Carmel McBain hat es geschafft: sie kann die nordenglische
Kleinstadt hinter sich lassen und das Studium in London beginnen. Aber nicht
ihre ganze Vergangenheit bleibt zurück, denn zwei Mädchen ihrer Schule werden
im selben Wohnheim wohnen. Da sie als erste angekommen ist, kann sie sich
aussuchen, mit wem sie das Zimmer teilen möchte. Der Blick nach vorne wird
verwischt mit dem Blick zurück. Carmel als junges Mädchen, wie sie zur Freundschaft
mit der seltsamen Katrina gezwungen wird, für eine gute Schule nicht nur einen
langen Schulweg in Kauf nehmen muss und schließlich auch der distanzierte Blick
auf ihre Eltern und deren Weltsicht. Jedoch kann sie im London der 1960er Jahre
nicht das Leben leben, das sie sich erträumt, denn massive Geldsorgen bereiten
ihr zunehmen mehr Kopfzerbrechen.
Hilary Mantel verzichtet auf das Leben der Großstadt, das in
den 1960ern ausgelassen, wild und freizügig gewesen sein muss. Stattdessen
beschränkt sie sich auf den Mikrokosmos des Wohnheims und weniger Bewohnerinnen
auf einem gemeinsamen Flur. Hier sieht London anders aus zu dieser Zeit, doch
die Sorgen und Freuden dürften ähnlich außerhalb gewesen sein. Im Vordergrund
steht die seltsame Zwangsfreundschaft zwischen Carmel und Katrina, die zwischen
Zweckgemeinschaft und echtem Interesse schwankt, zwischen Annäherung als gemeinsame
Verbündete gegen Fremde und Abwendung. Insbesondere Carmel ist für mich glaubwürdig
gezeichnet, ihre Geldsorgen bestimmen das Leben, neben dem Wunsch dazuzugehören
und den Habitus der bewunderten Mädchen anzunehmen. Eine Generation junger
Frauen wird gezeichnet, die zwischen der konservativen Elterngeneration und der
aufgeklärten, toleranten neueren Welt steht und noch nicht so genau weiß, wo es
hingehen wird.
Fazit: ein kleiner Ausschnitt einer spannenden Epoche
wunderschön erzählt.