Eine unpersönliche Email teilt Friederike mit, dass ihre
Großmutter verstorben ist. Zweifelnd macht sie sich auf den Weg in die Heimat.
Außer mit der Oma verbindet sie kaum positive Gefühle und Erinnerungen mit dem Ort.
Schon der Empfang ist unterkühlt – die Eltern haben noch nie anders kommuniziert
als mit gebellten Anweisungen, Zuwendung war Mangelware. Einzig der
Nachbarsjunge Tobias, mit dem sie Kindheit und Jugend in Freundschaft und Liebe
verbracht hat, gibt ihr Halt. Beim Ausräumen des Hauses stößt Friederike auf
das alte Rezeptbuch der Großmutter, das Tortenprotokoll, und dort finden sich neben
unzähligen Rezepten auch Briefe, die Zeugnis einer anderen, unbekannten Seite
der Frau offenlegen: offenbar gab es im Leben der Witwe nach dem Tod des Mannes
noch eine andere Liebe, von der niemand etwas wusste.
Die Tage zwischen Tod und Beerdigung werden zu einer
Zerreißprobe für diese hochgradig dysfunktionale Beziehung. Marianne Jungmaier
gelingt es unglaublich gut, dies in Worte zu fassen. Besonders die Interaktion
der Figuren zeigt, wie gestört das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern und
auch zwischen den Schwestern ist. Dazu passt das geheime Leben der Großmutter,
das langsam erforscht wird. Vieles wird nicht gesagt, nicht erklärt, aber das
ist auch nicht erforderlich, es ist die Atmosphäre, die aus diesem Roman
spricht und eine junge Frau vor eine schwere Entscheidung stellt: so
weitermachen oder nicht? Kein klassischer coming-of-age Roman und doch steht
für mich hier die Beziehung und Auflösung dieser zwischen Protagonistin und
ihren Eltern im Vordergrund.
Fazit: gelungene Umsetzung schwieriger innerfamiliärer Beziehungen.