrews weist all die Höhen und Tiefen auf, die jeder Mensch kennt, nur dass sie offenbar höher und tiefer angelegt sind. Man hegt Zweifel, schließlich werden die Begebenheiten einem Psychologen berichtet, der sicherlich nicht ohne Grund aufgesucht wurde. Oder täuscht ihn seine eigene Erinnerung und gar nichts von all dem hat sich zugetragen? Man weiß es nicht und muss es auch nicht wissen. Der Genuss liegt in Doctorows Sprache und dem Eintauchen in die Gedankenwelt eines gleichzeitig zutiefst verstörten und doch wieder messerscharf analysierenden Mannes.


Fazit: Doctorows letztes Werk folgt keinem vorgetrampelten Pfad und zeigt einmal mehr wie man Geschichte, Wissenschaft du Fiktion gelungen miteinander verbinden kann.

Freitag, 7. August 2015

Stefanie Kremser - Der Tag, an dem ich fliegen lernte

Sie hatte einen chaotischen Start ins Leben: noch im Krankenhaus ergreift Luisas Mutter Aza die Flucht und wirft mal eben noch das Töchterchen aus dem Fenster. Ein Schutzengel in Form des Engländers Fergus ist jedoch zur Stelle, um sich ebenso um das Wohlergehen des Mädchens zu kümmern wie der nun alleinerziehende Student Paul und der Rest der WG: der angehende Comiczeichner Max sowie die etwas verschrobene Irene. Gemeinsam erziehen sie Lulu, der es an nichts fehlt, schon gar nicht an einer Mutter. Erst ein tragisches Ereignis lässt diese Idee Jahre später überhaupt erscheinen und als die WG nach Ende des Studiums vor der Auflösung steht, entscheidet Paul, dass es an der Zeit ist, Aza aufzusuchen. Gemeinsam begeben sich Vater und Tochter auf eine Reise in die Vergangenheit und quer über den Planeten.

Titel und Cover haben mich lange Zeit so gar nicht angesprochen und die Vorstellung einer sehr leichten Liebesschnulze erweckt. Das ist das Buch so gar nicht, ganz im Gegenteil. Ich bezaubernd lockerem Plauderton berichtet Lulu als kindliche Erzählerin von ihrer ungewöhnlichen Lebenssituation und der Suche nach der Mutter. In zwei der drei Teile steht das Mädchen im Zentrum und diese sind die wirklich gut gelungenen und durchaus spannend, da man schnell wissen möchte, ob das Unterfangen, die Mutter zu finden, gelingt. Der Mittelteil, der die Vergangenheit der Auswanderer beleuchtet, weist doch einige Längen auf, ist jedoch zum Verständnis des Handelns der Figuren auch notwendig. Die Handlung ist amüsant und lädt an vielen Stellen zum Schmunzeln ein, die Dialoge wirken authentisch und so entsteht eine ungewöhnliche Geschichte, die einem wirklich packen kann.


Fazit: für mich völlig überraschend ein gelungener und unterhaltsamer Roman.

Donnerstag, 6. August 2015

Gillian Flynn - Dark Places

Libby Day, jüngstes von vier Kindern ist gerade einmal sieben als ihre Familie ausgelöscht wird. Als Täter kommt nur ihr großer Bruder Ben in Frage, der daraufhin für Jahrzehnte ins Gefängnis wandert. Viele Jahre später wird Libby mit ihrer Vergangenheit erneut konfrontiert und stellt erstmals die Frage, ob das, was sie glaubt in der verhängnisvollen Nacht beobachtet zu haben, tatsächlich das war, was wirklich geschah. Zwischen Vergangenheit und Heute zeichnet sie die Ereignisse des kalten Januartages nochmals nach, stellt Nachforschungen an und erkennt, dass manchmal offensichtliche Dinge doch ganz anders sein können als sie scheinen.

Gillian Flynns zweiter Roman ist noch weit von dem entfernt, was ihr später mit „Gone Girl“ gelingt. Das Grundkonzept – aus verschiedenen Perspektiven dieselben Ereignisse erzählen und mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Realitätswahrnehmung spielen – verwendet sie auch hier schon, doch bleibt die emotionale Einbindung des Lesers, wie es „Gone Girl“ meisterlich gelingt, schlichtweg aus. Die Figuren sind durch die Bank unsympathisch aber in einer Weise, die sie einem egal werden lässt. Es fehlt die durchtriebene Schläue, die sie späteren Figuren verleiht und bleibt nur eine gewisse Asozialität, die das Buch über weite Strecken ziemlich abstoßend macht. Der Plot ist zwar insgesamt tatsächlich schlüssig (daran glaubte ich zwischendurch sehr lange nicht), aber gegen Ende hin zu aufgebläht, um realistisch zu erscheinen.


Fazit: kann „Gone Girl“ bei weitem nicht das Wasser reichen, keine Leseempfehlung.

P.D. James - An Unsuitable Job for a Woman

Nach dem Tod ihres Partners steht Cordelia Gray plötzlich alleine da mit der Pryde Detektivagentur. Ihr erster Fall alleine führ sie zu Sir Ronald Callender, der den Tod seines Sohnes untersuchen lassen möchte. Dieser hat sich scheinbar selbst umgebracht, doch der Vater hat Zweifel an den Aussagen der Polizei. Vieles im Umfeld von Sir Callender erscheint seltsam. Warum hat Mark sein erfolgreiches Studium in Cambridge einfach aufgegeben, um als Gärtner zu arbeiten, noch dazu wo ihn bald schon eine große Erbschaft erwartet. Seine Freunde scheinen ebenfalls etwas zu verbergen und der Laborassistent des Vaters erscheint ebenfalls als verdächtiger Bursche. Cordelia beginnt nachzuforschen und trifft neben einer Mauer des Schweigens schon bald auch auf ganz alte Geschichten, die mit Mark begraben werden sollten.

Ein überzeugender britischer Krimi, der nichts zu wünschen übrig lässt. Das Milieu: klassisch bessere Gesellschaft, die ihre Distanzen wahr und sich abzugrenzen weiß und über das notwendige Personal verfügt, das schon mal seine Augen und Ohren aufsperren kann. Die Ermittlerin wirkt erfrischend unkonventionell aber clever und kann entsprechend sauber Zufälle das Rätsel lösen. Die Dialoge wirken authentisch, so dass der ganze Plot mit mehreren unerwarteten Wendungen gespickt realitätsnah und glaubwürdig wird.


Fazit: klassischer Krimi nach altem Muster.

Viveca Sten - Tödlicher Mittsommer

Auf der beschaulichen Schäreninsel Sandhamn wird die Leiche eines Mannes angespült. Offenbar lag er schon länger im Wasser und hat sich in einem Fischernetz verfangen. Da es keine Anzeichen von Fremdeinwirkung gibt, geht Kommissar Thomas Andreasson von einem Unfall aus. Als jedoch nur wenige Tage später die Cousine und einzige Verwandte des Mannes ebenfalls ermordet auf der Insel aufgefunden wird, liegt der Verdacht des heimtückischen Mordes auf der Hand. Aber was hatten die beiden auf der Insel zu suchen? Und vor allem: wen haben sie besucht? Die Anzahl der Bewohner ist überschaubar, aber keiner scheint sie gesehen und gesprochen zu haben. Ein dritter Toter bringt langsam Licht ins Dunkel.

Viveca Sten schafft es, die beschauliche Sommeridylle, die bisweilen durch Massen von Touristen auch gestört wird, geschickt mit einem interessant konstruierten Mordfall zu verbinden und so Krimispannung und literarische Erholung in den Schären miteinander zu verbinden. Der Fall ist komplex genug, um verschiedenste glaubwürdige Spuren zu erlauben und nicht direkt zum Mörder zu führen und wird sauber gelöst und glaubwürdig motiviert. Die Figuren, allen voran die beiden Protagonisten Nora und Thomas, haben ihre Ecken und Kanten ohne jedoch wie so viele andere gerade skandinavische Ermittler in Depression und Alkoholsucht zu versinken. Die wirken authentisch, lebensnah und ihre private Geschichte läuft nebenbei ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen.


Fazit: spannende Unterhaltung, die nicht nur den Mord zu bieten hat.

Mittwoch, 5. August 2015

John LeCarré - A Murder of Quality

George Smiley hat den Geheimdienst hinter sich gelassen und ist nun quasi Rentner. Als eine ehemalige Kollegin ihn um Rat fragt und um Hilfe bittet, ist er jedoch gerne bereit, sie zu unterstützen. Eine Bekannte hat sich mit einem Brief an sie gewandt, in dem sie klar die Angst formuliert, dass ihr Ehemann ihr etwas antun könnte. Dieser ist Lehrer an einem Nobelinternat und nur wenige Tage später ist Stella Rode tot. Heimtückisch und brutal wurde sie abends ermordet als ihr Mann nochmals kurz das Haus verlassen hat. Der Verdacht Smileys fällt natürlich auf diesen, obwohl die Schule, stark bemüht jedes Aufsehen zu vermeiden und das Ansehen zu schützen, schnell eine Schuldige außerhalb der eigenen Mauern präsentiert. Smiley beginnt mit seinen Nachforschungen und stellt bald fest, dass die Welt hinter den Fassaden ganz anders ist, als sie scheint.

Völlig ungewohnt für die Krimis von John LeCarré sind hier einmal nicht der Geheimdienst und der Kalte Krieg im Fokus, sondern George Smiley ermittelt relativ klassisch. Neben den typischen Krimielementen mit Verdächtigen, dem Verfolgen von Spuren, Sidetracks etc. kommt hier einmal mehr LeCarrés untrügliches Gespür für gesellschaftliche Gegebenheiten zum Vorschein. Messerscharf kann er das britischen Klassensystem charakterisieren durch kleine oft dezente Bemerkungen seiner Figuren grenzen diese sich untrüglich von anderen Schichten ab und geben so dem Krimi eine ganz besondere Note, da die Oberflächlichkeit und der Standesdünkel drastisch zu Tage treten und sich offenbart, was hinter der Fassade der höheren Schichten wirklich zu finden ist. Für mich ist diese Kritik an dem Gebaren dieser Menschen fast spannender und interessanter gewesen als der Mord, der glaubwürdig motiviert ist und sauber gelöst wird.


Fazit: untypischer LeCarré, aber überzeugender Krimi.

Dienstag, 4. August 2015

Sophie Hannah - Pictures or It Didn't Happen

Chloe kann es nicht fassen, sie hätte nur an eine einzige Sache denken müssen und die hat sie vermasselt. Das Vorsingen ihrer Tochter können sie nun vergessen und deren großer Traum wird wegen ihres Lapsus nicht in Erfüllung gehen. Doch sie werden gerettet, noch dazu von einem sympathischen Mann. Doch als sich Chloe wenige Tage später bei ihm bedanken möchte, wird sie eindringlich vor ihm als Soziopath gewarnt. Als er sich bei ihr meldet und sie zum Essen einlädt, stutzt sie, doch sein Charme lässt sie dahin schmelzen. Nur ihre Freundin bleibt skeptisch. Niemand warnt ohne Grund vor jemandem und sollte es Chloe nicht hellhörig machen, wie perfekt alles mit diesem Unbekannten scheint? Zwei Detektive sollen Nachforschungen anstellen und die Warnung vor dem Soziopathen soll sich als durchaus begründet rausstellen…

Einmal mehr ein Krimi von Sophie Hannah, der mich nicht überzeugen kann. Wie auch schon in anderen Romanen ist die Grundidee wirklich gut und überzeugend, aber die letztliche Ausarbeitung lässt zu wünschen übrig. Die Figuren sind plakativ und eindimensional gezeichnet, die Dialoge unglaubwürdig und alles geht einmal mehr viel zu schnell, um überzeugen zu können. Insbesondere den Detektiven mangelt es an Glaubwürdigkeit und ihre Überführungstaktik halte ich für ausgemachten Unfug.


Fazit: keine gute Wahl.

Marc Elsberg - Blackout [Hörbuch]

Zuerst scheint es nur ein unbedeutender winterlicher Stromausfall, doch bald schon wird klar, dass in ganz Europa die Stromnetzte zusammengebrochen sind und das mit verheerenden Folgen. Nicht nur frieren die Menschen schon bald in ihren Wohnungen und die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln wird knapp, sondern auch die Kraftwerke, insbesondere die AKWs melden erschreckende Fehlfunktionen. Piero Manzano, Informatiker und ehemaliger Hacker, vermutet einen heimtückischen Angriff und versucht den Behörden seine Erkenntnisse mitzuteilen. Doch dort zögert man lange einem Mann mit seiner Biographie zu vertrauen. Je länger der Ausfall andauert, desto mehr liegen die Nerven blank. Piero Manzano kämpft dennoch weiter und findet schließlich die entscheidende Lücke.

Das Szenario ist clever konstruiert und durchaus glaubwürdig dargelegt. Die sich nach und nach zuspitzende Situation anhand unterschiedlicher Privatmenschen, die Verzweiflung und Hilflosigkeit der Staatsoberhäupter und auch die Motivation der Täter lassen die Geschichte nachvollziehbar und durchaus real erscheinen. Der Komplott erscheint mir durchaus realistisch und naheliegend als perfider Angriff auf die Zivilisation. Durch unterschiedliche Schauplätze und parallel verlaufende Handlungen wird auch die Spannung über weite Teile erhalten. Einziger Kritikpunkt wie so oft in dererlei Büchern: der völlig überzogene und in keiner Weise glaubwürdige Superheld, der die Welt quasi im Alleingang rettet, obwohl er verprügelt und angeschossen wurde, seit Tagen weder Schlaf noch wirkliche Nahrung erhält und dennoch geistige und physische Höchstleitung erbringen kann. Unabhängig von der völligen Überzogenheit dieser Figur erschient es mir in der heutigen Welt auch wenig glaubhaft, dass eine einzelne Person ernsthaft ein Hackernetz zu Fall bringen könnte und tausenden Experten immer voraus ist.


Fazit: interessante Thematik unterhaltsam dargeboten.

Montag, 3. August 2015

Friedrich Ani - Der namenlose Tag

Jakob Franck, Kommissar im Ruhestand, wird mit einem alten Fall konfrontiert. Die damals 17-jährige Esther Winther hatte sich scheinbar im Park erhängt, Aussagen von Schulfreunden bestätigten Anzeichen für eine Depression. Zwanzig Jahre später sucht ihr Vater Franck auf mit einer damals schon vorhandenen Theorie: Esther wurde ermordet. Als Täter kommt für den Vater ein Arzt aus der Nachbarschaft in Frage, der scheinbar Affären mit jungen Mädchen hatte. Franck übernimmt den „Fall“ und rollte ihn erneut auf. Lange Gespräche mit dem Vater, der Tante und ehemaligen Freunden lassen die Tat in einem neuen Licht erscheinen.

Friedrich Ani schafft es, mit ungewöhnlichen Figuren außergewöhnliche Fälle zu konstruieren. Was ihm mit Tabor Süden meisterlich gelingt, funktioniert mit Jakob Franck leider gar nicht. Der Protagonist im Unruhezustand weckt keinen Funken Sympathie, seine lethargische Art und das selbstgerechte Auftreten nerven einem recht schnell. Sein Gegenüber ist nicht minder unattraktiv – beide Männer, von den Frauen verlassen, vereinsamt, sprachlos, stellen so ziemlich genau das dar, was ich als Leser sehr anstrengend finde: sich selbst in eine Depression schickende, träge Charaktere, die keinen Elan aufbringen, um ihr Leben zu gestalten. Franck verfügt auch weder über Witz noch über sprühende Intelligenz, seine scheinbar angelegt Empathiefähigkeit erscheint eher als aufdringliches Betatschen denn als einfühlsames Nähern.

Der Fall selbst entbehrt auch jeglicher Spannung. Zwar werden verschiedene Fährten gelegt, aber das Opfer bleibt zu fremd, um Interesse an der Aufklärung aufzubauen. Die letztliche Lösung ist auch zu flach, um zu überzeugen.


Fazit: das kann Friedrich Ani besser, Jakob Franck könnte von Tabor Süden viel lernen.

Ava Dellaira - Love Letters to the Dead

Eine Schulaufgabe bringt Laurel dazu, Briefe an Verstorbene zu schreiben, denen sie ihre Sorgen beichtet. Davon hat sie genug, nach dem Tod ihrer älteren Schwester May ist nämlich nichts mehr wie es war oder sein sollte. Sie gibt sich selbst die Schuld an dem tragischen Ereignis und daran, dass die Familie nicht mehr funktioniert, ihre Mutter sie verlassen hat. Auf der neuen High-School will sie das Mädchen sein, das sie immer bewundert hat und beginnt ihre Schwester zu kopieren, deren Kleider zu tragen und sich wie sie zu verhalten – mit drastischen Folgen. Doch langsam nähert man sich auch den Hintergründen, die zu Mays Tod geführt haben und Laurel nach wie vor jagen.

Ein über weite Strecken sehr trauriges Jugendbuch, das m.E. die Sprache der jungen Laurel sehr gut und authentisch trifft. Vor allem das Verhältnis der beiden Schwestern zueinander ist wunderbar gelungen darzustellen. Das Ausmaß an schrecklichen Einzelereignissen, denen der Teenager ausgesetzt war, zeigt sich erst nach und nach und lässt einem fragen, wie viel man von den Menschen um einen rum eigentlich weiß und wie viel nur Facade für die Außenwelt ist. Ganz unterschiedliche Adressaten hat die Autorin für die Briefe gefunden und alle sind glaubwürdig motiviert mit ganz eigenen Noten, so dass sich nie der Eindruck von Wiederholung einstellt.


Fazit: ein wirklich gelungenes, sehr berührendes Buch, das weit mehr als nur die Probleme des Erwachsenwerdens thematisiert.

Miles Jaffe - The Hamptons Dictionary: The Essential Guide to Class Warfare

Miles Jaffes Wörterbuch entstand aus einer spontanen Idee heraus, als er sich einmal wieder über die Bewohner (oder besser: Hausbesitzer) der Hamptons geärgert hat. Auf seine Internetseite „nukethehamptons.com“ hat er so viele positive Reaktionen erhalten, dass er das typische Blabla Vokabular der Hamptons zusammengetragen hat. nach einer kurzen, linguistisch durchaus interessanten, Einführung listet er Begrifflichkeiten und deren spezifische Bedeutung für die Hamptons auf.

Was relativ langweilig klingt, gibt jedoch einen immer tieferen Einblick in das surreale Verhalten und Leben der Superreichen. Manche Begriffe wie „cidiot“ (= city idiot) oder „Label whore“ sind einem aus anderen Kontexten durchaus bekannt, auch dass es „Nanny-cams“ zum Überwachen der Kindermädchen gibt, dürfte sich herumgesprochen haben. Daneben gibt es Wortneuschöpfungen, die einem laut loslachen lassen, wie etwa „garage mahal“ für die Sucht nach Riesengaragen oder „tanorexia“ bei zu viel Sonneneinstrahlungsbedarf. Auch die Erläuterungen beispielsweise zu „Feng Shui“ als asiatische Einrichtungsphilosophy oder alternativ schlichter Marketingtrick lassen schmunzeln.

Aber an manchen Stellen traut man seinen Augen kaum, dass es etwas wie „anal bleaching“ gibt, wäre mir im Leben nicht eingefallen, eine „acquired incompetence“ aufgrund der dauernden Bemutterung von allerlei Personal ist schon fast erschreckend, getoppt wird dieses für mich nur durch folgenden Eintrag:

sacrificial lamb n. 1. A child maintained only for the sake of appearances. A necessary ornament. 2. A child, often adopted, to impress others and enhance the status of the parent or parents. A trophy child.“


Fazit: unterhaltsam bis erschreckender Blick in eine Welt irgendwo auf einem anderen Planeten.

Sonntag, 2. August 2015

Lovelybooks Let's Read in English Challenge - August

Reading List August:

68. Ben Lerner - Leaving the Atocha Station
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69. Miles Jaffe - The Hamptons Dictionary
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70. Ava Dellaira - Love Letters to the Dead
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71. Sophie Hannah - Pictures or It Didn't Happen
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72. John Le Carré - A Murder of Quality
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73. P.D. James - An Unsuitable Job for a Woman
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74. Gillian Flynn - Dark Places
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75. E.L. Doctorow - Andrew's Brain
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76. Nick Groom/Piero - Shakespeare. A Graphic Guide
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77. Jami Attenberg - The Middlesteins
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78. Ian Fleming - Diamonds are Forever
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79. F. Scott Fitzgerald - Tender is the Night
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80. Neil Gaiman - The Ocean at the End of the Lane
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81. Tom Rachman - The Rise and Fall of Great Powers
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82. John Le Carré - Our Kind of Traitor
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83. Mitch Albom - The Five People You Meet in Heaven
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84. Hanif Kureishi - The Black Album
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85. Zoe Jenny - The Sky is Changing
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86. Ruth Prawer Jhabvala - Heat and Dust
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87. Nicole Krauss - The History of Love
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88. Ian McEwan - Amsterdam
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89. Steven Galloway - The Confabulist
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90. Sarah Dessen - That summer
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91. Matthew Costello/Neil Richards - Cherringham: Thick as Thieves
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92. Hilary Mantel - An Experiment in Love
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93. Graham Greene - The Quiet American
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94. Jonathan Coe - Expo 58
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95. Matthew Costello/Neil Richards - Cherringham: Last Train to London
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96. Matthew Costello/Neil Richards - Cherringham: The Curse of Mabb's Farm
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Read in January: 1-7 (blog)
Read in February: 8-16 (blog)
Read in March: 17-31 (blog)
Read in April: 32-45 (blog)
Read in May: 46-51 (blog)
Read in June: 52-59 (blog)
Read in July: 60-67 (blog)

The challenge on lovelybooks.

Ben Lerner - Leaving the Atocha Station

Adam ist erfolgreicher amerikanischer Lyriker. Dies verhilft ihm zu einem renommierten Stipendium in Madrid. Er hat zunächst größte Schwierigkeiten, die fremde Sprache, das fremde Land, auch das Geld erscheint ihm geradezu unwirklich. Nur dank seiner Tranquilizer, viel Koffein und noch mehr Haschisch kommt er durch den Tag. Er erkennt nach Wochen, dass er ohne Kontakt zu Spaniern nicht weiterkommen wird. In einer Bar macht er erste Bekanntschaften und bald schon findet er sich in einem kleinen Zirkel von Künstlern und Kunstliebhabern wieder. All die Gespräche um und über Kultur und Politik, Kunst und ihre Bedeutung lassen ihn immer wieder an seinen eigenen Fähigkeiten zweifeln. Auch sein Verhältnis zu Frauen ist nicht einfach: die Spanischlehrerin Isabel ebenso wie die Übersetzerin Teresa bleiben immer ein Stück weit von ihm entfernt und er findet auch selbst nicht zu sich. Sein ratsloses Suchen könnte sich ändern durch ein gravierendes Ereignis: die Anschläge auf den Atocha Bahnhof.


Ben Lerner hat ein ungewöhnlich intensives Buch über die Suche nach sich selbst, der Bedeutung des eigenen Lebens, Wahrhaftigkeit und die Kunst geschrieben. Sein Protagonist verbringt ein Jahr mit dieser Suche, durch die Sprache mit einer gewissen Distanz und im permanenten Zweifel darüber, was er ist und will. Kann die Unfähigkeit sich auszudrücken ihn noch eine ganze Zeit darüber hinwegretten und –täuschen, dass er nicht formulieren kann, was er denkt und will, wird dies zunehmend schwieriger. Auch die Beziehungen bleiben vage, das permanente Ungewisse schwebt in allen Lebensbereichen über ihm. Man fragt sich, ob dieser Mann ein reflektiertes Genie ist oder doch nur ein drogenkonsumierender Spinner, ob er tatsächlich etwas zu sagen hat oder bei abgegriffenen und geklauten Platituden bleibt. Man weiß es schlichtweg nicht. Antworten werden angerissen und doch nicht gegeben. 

Samstag, 1. August 2015

Sarah Perry - After Me Comes the Flood

Eine Hitzewelle legt London lahm. Auch der Buchhändler John Cole kann es nicht mehr aushalten und beschließt, seinen Laden zuzumachen und zu seiner Familie ans Meer zu fahren. Doch er verfährt sich und dann bleibt auch noch sein Wagen liegen. Zu Fuß geht er weiter und erreicht ein einsames Haus, wo man ihn empfängt als hätte man nur noch auf ihn gewartet. Seltsamerweise kennen sie sogar seinen Namen und führen ihn zu seinem Zimmer. Die Bewohner sind seltsam: Hester, die als quasi Mutter alle zusammenhält; die Geschwister Alex und Claire, die sich ihr kindliches Wesen auch im Teenageralter erhalten haben; die bezaubernde Eve, die immer wieder dasselbe Lied auf dem Piano spielt; Elijah, ein ehemaliger Priester und Walker, der nie etwas sagt, sich schlafend stellt und Kette raucht. Was hat diese Menschen zusammengeführt und was haben sie mit John vor?

Das perfekte Sommerbuch: in poetischer Sprache erzählt Sarah Perry diese Geschichte, in der die große Hitze den Figuren zusetzt und den Alltag aus den Angeln hebt. Das Mysterium um die Bewohner des Hauses legt sich nur langsam und man ist immer wieder versucht, John davor zu warnen, dass seine Zeit dort für ihn sicher kein gutes Ende nehmen kann. Psychologisch komplexe Charaktere, die in der Interaktion miteinander ihre vielfältigen Facetten offenbaren und jeder in sich trotz oftmals nur kurzen Episoden im Kontakt mit John, bis ins letzte Detail durchdacht und vielschichtig angelegt sind. Besonders gelungen die Parallelen des Wetters mit der sich zuspitzenden Handlung. Viele Fragen bleiben offen – im echten Leben gibt es aber auch nicht auf alles eine Antwort.


Fazit: ein gelungenes Debut, das keine leicht-unbeschwerte Sommerlektüre ist, dafür aber mit Tiefgang punkten kann. 

Leisa Rayvon - Bad Romeo & Broken Juliet - Wohin Du auch gehst (Band 1)

Cassandra Taylor und Ethan Holt sollen die Hauptrollen in einem Theaterstück übernehmen. beide gelten als begnadete Schauspieler, die vor allem zusammen ein unglaubliches Spiel zeigen. Doch es gibt ein Problem: sie haben eine Vorgeschichte und die ging nicht gut aus. Cassandra, genannt Cassie, versucht sich nicht wieder von Ethans unglaublichem Aussehen und Charme blenden zu lassen und führt sich vor Augen, wie sich kennen und lieben lernten: schon beim Vorsprechen auf der Schauspielschule knisterte es direkt und als sie gemeinsam als Romeo und Julia auf der Bühne standen, waren sie einander verfallen. Doch diese Liebe war nicht für die Endlosigkeit bestimmt.

Gut kopiert ist halb gewonnen scheint das Motto dieses Buches, das nichts weiter ist als eine schlechte Kopie von „Twilight“ und „Shades of Grey“ und mittels offenkundigster Versatzstücke versucht auf der Welle mitzureiten und Geld zu verdienen. Das unscheinbare und vor allem unerfahrene Mädchen vom Land, das sich gar nicht bewusst ist, wie toll sie aussieht und das alle Männer auf sie stehen (ganz dreist: sie kommt aus dem Staat Washington, was man bei Stephenie Meyer auch schon lesen konnte). Natürlich ist sie Jungfrau ohne jede sexuelle Erfahrung (hier klingeln gleich beide Vorlagen laut an), die aber nur davon träumt endlich vom edlen Ritter erlöst zu werden. Auf der anderen Seite der blendende Typ, der immer warnt, dass er nicht gut für sie ist, natürlich beziehungsgestört und zutiefst verletzlich ist (und ganz toll: auch noch von einer Sensationsfamilie (Vater ist aber nicht die Welt rettender Arzt, sondern Apotheker) adoptiert wurde, weil ihn seine Eltern zu schlecht behandelt haben – hier also mal direkt bei E.L. James abgeschrieben). Dann ist da noch die kleine Schwester, die das Mädchen natürlich direkt abgöttisch mag. Ansonsten sind wir sprachlich kaum über „Shades of Grey“ nur ohne innere Göttin, dafür aber mit unsäglich dämlichem Tagebuch, das in etwa das wiedergibt, was 13-jährige sich so denken – auch wenn die Protagonistin schon deutlich älter ist. Die Handlung ist vorhersehbares Blabla nach Schema F: sie treffen sich, verlieben sich, finden sich aber nicht, noch etwas Chaos, dann kriegen sie sich doch.


Fazit: wer „Twilight“ und „Shades of Grey“ liebte, wird hier vieles Bekanntes wiederfinden und wenn man sich dann auch nicht an einer grottigen Sprache stört, mag einem dieses unsäglich blödsinnige Buch sogar gefallen. 
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